Wie gerne hätten auch wir eine Glaskugel. Verlässlich in ihrer Unstetigkeit sind nur Donald Trump und Boris Johnson. Diese beiden Entscheider schaffen es gemeinsam fast täglich die Kapitalmärkte zu verwirren. Das wirtschaftliche Risiko der drittgrößten europäischen Wirtschaftsnation Italien wird momentan kaum beachtet und tritt vorerst in den Hintergrund.
Donald Trump hat in den letzten Wochen den Handelskrieg mit China massiv auf die Spitze getrieben. Die Verhängung von Strafzöllen auf chinesische Produkte soll ihn als starken Präsidenten für die amerikanischen Wähler positionieren. Denn gleichzeitig sieht er sich in den USA einem Impeachment-Verfahren ausgesetzt. Donald Trump braucht nichts mehr als Erfolgsmeldungen, dass er zumindest seinen selbst inszenierten Ruf als erfolgreicher Dealmaker aufrecht erhalten kann. So ist auch seine Ankündigung zu verstehen, dass er mit China eine Einigung erzielt hätte, die dafür sorgen würde, dass China aus den USA landwirtschaftliche Produkte im Wert von 50 Milliarden Dollar importieren würde. Analysten wunderten sich direkt über diese Aussage. Denn China importiert größtenteils Sojabohnen zum Verfüttern in der Schweinemast aus den USA, hat aber in den letzten Jahren massiv unter einer Schweinepest gelitten. Zusätzlich reagierte China und brachte die Seifenblase „sichere Einigung“ zum Platzen: Man sehe keine unterschriftsfähige Einigung und müsse dafür weitere Verhandlungen führen. Gleichzeitig hat die FED bekannt gegeben, dass sie bis mindestens zum zweiten Quartal 2020 im Volumen von ca. 60 Mrd. US-Dollar amerikanische Staatsanleihen mit kürzerer Laufzeit erwerben wird. Darüber hinaus setzt die FED die Interventionen am Repo-Markt weiter fort. Deswegen halten momentan die meisten Anleger ihr Pulver trocken und investieren eben nicht in amerikanische Staatsanleihen.
Kommt der Brexit am 31. Oktober? Monatelang wurde mit den Säbeln gerasselt. Angeblich stehen die Weichen jetzt auf Einigung. Schnellstmöglich möchte man jetzt einen Vertrag vorbereiten, der alle strittigen Punkte zwischen der EU und Großbritannien löst. Jahre des Verhandlungsmissgeschicks auf einmal innerhalb einer Woche gelöst? Die Irlandfrage und die Frage der Außengrenze der EU für beide Parteien akzeptabel gelöst? Auch hier haben die Märkte in den letzten Monaten die britischen Staatsanleihen konstant gen Süden geschickt und sich nicht von den täglichen Wasserstandsmeldungen beeindrucken lassen.
Die jüngsten geopolitischen Verwerfungen zwischen der Türkei und Syrien sowie rund um den Iran sind auch eher dunkle Wolken für die Märkte. Dennoch darf momentan Italien nicht aus den Augen der Investoren verschwinden. Die neue Regierung aus der populistischen Fünf Sterne Bewegung und die in der linken Mitte zugerechneten Demokraten legt einen Entwurf des Staatshaushaltes für das Jahr 2020 vor, der die Staatsverschuldung horrend nach oben schraubt. Nach dem Motto „nur nicht heute“ wird die Konsolidierung des Haushaltes auf das Jahr 2021 verschoben. Von Brüssel verspricht man sich in Rom Wohlwollen, weil vor zwei Monaten die Neuwahlen verhindert werden konnten, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Rechtspopulisten Mario Salvini an die Macht gespült hätte. Dieser hatte eine noch höhere Staatsverschuldung vor und drohte mit einem Austritt aus der Währungsunion. Es bleibt aber abzuwarten, wie die Ratingagenturen nun die italienischen Staatsanleihen bewerten werden. Es wäre ein Debakel, wenn die drittgrößte europäische Wirtschaftsnation auf Ramschniveau geratet würde. Da ist es auch nicht weiter wichtig wenn die EZB weiterhin massive Anleiheaufkaufprogramme fortsetzt.
Geben wir uns keiner Illusion hin, Anleger brauchen einen „sicheren Hafen“ mit einer gesunden Rendite. Das Versicherungsprodukt Gold ist es nicht. Immobilien sind auch als Assetklasse nicht weiter ausbaufähig. Die Geldströme sind auf der Suche nach alternativen Produkten: Unternehmensanleihen. Aber auch hier werden mittlerweile keine hohen Renditen mehr gezahlt. Dementsprechend wird Risikoappetit immer größer – nicht nur bei KMU-Anleihen, sondern auch bei Anleihen von großen Unternehmen. Die Steinhoff-Anleihen sind bei allen präsent. Dennoch auf Dauer kann das Pulver nicht trocken gehalten werden. Hohe Barbestände sind weder für die Anleger noch für die Wirtschaft eine Lösung. Was bleibt? Investitionen bedürfen heute mehr denn je einer professionelle Unternehmens-Due Diligence und einer kompetenten Beratung.
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(Foto: Ralf Meinerzag © Steubing AG)
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