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Was macht Anleihen aus Schwellenländern gerade jetzt so attraktiv?

von Susanne Hellmann, Geschäftsführerin von ING Investment Management Germany

Schwellenländeranleihen sind – relativ und absolut gesehen – aus mehreren Gründen im Vergleich zu Anleihen aus Industrieländern attraktiv. Schauen wir uns einmal die Chancen und Risken genauer an.

Risiken: Wir halten das Risikoprofil für recht attraktiv. Die makroökonomische Risikosituation in den Schwellenländern verbessert sich kontinuierlich. Insgesamt sind die hohe Inflation und die Auslandsverschuldung der Vergangenheit einer kontrollierten Inflationsentwicklung und einer Position als Nettogläubiger gewichen (die Schwellenländer fungieren mittlerweile als Nettokreditgeber der Industrieländer). Insgesamt ist die Verschuldung in den aufstrebenden Volkswirtschaften jetzt weitaus niedriger (im Schnitt knapp über 30 Prozent des BIP), während die durchschnittliche Verschuldung in den entwickelten Ländern 100 Prozent des BIP überschreitet. Hinzu kommt, dass die Staatshaushalte der Schwellenländer in weitaus besserer Verfassung sind als die der Industrieländer, die mehrheitlich mit enormen Defiziten zu kämpfen haben. Höhere Produktivität, Wirtschaftswachstum, eine günstigere demografische Entwicklung sowie Zahlungsfähigkeit machen die Emerging Markets zu einem noch interessanteren Anlageziel.

Chancen: Staatsanleihen von den Emerging Markets werfen in der Regel höhere Erträge ab als US Treasuries oder Bundesanleihen. Die Renditen zehnjähriger amerikanischer und deutscher Staatsanleihen liegen derzeit unter 2,5 Prozent. Die Renditen von All-Grade-Schuldverschreibungen aus Schwellenländern liegen typischerweise 3 Prozent (bei Hartwährungen) bzw. 4 Prozent (bei Lokalwährungen) darüber. Überdies profitieren Anleger in EM-Lokalwährungsanleihen von Wertsteigerungen. Vor allem längerfristig dürften Nettogläubigerposition, Außenhandelsüberschüsse und höhere Produktivitätszuwächse der Schwellenländer ihre Währungen stützen.

Dank dieses Risiko-Chancen-Profils setzen immer mehr Investoren auf die Attraktivität und den relativen Wert von Schwellenländeranleihen. Ein weiterer Vorteil dieser Anlageform besteht darin, dass sie vor allem langfristig orientierte statt spekulative Investoren anzieht. Dadurch nimmt die Volatilität dieser Anlageform grundsätzlich ab.

Was spricht aus Sicht der Anleger für Schwellenländeranleihen in lokaler Währung?

Lokalwährungsanleihen haben zwei wichtige Vorteile: Zunächst ist Diversifikation zu nennen. Anleihen in lokaler Währung werden weniger von globalen als vielmehr länderspezifischen Entwicklungen beeinflusst. Herrscht in einem Land eine Krise, so weitet sich dies selten auf andere Länder und noch seltener auf andere Regionen aus. Der zweite Vorteil besteht im Wertzuwachspotenzial, das Schwellenländerwährungen mittlerweile zu eigen ist. Die Inflation ist drastisch zurückgegangen, da die Zentralbanken der meisten Schwellenländer jetzt politisch unabhängig agieren und die geldpolitischen Instanzen glaubwürdige Inflationsziele verfolgen. Da die Schwellenländer höhere Produktionszuwächse als die entwickelten Volkswirtschaften aufweisen, steigt auch der relative Wert ihrer Assets im Vergleich zu den Industrieländern. Experten gehen davon aus, dass diese Differenz bei den Produktivitätszuwächsen den Schwellenländern in Form eines jährlichen Wertzuwachses von 2-3 Prozent zugute kommt. Da es sich dabei um eine längerfristige Entwicklung handelt, werden sich diese Trends vor allem bei längeren Anlagehorizonten (also zwischen fünf und zehn Jahren) bemerkbar machen, wenn vorübergehende Volatilitätseffekte weniger relevant sind. Überschussrenditen sind ein weiterer Bonus. Neben dem Wachstumsgefälle bei der Produktivität profitieren die Schwellenländer auch von ihrer Position als Nettoexporteure und -gläubiger, während ihnen gleichzeitig Nettoinvestitionen aus den entwickelten Ländern zufließen. Auch diese Dynamiken stützen ihre Währungen.

Welche Vorteile bieten Unternehmensbonds aus Schwellenländern gegenüber den Staatsanleihen?

Zunächst einmal ermöglichen sie eine stärkere Diversifikation. Wohl wichtiger ist aber, dass Unternehmensbonds gegenüber Staatsanleihen mit ähnlicher Bonität tendenziell mit einem Renditeaufschlag gehandelt werden. Dieser Renditeaufschlag gründet sich zum Teil auf die niedrigere Liquidität von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen, die vor allem bei Markteinbrüchen zu höherer Volatilität führt. Nach unserem Dafürhalten ist der Renditezuschlag zu einem Großteil aber auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass Unternehmensbonds in der Fachpresse und im Research weniger Beachtung finden und Anlegern daher nicht im gleichen Maße vertraut sind. Der Renditezuschlag ist vor allem für Investoren mit längerfristigem Anlagehorizont interessant oder Kapitalanleger, die bereit sind, selbst zusätzliches Research durchzuführen (wie ING Investment Management zum Beispiel).

Der Markt für Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern boomt – wie groß ist die Gefahr, dass eine Blase entsteht?

