Die Welt wird nach wie vor von den durch die COVID-Krise ausgelösten Verwerfungen dominiert. Hierzu gehören Unterbrechungen der Versorgungskette, Nachfrageschwankungen, fiskalische und geldpolitische Konjunkturprogramme, angespannte Arbeitsmärkte sowie Inflationsdruck. Hinzu kommen die zusätzlichen Folgen des Krieges in der Ukraine.
Einem wirtschaftlichen Zusammenbruch wurde zunächst durch fiskalische Exzesse und eine Lockerung der Geldpolitik begegnet, nun folgt eine Straffung der Geldpolitik. Und wir diskutieren bereits über die nächste Rezession. Diese großen Schwankungen bringen drei wichtige Konsequenzen mit sich:
Zunächst ist es in diesen äußerst volatilen Zeiten, in denen die wirtschaftlichen Parameter außerhalb ihrer üblichen Bandbreite liegen, nach wie vor sehr schwierig, genaue kurzfristige Prognosen zu abzugeben, da die meisten Wirtschaftsmodelle nicht korrekt kalibriert sind. So ist beispielsweise die Vorhersage des BIP oder der VPI-Drucke schwierig.
Zweitens hat die Unsicherheit erheblich zugenommen. Die wirtschaftspolitische Ungewissheit und die Unsicherheit der Unternehmen befinden sich auf einem hohen Niveau. Dies erschwert es, Entscheidungen für wirtschaftliche Maßnahmen zu treffen und wirkt sich zudem negativ auf Risikoanlagen aus.
Schließlich hatten diese Veränderungen auch grundlegende Auswirkungen auf die Zinsmärkte. Angesichts der außergewöhnlich hohen Inflation und der Reaktion der Zentralbank sind die Zinsen deutlich gestiegen. Es gibt keine offensichtliche historische Vorlage, nach der man die Zinssätze bewerten könnte. Selbst ein Vergleich mit den achtziger Jahren weist zu wenig Parallelen auf. Daher verfügt der Markt über keinen Preisbildungsrahmen und befindet sich in einem Preisfindungsmodus. Dies wiederum bewirkt eine größere Volatilität und bisweilen sprunghafte Kurse, was kurzfristige Vorhersagen sehr schwierig macht.
Aus diesem Grund konzentrieren wir uns in unserem Ausblick für festverzinsliche Wertpapiere auf die mittelfristige Perspektive, um festzustellen, in welche Richtung wir uns bewegen und wann sich die Trends umkehren.
Im Hinblick auf die Aussichten von Unternehmensanleihen nehmen wir weiterhin eine vorsichtige Haltung ein, bevorzugen aber Qualitätsanleihen (Investment Grade). Der Grund dafür ist folgender: Wir sind besorgt, was die Rentabilität der Unternehmen betrifft. Der CEO-Vertrauensindikator, eine US-Umfrage, die das Vertrauen der CEOs in die Wirtschaft in einem Jahr misst, zeigt einen Schwächegrad, der in der Vergangenheit mit Konjunkturabschwüngen und höheren Spreads bei Hochzinsanleihen in Verbindung gebracht wurde.
Auch bei den Investment-Grade-Anleihen kommt es zu einer beträchtlichen Ausweitung der Spreads, so dass die Spread-Ausweitung im vergangenen Jahr bereits sehr ausgeprägt erscheint, zumindest im Vergleich zu vorangegangenen Spread-Ausweitungsphasen in der Vergangenheit: Aus historischer Sicht ist die Ausweitung des Investment-Grade-Segments bereits recht weit fortgeschritten.
Dies gilt auch für Hochzinsanleihen. Angesichts unserer verhaltenen Konjunkturerwartungen und der Tatsache, dass sich die Spreads bei Hochzinsanleihen in der Vergangenheit über längere Zeiträume hinweg ausgeweitet haben, sind wir bei Hochzinsanleihen jedoch unverändert zurückhaltend. Darüber hinaus haben Anleihen mit Investment-Grade-Rating die potenzielle Unterstützung durch die EZB, und mit Sicherheit durch die Reinvestition fällig werdender Anleihen im Besitz der EZB.
Wandelanleihen befinden sich in einer ähnlichen Lage wie Hochzinsanleihen. Da sie jedoch stärker unter Druck geraten sind, sind sie aufgrund ihres niedrigen Preises relativ attraktiv. Nach unserer Auffassung ist es aber noch zu früh, um wieder einzusteigen.
Diese Erkenntnisse aus dem Segment der Unternehmensanleihen decken sich zudem mit unserer Einschätzung der Zinssätze. Wir haben bereits die schwächeren Aussichten für Unternehmen erwähnt. Der Verbraucher leidet unter einem Verlust an realer Kaufkraft, da die Inflation die Nominallohnsteigerungen übersteigt. Dies hat zur Folge, dass der Verbraucher seine verbleibenden COVID-Ersparnisse aufbraucht und mehr Kredite aufnimmt. Das ist ein typisches Verhalten in der Spätphase des Zyklus.
Die Beobachtungen zu Unternehmen und Verbrauchern werfen die Frage nach der Stärke des aktuellen Zyklus auf. Die Märkte preisen bereits ein, dass die Zentralbanken in zwei bis drei Jahren mit einer Lockerung beginnen werden.
Angesichts der anhaltenden Inflationsunsicherheit wollen wir in inflationsgebundenen Anleihen engagiert bleiben und eine Übergewichtung in dieser Anlageklasse beibehalten. Das Gleichgewicht zwischen geringerem Wachstum und hoher Inflation ist komplexer. Insgesamt bleiben wir jedoch bei einer leichten Untergewichtung der Duration, da die Zinssätze in letzter Zeit gesunken sind und somit eine gewisse Abschwächung bereits eingepreist ist.
Die Zentralbanken der Schwellenländer strafften die finanziellen Bedingungen deutlich früher als die Zentralbanken der Industrieländer und brachten die realen Zinsdifferenzen wieder auf das Niveau von vor der Krise. Daher liegt der Carry wieder auf einem attraktiven Niveau. Wir sind jedoch vorsichtig, was die schwächeren Anleihen angeht, da die durch die Gesundheitskrise verursachten Defizitprobleme zusätzlichen Stress verursachen werden.
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Foto: © pixabay
Markt im Preisfindungsmodus
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