Kommentar von Nick Eisinger, Co-Head of Emerging Markets Active Fixed Income bei Vanguard. Eisinger nennt drei Risikofaktoren, die sich auf die Entwicklung von Schwellenländeranleihen auswirken.
Geldpolitik, Ölpreis und Rezession setzen Schwellenländeranleihen unter Druck
Die Schwellenländer befinden sich in einer schwierigen Situation, insbesondere angesichts der jüngsten Spread-Rückgänge, die die Bewertungen wieder auf ein normaleres Niveau gebracht haben. Die Barbestände sind hoch und die Stimmung ist pessimistisch, während die Kapitalzuflüsse in die Schwellenländer insgesamt negativ sind. Schwellenländer-Staatsanleihen werden dabei durch die hohen Barbestände der Anleger und ein geringes Volumen von Neuemissionen gestützt. Risikofaktoren lassen sich vor allem in drei Bereichen ausmachen:
1. Die geldpolitische Neuausrichtung der Federal Reserve (Fed) setzt sich fort, wobei das kurze Ende der Renditekurve der Vereinigten Staaten (UST-Kurve) auf kräftige Zinserhöhungen hindeutet. Bislang gibt es keine nennenswerten Verwerfungen am langen Ende der Kurve, so dass eine größere Unruhe an den Märkten noch nicht zu erwarten ist. Dennoch bleibt die Gefahr von Verwerfungen am langen Ende der Renditekurve ebenso bestehen wie das Risiko unerwartet starker Auswirkungen des Bilanzabbaus von Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB).
2. Das Wachstum der Rohstoffexporteure unter den Schwellenländern wird durch die hohen Preise gestützt, wenn auch mit uneinheitlichen Ergebnissen. Beispielsweise profitiert Nigeria nur teilweise vom hohen Ölpreis, während Angola deutlich davon profitiert. Es besteht die Hoffnung, dass sich China im zweiten Halbjahr erholen wird, sobald fiskalische und geldpolitische Anreize verstärkt werden. Allerdings lassen die jüngsten Daten und die Lockdowns im Zusammenhang mit Covid nichts Gutes ahnen. Eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in China könnte sich negativ auf die Ölpreise auswirken, die ihren Höhepunkt wahrscheinlich bereits überschritten haben, sowie auf die Schwellenländer und das globale Wachstum im Allgemeinen.
3. Die Möglichkeit einer Rezession ist ein neuer Risikofaktor, der sich sehr negativ auf Schwellenländeranleihen auswirken würde - insbesondere auf High Yield-Anleihen und Devisen. Wir gehen allerdings nicht von einer tatsächlichen Rezession in den nächsten sechs Monaten aus, trotz der von der 2/10-US-Zinskurve ausgehenden Signale. Das Risiko einer starken Abkühlung ist dennoch gestiegen, und mit einer Beschleunigung des Wachstums ist nicht zu rechnen. Der Risikofaktor „Rezession“ wird daher in der nächsten Jahreshälfte wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen.
Vor diesem Hintergrund kehren wir zu einer vorsichtigeren Haltung gegenüber Schwellenländeranleihen zurück. Wir haben unser Gesamtrisiko und unser Portfolio-Beta nach dem Ausverkauf des Marktes im Zusammenhang mit der russischen Ukraine-Invasion erhöht, inzwischen aber wieder reduziert. Wir befinden uns nach wie vor in einer Phase, die durch eine Straffung der geldpolitischen Bedingungen gekennzeichnet ist. Unseres Erachtens spricht dies weiterhin für ein selektives Engagement in Hochzinsanleihen, da sie höhere Spreads aufweisen, die nicht so stark von einer Straffung der Geldpolitik abhängen. Da sich die Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung und ein steigendes Rezessionsrisiko mehren, reduzieren wir unser Engagement in Hochzinsanleihen angesichts ihrer Rezessionsanfälligkeit und nehmen eine neutralere oder wahrscheinlich sogar „bearishe“ Haltung ein, indem wir uns stärker in Investment-Grade-Anleihen - das heißt, in Anleihen mit guter bis sehr guter Bonität - oder Staatsanleihen engagieren werden.
Die Zinssätze der Schwellenländer werden angesichts der umfangreichen Zinserhöhungen der Zentralbanken allmählich interessant. Doch die Inflation hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Die Terminkurse haben unsere Bewertung der Endkurse in den meisten Schwellenländern bisher nicht wesentlich überstiegen. Die Devisenmärkte sind interessant, da aufgrund der Zinserhöhungen der Zentralbanken (z. B. in Brasilien) der Carry viel höher ist. Dennoch gilt es den "Risk-Off"-Effekt eines stärkeren US-Dollars und das derzeitige Wachstumsrisiko der Schwellenländer im Auge zu behalten.
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Foto: Nick Eisinger © Vanguard
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