Auf den ersten Blick ist es ein rosiges Bild, das da der Internationale Währungsfonds (IWF) zeichnet. Um ordentliche 3,7 Prozent soll das globale Wirtschaftswachstum 2014 zulegen, während der IWF für Deutschland von einem passablen Plus von 1,6 Prozent ausgeht. Doch eins darf man trotz aller freudiger Erwartung ob solcher Prognosen nicht übersehen: Hinter dem nachlassenden Preisdruck in den Industrieländern lauert das Gespenst der Deflation.
Zwar gewinnt die wirtschaftliche Erholung laut IWF an Kraft. Aber die niedrige Inflation - vor allem in der Eurozone - könnte in eine deflationäre Entwicklung umschlagen, also in einen Verfall der Preise, was den Unternehmen wesentliche Anreize für Investitionen nehmen würde. Um die Deflationsgefahr zu bannen, warnt der IWF daher die Industrieländer davor, die geldpolitischen Zügel frühzeitig wieder zu straffen.
Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch eine ganze Weile ihre ultralockere Geldpolitik beibehalten wird. Aber nicht nur das, der IWF geht sogar davon aus, dass die EZB ihre Geldpolitik noch weiter lockern muss. Im Übrigen braucht man die Inflation in Euroland ja auch noch zum staatlichen Schuldenabbau. Und wenn sie schon nicht von selbst kommt, die Inflation, so wird man bei der EZB doch wissen, wie man „inflationsfördernde Maßnahmen“ ergreift.
Dass das Deflationsgespenst nicht so einfach in Schach zu halten ist, davon weiß man in Japan ein Lied zu singen. Über Jahre hat sich die Japanische Notenbank (BoJ) mit billigem Geld gegen die Abwärtsspirale sinkender Preise gewehrt. Zwar hat die Regierung erst diese Woche die Deflation für beendet erklärt, die BoJ aber traut dem Frieden offenbar noch nicht. Sonst hätte sie ihr Versprechen, die Geldbasis jährlich um umgerechnet bis zu 495 Milliarden Euro zu erhöhen, vor kurzem nicht erneuert.
Auch in Großbritannien nähert sich die Stunde, in der es zum Schwur der dortigen Notenbank kommen muss. Noch hält die Bank of England (BoE) an ihrer Zusage fest, von Zinsanhebungen abzusehen, so lange die Arbeitslosenquote nicht auf sieben Prozent fällt. Dies war jedoch mit einem Hinweis versehen, dass das Erreichen keinen Automatismus auslöst. Doch mit 7,1 Prozent im November hat sich der Anteil der Arbeitslosen dieser Marke ganz stark angenähert. Freilich ist damit zu rechnen, dass die BoE ihr Zinsversprechen früher oder später anpassen oder ganz fallen lassen wird. Ohnehin hat sich London mit ihrer Zusicherung rekordniedriger Leitzinsen stark an die Linie der US-Notenbank Fed angenähert. Auch sie verspricht, die Leitzinsen selbst im Falle einer weiter sinkenden Arbeitslosigkeit niedrig halten zu wollen. Eine andere Möglichkeit für die britische Notenbank wäre, es der EZB gleich zu tun und von Schwellenwerten künftig ganz abzusehen.
Ihren Einstieg in den Ausstieg der ultralockerten Geldpolitik hat die US-Amerikanische Notenbank (Fed) bereits Ende 2013 eingeläutet. Eine Reduzierung des billigen Geldes durch die US-Notenbank dürfte im Übrigen Industrienationen wie den USA oder Deutschland nutzen. Dies geht aus einer beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellten Befragung unter Entscheidungsträgern hervor. Demnach investieren Anleger bei einem Kurswechsel in der Geldpolitik verstärkt in Volkswirtschaften, die als besonders wettbewerbsfähig gelten.
Ungeachtet dessen, schenkt man den Worten des Präsidenten der EZB, Mario Draghi, Glauben, so wird die Niedrigzinspolitik in absehbarer Zeit in Europa kein Ende nehmen. Dies wiederum bedeutet, dass die Politik des billigen Geldes so lange wie erforderlich beibehalten wird. Im Unterschied zu den USA, wo man sich mit der Tatsache des Taperings bereits abgefunden hat, ist man im wirtschaftlich heterogenen Europa zum Opfer der fehlenden politischen und wirtschaftlichen Einheit geworden. Zu groß sind die Unterschiede der einzelnen Volkswirtschaften, als dass die EZB ungezwungen agieren könnte. Vieles erinnert an ein Kolonnenfahren auf der Autobahn. Das Auto mit der geringsten Motorisierung gibt auch dort den Takt an und alle anderen müssen sich zähneknirschend einreihen.
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