Wie instabil die Welt ist, hat sich in den letzten Tagen erneut gezeigt. Der massive Angriff des Irans auf Israel zeigt, dass sich anscheinend eine neue Weltordnung zukünftig durchsetzt. Auch dass sich der Iran mit der Rückendeckung Russlands in der Lage fühlt, ein „Don´t“ des amerikanischen Präsidenten zu ignorieren zeigt dies. Zum zweiten Mal seit Anfang 2022 konnten die USA und ihre Verbündeten sich nicht durchsetzen.
Die Frage, die sich stellt, lautet: Spiegelt sich diese offensichtlich veränderte politische Welt-ordnung auch in der wirtschaftlichen wider? Der Ukraine-Krieg hat Dellen hinterlassen. Die deutsche Bauwirtschaft kann ein Lied davon singen. Insgesamt hat sich die Weltwirtschaft robust gezeigt. Geht das so weiter? Momentan erscheint es diesig am Horizont. In den ersten Monaten dieses Jahres gibt es einen Höchststand an Insolvenzen in Deutschland. Laut dem Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) seit Beginn der Ermittlung noch nie so viele Pleiten, wie im März dieses Jahres. Direkt sehen wir dies auch an den Ausfällen oder den Veränderungen von Laufzeiten im Segment der KMU-Anleihen.
Die Arbeitslosenquote steigt wieder. Das Gefühl der Unsicherheit bei den Menschen steigt ebenfalls. Gleichzeitig haben wir schon vor dem letzten Wochenende die Indikation für eine Eskalation des Nahost-Konfliktes gesehen. Die Benzinpreise an den Zapfsäulen sind nach oben geschossen, weil der wichtige Preis für den Barrel der Sorte Brent an den Spotmärkten mit 92 Dollar angestiegen ist. Das bedeutete in diesem Jahr eine Preissteigerung von mehr als 19%. Unterstützt wird dies auch durch die Schwäche des Euros gegenüber dem Dollar. Eigentlich müsste dies der Exportnation Deutschland zugutekommen. Zeigt sich momentan aber nicht, wie wir prognosebedingt wissen. Wir können am Ende des Jahres froh sein, wenn wir kein Wirtschaftsschrumpfen erleben müssen.
Anstiege bei den Ölpreisen setzen insbesondere konjunkturabhängige Sektoren wie Chemie und Automobilbau unter Druck. Im Gegensatz dazu wurden eben Aktien aus Rüstungssektor verstärkt nachgefragt. Sind die Kurse von etwa Rheinmetall oder Hensoldt schon nach Beginn des Ukraine-Krieges stark angestiegen, haben sie seit dem Terroranschlag der Hamas im Oktober 2023 noch einmal einen Schub bekommen. Gleichwohl sind die Kurse dieser Papiere derzeit in eine signifikante Korrekturphase eingetreten und die weitere Entwicklung bestimmen wohl eher autokratische, fanatische oder rechtspopulistische Politik und deren Generäle an-statt Analysten.
Mittelfristig wird sich die Zuflucht Anlageformen, die vor Inflation schützen fortsetzen. Gold, die Versicherung in unsicheren Zeiten, notiert momentan pro Feinunze über 2.400 Dollar. Experten erwarten einen Kurs von bis zu 3.000 Dollar. Chinesen, die bis vor wenigen Jahren sehr stark in Aktien oder Immobilien investiert waren, gehen jetzt auf Nummer sicher und investieren ihr Geld lieber in physisches Gold. Die weltweite Nachfrage steigt wohl auch aufgrund der Investitionen von Zentralbanken, insbesondere auch solcher Staaten, die sanktionsbehaftet sind. Der hohe Finanzierungsdruck und der Datenkranz in den USA führen dort, wie wir bereits geschrieben hatten zu einem fortschreitenden Tanz der Bären in den Anleihemärkten; ergo zu weiter steigenden Zinsen.
Immer mehr Markteilnehmer und Analysten spekulieren darauf, dass die lästige Inflation die US-Notenbank (FED) davon abhalten könnte, die Zinssätze im Jahr 2024 überhaupt zu senken. Die Inflationsdaten der vergangenen zwei Monate waren unerwartet hoch, und in den jüngsten Stellungnahmen der FED bekommen langsam die Falken wieder die Oberhand. Die seit Monaten entwickelte Euphorie der Märkte bezüglich Zinssenkungen verpufft jenseits des Atlantiks. Aktuell liegt der vom Markt antizipierte Zinssatz zum Jahresende über den letzten Zinsprognosen der FED. Große Anleger verkaufen US-Staatsanleihen und kaufen europäische und wetten darauf, dass die schwächere Inflation in Europa es der EZB ermöglicht, früher mit Zinssenkungen zu beginnen, was führende Ökonomen und Zentralbanker ebenfalls durchblicken lassen. Der Dollarkurs reagiert bereits entsprechend.
Ein schwer berechenbares Spannungsfeld, indem wir uns seit mehr als zwei Jahren bewegen. Covid-19 haben wir ganz gut wegstecken können. Die geopolitischen „Wirrungen“ hinterlassen Spuren, so dass der Horizont diesig erscheint. Wieder mal sind die Märkte im „Kabbelwasser“. Eigentlich könnten die langfristigen Zinsen in Europa tiefer sein aber die negative Entwicklung der US-Bondmärkte entfaltet durchaus transatlantische Transmission. Europa „profitiert“ auf der Zinsseite gerade von seiner Uneinigkeit und unfertigen Struktur, die zu entsprechender konjunktureller Schwäche führt und trotz einiger „beeindruckender Lohnrunden“ scheint die Inflation im Zaum.
Gerade Deutschland als derzeitiges Schlusslicht muss aber zukünftig mehr zu alten Tugenden zurück und die Ärmel hochkrempeln, anstatt sich der propagandistischen Larmoyanz mancher Populisten zu ergeben. Einer Tendenz zu dem auch namhaften Unternehmen aus dem Mittel-stand beitragen und das Land verlassen (wollen). Leider trägt das Erscheinungsbild gerade der deutschen Regierung nicht dazu bei, dieser Larmoyanz entgegenzutreten. Selbst da nicht, wo es durchaus zu begründen wäre. Und mit dem Gesamtgebilde Europa ist es zumindest optisch auch nicht besser. Eine aus Sicht des Verfassers wünschenswerte demokratische Re-form und tiefere Integration erscheint auch mittelfristig mehr als unrealistisch. Und langfristig sind wir alle tot. Trotzdem heißt es, „Reisende soll man nicht aufhalten“ und so mancher der mit „Pauken und Trompeten“ auswanderte hat auch „still und heimlich“ wieder repatriiert. Denn Stabilität ist bei allem Unmut ein wichtiger Faktor. Der größte Souverän in diesem Land hat es in der Hand.
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Foto: Kai Jordan © mwb Wertpapierhandelsbank AG
Diesig am Horizont
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