Die in Walldorf ansässige Ekosem-Agrar GmbH ist mit über 12.000 Milchkühen der drittgrößte Milchproduzent in Russland. Dabei profitiert die Gesellschaft von einer deutlichen Unterversorgung des russischen Milchmarktes, Produkte wie Käse und Butter müssen in großem Umfang importiert werden. Die landwirtschaftliche Nutzfläche des Unternehmens von 160.000 ha entspricht der Größe von 2/3 des Saarlandes. In den vergangenen Jahren hat die Gesellschaft rund 100 Mio. Euro in Ackerland, Stallanlagen und moderne Technik investiert. Zur Finanzierung des weiteren Wachstums plant die Ekosem-Agrar GmbH die Emission einer Unternehmensanleihe. Im Gespräch mit dem BOND MAGAZINE erläutert der Gründer und geschäftsführende Gesellschafter Stefan Dürr die Besonderheiten des russischen Agrarmarktes und die Wachstumsstrategie des Unternehmens.
BOND MAGAZINE: In welchen Bereichen ist die Ekosem-Agrar GmbH tätig?
Dürr: Ekosem-Agrar ist die Holdinggesellschaft der Ekoniva-Gruppe. Mit über 12.000 Milchkühen sind wir der drittgrößte Milchproduzent in Russland. Wir verfügen über eine landwirtschaftliche Nutzfläche von rund 160.000 Hektar. Dies entspricht etwa zwei Dritteln des Saarlands. Die Milchproduktion ist unser Kerngeschäftsfeld. Das benötigte Futter bauen wir selbst an. Darüber hinaus sind wir im Pflanzenbau tätig und erzeugen beispielsweise Getreide, Sojabohnen, Zuckerrüben und Kartoffeln. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs in Russland steigt die Nachfrage nach Premium-Rindfleisch. Daher bauen wir dieses Geschäft als drittes Standbein gerade auf.
BOND MAGAZINE: Weshalb ist der russische Agrar- und Milchmarkt für Sie so interessant?
Dürr: Russland bietet der Landwirtschaft fantastische Möglichkeiten. Es ist der größte Flächenstaat der Welt und die Schwarzerde-Region, in der wir vorwiegend tätig sind, gilt als eines der fruchtbarsten Anbaugebiete der Welt. Auch die Rahmenbedingungen im Milchmarkt könnten kaum besser sein. So liegt der Milchpreis mit aktuell 44 Eurocent gute 25% über dem deutschen Niveau. Denn die Nachfrage kann von lokalen Produzenten bei weitem nicht gedeckt werden. Wir haben nur 60% Eigenversorgung. Rund 8 Millionen Tonnen Milchäquivalent müssen derzeit jährlich importiert werden. Dies entspricht der Produktion von einer Million Milchkühe. Daher ist nicht zu erwarten, dass sich in den kommenden zehn bis 15 Jahren an der Unterversorgung etwas Grundlegendes ändern wird.
BOND MAGAZINE: In welcher Form wird die Landwirtschaft in Russland staatlich gefördert?
Dürr: Wie praktisch in jedem Land der Welt wird eine strategisch wichtige Branche wie die Landwirtschaft auch in Russland gefördert. Aufgrund der strukturellen Unterversorgung bei Milch, teilweise Fleisch und auch verschiedenen pflanzlichen Agrarprodukten erfährt die Branche große politische Aufmerksamkeit. Im Vergleich zu Westeuropa ist der Markt jedoch deutlich weniger reguliert. So werden im Wesentlichen Investitionen gefördert – beispielsweise durch Zinszuschüsse. Damit wird sichergestellt, dass in die Modernisierung der Landwirtschaft investiert wird und Arbeitsplätze geschaffen werden.
BOND MAGAZINE: Wer sind Ihre größten Kunden?
Dürr: Unsere größten Kunden sind die Molkereien, an die wir ca. 19% unserer Milch verkaufen. Zum einen Dominant, ein Joint Venture der Hochland-Gruppe, zum anderen Danone-Unimilk, die zweitgrößte Molkereigruppe in Russland. Aufgrund der massiven Unterversorgung sind wir in einem klaren Verkäufermarkt. Wir können uns unsere Kunden praktisch aussuchen.
BOND MAGAZINE: Wie lassen sich landwirtschaftliche Betriebe Ihrer Größe steuern?
Dürr: Betriebswirtschaftlich sinnvoll lässt sich unsere Größe mit 3.000 Mitarbeitern, 160.000 Hektar und 30.200 Rindern nur mit modernster Technologie beherrschen. Durch den Einsatz von Precision Farming werden beispielsweise die Ertragskennzahlen der verschiedenen Felder automatisch erfasst und der Düngereinsatz anhand von Nährstoff- und Bodenanalysen am Bedarf orientiert gesteuert. Der Einsatz der Maschinenflotte wird mittels GPS fernüberwacht. Fährt der Traktor zu schnell oder zu langsam oder pflügt nicht tief genug, bekommt der Betriebsleiter vor Ort eine SMS aufs Handy. Unsere Milchproduktion ist ebenfalls hoch modern. Unsere Melksysteme erfassen automatisch die produzierte Milchmenge und mittlerweile auch Milchqualität je Kuh und ermöglichen so eine kontinuierliche Überwachung und gezielte Betreuung der Tiere. Bewegt sich die Kuh zu wenig oder zu viel, ist das genauso ein Zeichen für eine mögliche Krankheit wie z.B. ein Gewichtsverlust. Gibt es solche Anzeichen, wird die Kuh nach dem Melken automatisch zu einem unserer 40 eigenen Tierärzte geführt.
