Die Textilkontor Walter Seidensticker GmbH & Co. KG hat eine Unternehmensanleihe im Volumen von 30 Mio. Euro im mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf emittiert, die siebenfach überzeichnet war. Im Gespräch mit dem BOND MAGAZINE erläutert Jens Wächter, Leiter Rechnungswesen und Finanzen, wie das Unternehmen in den kommenden Jahren weiter wachsen und die Eigenkapitalquote stärken möchte.
BOND MAGAZINE: Was unterscheidet Sie von Mitbewerbern?
Wächter: Es gibt verschiedene Punkte, bei denen wir uns gegenüber Wettbewerbern sehr gut aufgestellt sehen:
(1) Seidensticker hat Zugriff auf die gesamte Wertschöpfungskette, angefangen von der Kollektion über die Beschaffung und die Produktion, die logistische Abwicklung bis hin zum Verkauf an den Kunden. Das führt zu einem umfangreichen Know-How der Seidensticker-Gruppe, durch welches wir eine sehr hohe Qualität der Produkte gewährleistet können. Ferner bedingt diese Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette, dass die Ware kostenoptimiert hergestellt und angeboten werden kann, wodurch eine hohe Marge möglich ist. Der Verkauf in eigenen Verkaufsstores ermöglicht uns darüber hinaus, ein direktes Kundenfeedback zu erhalten. Hierdurch erfassen wir geänderte Konsumbedürfnisse sehr schnell, die dann in die Sortimentsplanung mit eingearbeitet werden können.
(2) Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern haben wir mehrere Marken mit verschiedenen Preis- und Modegraden im Portfolio. Das breite Angebot der Waren vom niedrigen bis hin zum gehobenen Preissegment und unterschiedlichen Modegraden führt zu einem diversifizierten Produkt- und Leistungsportfolio mit hoher Innovationskraft.
(3) Wir vertreiben unsere Hemden und Blusen im Private Label-Bereich an große Bekleidungsfilialisten in Europa und den USA und im Bereich Retail über Einzelhandelsgeschäfte innerhalb und außerhalb von Factory-Outlet-Centern sowie über eigene und fremde Internetplattformen an den Endkunden. Diese breite Aufstellung und Internationalität sorgt für Flexibilität im Hinblick auf die Anpassung an jeweils aktuelle Marktentwicklungen.
(4) Wir verfügen über ein weltweites Beschaffungsnetzwerk, das es uns ermöglicht, aus einem breiten Portfolio an Beschaffungskanälen für den Erwerb der Rohstoffe und Fertigwaren auszuwählen.
BOND MAGAZINE: Weshalb haben Sie sich für die Emission einer Unternehmensanleihe entschieden?
Wächter: Vorweg sei gesagt, wir haben eine klare Planung, was mit dem Emissionserlös geschehen soll. Es geht weder um eine sehr ambitionierte Wachstumsstory noch um den Zwang, Bankverbindlichkeiten kurzfristig umschulden zu müssen. Vielmehr soll ein in den letzten Jahren entwickeltes und bewährtes Konzept – das Multibrand-Retailkonzept - mit eigenen Verkaufsstores auf maßvoller Basis weiter ausgebaut werden. Zudem hat sich gezeigt, dass durch rechtliche Änderungen im Finanzsektor die Bankenwelt für mittelständische Unternehmen unberechenbarer geworden ist. Auch wenn wir ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Geschäftsbanken haben, wollen wir doch einen breiteren Finanzierungsmix haben, um somit auch flexibel auf alle Eventualitäten reagieren zu können. All diese Möglichkeiten bietet eine Unternehmensanleihe.