Betrachten wir das Risiko einer Blasenbildung einmal aus zwei Blickwinkeln, Fremdverschuldung und Bewertung. Was die Fremdverschuldung angeht, sind die Schwellenländer relativ solide und weitaus besser aufgestellt als die Industrieländer. Relativ gesehen verbessert sich ihre Fremdverschuldungssituation sogar. Auch historisch gesehen kann man nicht von einer echten Blase sprechen. Derzeit ist der Verschuldungsgrad durchaus akzeptabel. Was die Bewertung betrifft, gab es im letzten Jahr erhebliche Zuflüsse, aber Credit Spreads, reale (Langfrist-)Renditen und Währungen sind, historisch gesehen, weiterhin angemessen bzw. unserer Ansicht nach sogar attraktiv bewertet (im Vergleich zu den Industrieländern).

Wie risikobereit müssen Anleger sein, die in Schwellenländer-Rentenfonds investieren möchten?

Wir empfehlen Privatanlegern vor allem die längerfristige Investition in Schwellenländeranleihen. Das Timing ist bei dieser Asset-Klasse sehr schwierig und hängt davon ab, wie die globalen Märkte jeweils zum Risiko stehen. 2008 stieß etwa die Hälfte unserer Anleger diese Assets ab und verpasste damit größtenteils den Aufschwung in den Jahren 2009 und 2010. Unsere institutionellen Investoren hielten dagegen überwiegend (80-90 Prozent) an ihrem Engagement fest und schnitten dabei gut ab. Wir rechnen zwar nicht mit einer Wiederholung der Situation von 2008/2009 (nicht zuletzt, weil EM-Investoren jetzt weniger spekulativ ausgerichtet sind). Privatanleger nutzen die grundsätzlichen Vorteile dieser Anlageform aber wohl am sinnvollsten, indem sie in ein gut diversifiziertes Portfolio mit längerfristiger Ausrichtung investieren.

Welchen Einfluss hat der gegenwärtige Währungsstreit auf die Renditechancen von Schwellenländeranleihen?

Der Währungsstreit selbst hat wenig Einfluss auf die langfristigen Renditen von Lokalwährungsanleihen, die vor allem von inländischen Faktoren wie Wachstum und Inflation (Inflationserwartungen) bzw. der Dynamik zwischen Ersparnissen und Investments abhängen.

Der Begriff Schwellenland ist weit gefasst – welche Regionen versprechen das meiste Potenzial für Anleger?

Die Volkswirtschaften Asiens wachsen tendenziell schneller als die anderer Regionen. Das bedeutet aber nicht automatisch höhere Anlagerenditen. Generell empfehlen wir, gut diversifiziert in globale Portfolios zu investieren. Einzelne Schwellenländer sind möglicherweise immer noch anfällig für Risiken. Diversifizierte Anlagen können Schutz vor Abwärtsrisiken bieten, während der Investor von hohem Wachstum und sich verbessernden Kreditrahmendaten profitiert. Bei in US-Dollar oder Euro denominierten Staatsanleihen setzen wir auf weniger bekannte Emittenten, vor allem in der EMEA-Region. Privatanleger haben wahrscheinlich weniger guten Zugang zu solchen Investments; zudem erfordern diese aufgrund ihrer spezifischen Merkmale ein besonderes Maß an Erfahrung und Kompetenz. Wir haben Zugang zu Fachleuten vor Ort an den jeweiligen Märkten, die die Sprache des jeweiligen Landes sprechen. Privatanleger können durch Investition in Publikumsfonds von diesem Informationsvorteil profitieren.

Nach welcher Strategie steuern Sie Ihre Portfolien?

In unseren EMD Hard Currency Portfolios setzen wir auf Länder, die bislang vom Markt unterschätzt wurden (wie Argentinien und die Ukraine) oder vernachlässigt werden (Katar und Abu Dhabi (VAE). Länder, die zwar sehr gute Risikoprofile haben mögen, aber deren Bewertung unattraktiv ist (wie beispielsweise China, Mexiko und Panama), gewichten wir unter. Ferner ziehen wir quasi-staatliche Emittenten sowie Unternehmensanleihen aus Ländern wie Russland, Kasachstan und Brasilien vor. Im Laufe des Jahres haben wir unsere zunächst neutrale Venezuela-Position untergewichtet, da uns die volkswirtschaftliche Richtung des Landes insgesamt Sorge bereitet. Bislang konnten wir zwar von den hohen Renditen des Landes profitieren, aber das Gleichgewicht zwischen Chance und Risiko scheint sich jetzt zuungunsten des Landes zu verkehren. Die kurzfristigen Aussichten dieser Asset-Klasse sind mäßig positiv, dürften sich längerfristig jedoch verbessern. Insofern liegt unser Risiko geringfügig über der Benchmark.

In unseren EMD Local Currency Portfolios setzen wir weiterhin auf asiatische Währungen, da die makroökonomischen Rahmendaten (starkes Wachstum, gute Netto-Exportpositionen) dieser Regionen ihre Währungen stützen. So bewerten wir den polnischen Zloty und den chilenischen Peso positiv, da diese Währungen unserer Ansicht nach unterbewertet sind. Da die weltweit niedrigen Zinsen sich nun auch in den Schwellenländern durchsetzen, bevorzugen wir momentan auch Durationspositionen. Im Anschluss an die jüngste Rally haben wir unser Durationsrisiko insgesamt zurückgefahren, bleiben aber übergewichtet. Die Aussichten für die Asset-Klasse insgesamt sind auf kurze Sicht nur leicht positiv, da weltweite Trends und Ereignisse EM-Anleihen (vorübergehend) belasten könnten. Es gibt nämlich immer noch Faktoren in den Industrieländern, die den globalen Risikoappetit auf absehbare Zeit dämpfen könnten. Wir sehen längerfristig mehr Aufwärtspotenzial als auf kurze Sicht.



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