Die Zinskurven in den USA und Europa invertieren immer stärker und senden damit zunehmende Rezessionssignale. Ein Soft-Landing der Konjunktur wird damit unwahrscheinlicher. Strukturelle Gründe, wie tiefe Verschuldungsquoten, solide Arbeitsmärkte und hohes Konsumpotenzial, deuten aber auf eine nur milde Rezession hin. Auf jeden Fall zeichnet sich ein weiterer Rückgang der Unternehmensgewinne ab. Haupttreiber für die konjunkturelle Abkühlung ist die weiterhin global äußerst restriktive Geldpolitik mit zunehmend unerwünschten Nebenwirkungen, die sich auch an den Finanzmärkten zeigen. Die Geldpolitik wirkt aber zunehmend dämpfend auf die Inflationsentwicklung und verstärkt indirekt deflationäre Faktoren. Auch die Inflationserwartungen bleiben tief und eröffnen damit den Notenbanken einen wieder größeren Handlungsspielraum.
Aktuell bleibt die Geldpolitik wegen Glaubwürdigkeitsüberlegungen – trotz deflationärer Faktoren – zu restriktiv und nahe an einem so genannten ‚Policy Mistake‘. Allerdings rückt ein geldpolitischer Wechsel insbesondere in den USA näher und zwar möglicherweise schneller als derzeit offiziell kommuniziert. Er ist für das erste Quartal 2023 in den USA (und etwas später auch in der Eurozone) denkbar, dürfte damit aber nicht mehr schnell genug erfolgen, um eine Rezession rechtzeitig zu verhindern.
Gründe für diesen monetären Kurswechsel sind die positive Überraschung bei den CPI-Zahlen (Konsumentenpreisinflation) und zunehmend schwächere Arbeitsmärkte bei gleichzeitig steiler Phillips-Kurve (Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation). Denn aufgrund der aktuell sehr steilen Phillips-Kurve ist keine Rezession mit hohen Arbeitslosenraten notwendig, um die Inflation einzudämmen. Zu den Gründen zählen auch die sich aktuell schnell verschlechternden Konjunktur- und Stressindikatoren. Ferner verharren die Inflationserwartungen weiterhin auf tiefem Niveau und dies begünstigt zusätzlich eine wieder lockerere Geldpolitik.
In diesem Umfeld ist mittelfristig mit einem deutlichen Rückgang der langfristigen Zinsen zu rechnen. Obwohl kurzfristig nochmals ein Anstieg möglich ist, erscheint eine erste Verlängerung der Zinsduration im Portfolio sinnvoll. Die langfristigen Zinsen beginnen in der Regel vor dem Ende des monetären Straffungszyklus zu fallen. An den Aktien- und Kreditmärkten ist viel Negatives eingepreist. Die jüngste Erholung hat allerdings das Chancen/Risiko-Verhältnis wieder verschlechtert. Zudem sind die Stress- und Liquiditätsindikatoren ein Warnsignal. Insbesondere deuten seit kurzem deutlich fallende ‚Overnight Reverse Repo‘-Geschäfte auf stark abnehmende Überschussliquidität in den USA. Die Risiken überwiegen deshalb die Chancen aktuell noch deutlich und wir halten eine defensive Positionierung unverändert für angebracht. Sobald sich aber der zunehmend wahrscheinliche geldpolitische Wechsel in den kommenden Monaten konkretisiert, führt dies zu beträchtlichem Aufwärtspotenzial im weiteren Verlauf des Jahres 2023.
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Foto: Beat Thoma © Fisch Asset Management
Aufwärtspotenzial nach geldpolitischem Wechsel
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