BOND MAGAZINE: Mit Blick auf Ihre Bilanzstruktur würden Sie eigentlich Eigenkapital benötigen – aber kein Fremdkapital…
Wächter: In der Tat können wir mit der derzeitigen Eigenkapitalquote nicht zufrieden sein, deswegen wollen wir diese auch nachhaltig stärken. Hierfür haben wir uns verpflichtet, mindestens 50% des Konzernjahresüberschusses im Unternehmen zu behalten. In den letzten Jahren haben wir uns komplett vom defizitären Geschäftsbereich Damenoberbekleidung (DOB) getrennt, das unser Bilanzbild belastet hat und worin einzig die geringe Eigenkapitalquote begründet liegt. Heute konzentrieren wir uns auf unsere Kernkompetenz – das klassische Hemden und Blusengeschäft –, in dem wir seit vielen Jahren sehr erfolgreich wirtschaften. Seit dem Verkauf der verlustreichen DOB-Tochter konnten wir die Eigenkapitalquote bereits wieder von 3,2% auf 13,4% steigern. In den nächsten Jahren soll diese Quote weiter kontinuierlich um ca. 4-5% jährlich anwachsen. Wesentlicher als das Eigenkapital sind für uns aber operative Gewinne und ein positiver Cashflow. Zudem ist Fremdkapital betriebswirtschaftlich günstiger als Eigenkapital.
BOND MAGAZINE: Wie möchten Sie in den nächsten Jahren wachsen?
Wächter: Unser Credo ist: wir verfolgen eine maßvolle Expansionsstrategie auf Basis eines in den letzten fünf Jahren in der Praxis optimierten Konzepts. In der Praxis hat sich gezeigt, dass in den letzten Jahren ein Umdenken im Textileinzelhandel stattgefunden hat. Während Sie vor 10 Jahren Ihre Hemden fast ausschließlich in großen Bekleidungsfilialisten oder Warenhäusern wie Kaufhof oder Karstadt gekauft haben, hat sich das Bild stark geändert. Warenhäuser gerieten z.B. in wirtschaftliche Schieflage, dadurch verringerte sich Verkaufsfläche. In der Konsequenz haben sich viele Modeanbieter dazu entschieden, vom Wholesale (Verkauf über Geschäftskunden, B2B) zum Retail überzugehen (Verkauf direkt an Endverbraucher, B2C). Diesen Wandel wollen wir aktiv mitgestalten. Durch unsere vollständige vertikale Integration können wir kostenoptimiert produzieren und somit auch teure Innenstadtlagen profitabel bewirtschaften. Konkret bedeutet dies, dass wir in den kommenden drei Jahren europaweit jährliche 10 Geschäfte home of shirts und fünf Outlet-Stores eröffnen wollen. Hierbei bedeutet home of shirts: von Seidensticker selbst betriebene Stores in Innenstadtlage, in denen Eigen- und Lizenzmarken zum regulären Preis verkauft werden. Outlet heißt: von Seidensticker selbst betriebene Stores in Stadtrandlage, in denen Eigen- und Lizenzmarken zu reduzierten Preisen verkauft werden.
BOND MAGAZINE: Welche Laufzeit haben Ihre Lizenzverträge und wie sicher fühlen Sie sich bei Gesprächen über entsprechende Verlängerungen?
Wächter: Wie es in der Branche üblich ist, werden Lizenzverträge über kurze Zeiträume abgeschlossen, in der Regel für Zeiträume von 3-4 Jahren. Mit unseren Lizenzpartnern haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Viele Lizenzverträge wurden in der Vergangenheit mehrfach verlängert. Insofern sind wir sehr zuversichtlich, auch in zukünftigen Gesprächen Verlängerungen zu erhalten. Gleichwohl liegt unser Hauptfokus auf den eigenen Marken. Lizenzen sind ein willkommenes Geschäft, das wir mit abwickeln, auf das wir aber nicht aufbauen und von dem wir nicht abhängig sind. Mittelfristig werden die eigenen Marken sicher noch bedeutender, während der Umsatzanteil mit Lizenzmarken geringer wird.
Das Interview führte Robert Cleve.
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Veranstaltungshinweis:
Unternehmer-Workshop „Unternehmensanleihen - Finanzierungsalternative für den Mittelstand“
in Düsseldorf, Stuttgart, München und Frankfurt
www.bond-conference.com
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Soeben erscheinen:
BOND YEARBOOK 2011/12 – das Nachschlagewerk für Anleiheinvestoren und Emittenten
94 Seiten, 29 Euro
http://www.fixed-income.org/fileadmin/2011-11/Flyer_BondBook.pdf
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