Der Ukrainekrieg beschleunigt die Energiewende. Einige sprechen jetzt von „doppelter Dringlichkeit“, sprich Klimaschutz und Energiesicherheit. Entsprechend steht die Frage im Raum: Droht nun eine Greenflation?
Die Kritik gegen erneuerbare Energien verstummt in diesen Tagen. Krieg und Klimakrise zeigen auf, dass die Abkehr von (russischen) fossilen Energieträgern sowohl das Klima schützt als auch die Energiesicherheit erhöht. „Dennoch fragt man sich, wie teuer es für Wirtschaft und Gesellschaft kommt, wenn unser Wirtschaftssystem bis 2050 aufgrund des Klimaschutzes und der Energiesicherheit nahezu ohne fossile Energieträger auskommen soll. Es stehen Argumente im Raum, die scheinbar kaum vereinbar sind“, so Gerhard Wagner, Portfolio Manager des Swisscanto (LU) Equity Fund Sustainable.
Einerseits wird eine Greenflation, sprich steigende Energiepreise aufgrund neuer Umwelttechnologien, erwartet, die die Bevölkerung de facto ärmer macht. Das Kernargument ist der für Klimaschutz notwendige hohe CO2-Preis. Der frühere Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, betont, dass billige fossile Energieträger ihren Kostenvorteil verlieren müssen. Wenn bis 2030 aufgrund des 1,5°C Klimaschutzzieles die CO2-Emissionen halbiert werden sollen, dann impliziert dies einen CO2-Preis von 50 bis 100 US-Dollar pro Tonne CO2. Konsumenten müssen diesen bezahlen, damit die Energiewende möglich wird. Dies führt zwangsläufig zu Greenflation.
Andererseits sehen gewisse Klimaschutzverfechter auch eine Greendeflation. Sie untermauern ihre Prognose zum Beispiel mit dem Verweis auf deutlich gesunkene Preise für Solarmodule. Im Jahr 2008 lagen die Preise für ein Solarmodul bei rund 4 Dollar pro Watt. Heute sind es noch rund 0,2 bis 0,3 Dollar pro Watt. „Hinsichtlich Solarenergie ist somit der Begriff Greenflation zweifelsohne falsch. Ähnliches gilt für die Preisentwicklung von Windenergie oder von Batterien für die Elektromobilität“, sagt Wagner.
Was wirkt inflationär, was deflationär?
Die internationale Energieagentur (IEA) versucht nun die Diskussion hinsichtlich Greenflation zu versachlichen, indem sie durch detaillierte Analysen zeigt, welche Klimaschutzmaßnahmen beziehungsweise -technologien inflationär und welche deflationär auf Energiepreise wirken. Die IEA erklärt, dass bis 2030 neben den bereits in Folge der UN-Klimakonferenz von Glasgow (COP26) geplanten CO2-Reduktionen zusätzlich noch 14 Gigatonnen (GT) CO2 eingespart werden müssen – ein fraglos enormer Kraftakt. Allerdings ließen sich rund 40 Prozent oder 5,6 GT mit Technologien einsparen, die bereits kosteneffizient, das heißt deflationär wirken. Dazu gehören unter anderem Stromerzeugung aus Wind und Sonne, die Elektromobilität oder zahlreiche Energieeffizienz-Technologien.
Die restlichen zu reduzierenden gut acht GT CO2 fußen noch auf relativ teuren Technologien. In diesem Kontext ist der Begriff Greenflation insofern zutreffend, da sie für Konsumenten Energie verteuern. Dazu gehören zum Beispiel grüner Wasserstoff, die Speicherung von CO2 oder die Entfernung von CO2 aus der Luft. Mit zunehmender Massenproduktion sollten indes auch hier die Kosten sinken.
Höhere Energiekosten nicht zwingend
Die IEA kommt zum Ergebnis: Wenn das globale Ziel bis 2050 ein Gleichgewicht zwischen der Menge der produzierten CO2-Emissionen und der der Atmosphäre entzogenen CO2-Emissionen („Net Zero Emission“) konsequent angestrebt wird und somit die Erderwärmung vermutlich auf 1,5°C begrenzt werden kann, dann erhöhen sich die durchschnittlichen Energiekosten eines durchschnittlichen Haushaltes bis 2030 im Vergleich zu 2016 bis 2020 nicht. In diesem Szenario müssen Haushalte allerdings große Anfangsinvestitionen schultern (zum Beispiel energetische Sanierung des Hauses), bei denen sie staatliche Unterstützung benötigen.
Die Energiewende ist gemäß der IEA bis 2030 für die Haushalte somit kein Kostenproblem, aber eine Herausforderung bezüglich der verfügbaren liquiden Mittel für die notwendigen klimafreundlichen Investitionen. „Vorausgesetzt die IEA hat mit ihrer Modellierung Recht, dann ergibt es ökonomisch Sinn, die Energiewende konsequent anzugehen. Das Schreckgespenst Greenflation wäre dann kein wirkliches Problem. Erfreulich wäre auch, dass die Abhängigkeit nach fossilen Energieträgern aus Russland und anderen Ländern sinkt und dies zu weniger Volatilität bei den Energiekosten führen sollte. Zuletzt darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass die Abhängigkeit nach anderen Rohstoffen wie etwa Kupfer, Lithium, Nickel durch die Energiewende steigt“, so Wagner.
www.green-bonds.com
Foto: Gerhard Wagner © Swisscanto
Das Schreckgespenst der Greenflation geht um
Investment
Investment
fixed-income.org
- BOND MAGAZINE
- Who is Who
- Anleihen-Check
- Investment
- Neuemissionen
- Unternehmens-News
- Restrukturierung
- Schuldscheindarlehen
- Emission von Anleihen
- Handelbarkeit
- Schuldverschreibungsgesetz (SchVG)
- Anleihehandel QUOTRIX Wochenrückblick
- Zinsen, Renditen, Geldmarktsätze
- Ratingdefinition
- Events
- Links
- Über uns
- Impressum
- Datenschutzerklärung