An den Kapitalmärkten erleben wir derzeit einen Regimewechsel, den vor wenigen Monaten kaum jemand vorherzusagen gewagt hätte: Das Comeback von Anleihen als ernstzunehmende Alternative zu Aktien. „Einige Anleihesegmente sehen nach den rasanten Renditeanstiegen der letzten Wochen jetzt durchaus wieder attraktiv aus“, sagt Björn Jesch, Chefanlagestratege der DWS. Allerdings dürfte die Volatilität an den Rentenmärkten hoch bleiben.
„Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir noch weitere Kursverluste sehen werden und damit noch günstigere Einstiegsmöglichkeiten“, so Jesch. Die lange Zeit verkündete Alternativlosigkeit von Aktien ist jedenfalls passé. Chancen bieten ausgewählte Aktien nach den Rücksetzern der vergangenen Wochen dennoch. Jesch: „Die hohe Volatilität und der starke Anstieg der Realrenditen dürften sich so nicht fortsetzen. Wenn wir hier einen Richtungswechsel sehen, sollte das die Kurse stützen.“ Allerdings bleibt auch am Aktienmarkt die Unsicherheit weiter sehr hoch.
Aktien: Vincenzo Vedda, Leiter der Active Business Unit
Bessere Chancen als zu Jahresbeginn – aber hohe Unsicherheit
Eine allgemeine Betrachtung in diesen krisengeschüttelten Zeiten vorweg: Krisenphasen sind Innovationstreiber. „Mit einer guten Einzeltitelauswahl dürfte es gerade jetzt Chancen geben, gute Unternehmen ins Portfolio bekommen, die langfristig interessant sind“, sagt Vincenzo Vedda, Leiter der Active Business Unit der DWS. Beim Blick auf den breiten Markt sind die Aussichten dagegen momentan eher durchwachsen. Entscheidend wird in den nächsten Wochen sein, wie die Berichtssaison der Unternehmen ausfällt.
Vedda: „Einige Unternehmen könnten Zahlen präsentieren, die die momentan sehr risikoaversen Märkte positiv überraschen könnten. Andererseits könnte es auch sein, dass die Gewinnschätzungen für das Jahr 2023 weiter nach unten revidiert werden. Das würde den Druck auf die Kurse dann wohl weiter hochhalten.“ Denn nachdem lange Zeit die Bewertungen von Aktien keine große Rolle spielten, rücken diese jetzt wieder verstärkt in den Fokus.
Nach den Kursrückgängen der letzten Wochen dürften die Aussichten für Aktien wieder deutlich besser sein als zu Beginn des Jahres. Allerdings ist die Gemengelage nach wie vor unklar. Europa und die Schwellenländer sind inzwischen historisch gesehen recht günstig bewertet, aber wirtschaftlich schwach. US-Aktien wiederum sind immer noch überdurchschnittlich bewertet. In diesem schwierigen Umfeld spricht vieles für ausgewählte Aktien aus defensiven Bereichen wie Pharma, Konsum und Versorger sowie für dividendenstarke Qualitätstitel. „Aktives Management ist das Gebot der Stunde“, so Vedda.
Anleihen: Oliver Eichmann, Head of Rates Fixed Income EMEA
Euro-Unternehmensanleihen mittelfristig aussichtsreich
Wie lange noch werden die Zentralbanken die Zinsen weiter erhöhen? Diese Frage treibt derzeit die Marktteilnehmer um. „Wir denken, dass es noch zu früh ist, auf eine Kehrtwende der Notenbanken zu setzen. Allerdings werden für viele Währungsräume in den kommenden Quartalen deutliche Zinserhöhungen bereits erwartet und sollten daher an den Anleihemärkten nicht für weitere negative Überraschungen sorgen“, sagt Oliver Eichmann, Head of Rates Fixed Income EMEA.
Generell ist die Unsicherheit am Anleihemarkt nach wie vor ausgeprägt. Verbessert haben sich die Perspektiven von europäischen Unternehmensanleihen nach dem Ausverkauf im ersten Halbjahr. „Auf Sicht von zwölf Monaten sehen wir Chancen sowohl für Anleihen mit guter Bonität als auch für Hochzinsanleihen. Das erreichte Zinsniveau ist in vielen Marktsegmenten attraktiv. Sollten, wie von uns erwartet, die Inflationsraten im kommenden Jahr sinken und eine scharfe Rezession ausbleiben, dürften die Risikoprämien in vielen Märkten moderat zurückgehen“, so Eichmann.
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Foto: Björn Jesch © DWS
DWS Marktausblick Oktober 2022
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