BOND MAGAZINE: Sie haben in den letzten Jahren große Flächen erworben, welche Strategie steckt dahinter?
Dürr: Als Landwirt ist die Scholle unsere Geschäftsgrundlage. Auf ihr errichten wir unsere Stallanlagen und ernten Futter und Marktfrüchte. Bis 2009 haben wir noch überwiegend gepachtet. Seitdem haben wir rund 54.000 Hektar dazugekauft und unsere Eigentumsquote von 19% auf 45% erhöht. Der Grund ist der weltweite Agrarhype. Das Interesse an Ackerland ist spürbar gestiegen, auch in Russland. Mit dem Kauf sichern wir uns zu allererst unsere Geschäftsgrundlage, weil wir Geld mit der Agrarproduktion verdienen. Darüber hinaus nehmen wir eine mögliche Wertsteigerung der Eigentumsflächen gerne mit. Derzeit kaufen wir den Hektar in besten Schwarzerde-Regionen für 1.000 Euro. In Ostdeutschland ist es weit mehr als das Zehnfache.
BOND MAGAZINE: Wie ist die große Differenz zwischen Umsatz und Betriebsleistung im Jahr 2011 zu erklären?
Dürr: In der Landwirtschaft haben wir ja lange Produktions- und Verkaufszyklen. Getreide wächst von der Aussaat bis zur Ernte – hier werden Kosten verursacht, die Wertschöpfung erfolgt. Der Umsatz wird aber erst beim tatsächlichen Verkauf erzielt. Aus diesem Grund werden zu jedem Bilanzstichtag die Bestände bewertet und die (positive) Differenz als Bestandsveränderung in die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen. Dies ist für uns relevant, weil wir in Tierbestand und Fläche stark wachsen und deswegen kontinuierlich Futterbestände aufbauen und die geernteten, aber am Bilanzstichtag noch nicht verkauften Feldfrüchte jährlich zunehmen.
BOND MAGAZINE: Welches sind die Wachstumstreiber für Ekosem?
Dürr: Der Fokus wird auch in Zukunft auf dem defizitären Milchmarkt liegen. Hier haben wir eine starke Marktproduktion, und diese wollen wir weiter ausbauen. Bis 2015 wollen wir an unseren bestehenden Standorten unseren Milchkuhbestand verdoppeln und unsere Fläche um 50% vergrößern. Zur Finanzierung nutzen wir nicht nur die Anleihe, sondern auch den Gewinn. So haben sich die Gesellschafter für eine komplette Ausschüttungssperre ausgesprochen, und dies ist auch in den Anleihebedingungen verankert.
BOND MAGAZINE: Sie nennen für 2012 grobe Prognosen. Wie gut prognostizierbar ist denn Ihr Geschäft?
Dürr: Unser Ziel ist es, 2012 und 2013 jeweils ein deutlich steigendes operatives Ergebnis zu erwirtschaften. Wachstumstreiber wird dabei die Milchproduktion sein. Sie ist nicht nur sehr profitabel, sondern auch gut planbar. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren rund 100 Mio. Euro in Ackerland, Stallanlagen und moderne Technik investiert. Jetzt stehen mehr als 12.000 Kühe im Stall und geben jeden Tag mehr als 215 Tonnen Milch – Tendenz steigend. Daher wird allein im laufenden Jahr unsere Milchleistung von 50.000 Tonnen auf mehr als 80.000 Tonnen steigen. Der Pflanzenbereich ist naturgemäß mehr von Wind und Wetter abhängig. Dies wird jedoch durch den Preis relativiert: gute Ernte, niedriger Preis. Niedrige Ernte, hoher Preis. Darüber hinaus haben wir eine Ernteschutzversicherung gegen extreme Schäden. Das für den Anleiheinvestor entscheidende Risiko nach unten ist also sehr überschaubar.
BOND MAGAZINE: Ihr ein Börsengang für Sie mittelfristig ein Thema?
Dürr: Für uns ist die Anleiheemission der erste Schritt im Kapitalmarkt. Wir haben uns ganz gezielt dafür entschieden, denn sie passt zu unseren aktuellen Vorhaben. Wir wollen innerhalb unseres etablierten Geschäftsmodells an den vorhandenen sechs Standorten wachsen und unsere Fremdfinanzierung breiter aufstellen. Mittelfristig ist dann ein Börsengang ein Thema. Beispielsweise um einen neuen Standort oder neuen Geschäftsbereich aufzubauen.
Das Interview führte Christian Schiffmacher.