Verschiedene Stressindikatoren, darunter der umfassende National Financial Conditions Index“ in den USA, steigen immer stärker an und liefern damit deutliche Warnsignale für das Finanzsystem. Es besteht die zunehmende Gefahr von ‚monetären Luftlöchern‘, also von temporären Liquiditätsengpässen im Finanzsystem. Dies kann an den Märkten zu heftigen Turbulenzen führen, die sogar ein Eingreifen der Zentralbanken erfordern könnten. Ein erstes Beispiel war kürzlich an den englischen Staatsanleihenmärkten (Gilts) zu beobachten. Auch verschiedene konjunkturelle Frühindikatoren wie beispielsweise die wichtigen ‚Conference Board Leading Economic Indices‘ signalisieren zunehmende Rezessionsgefahren. Die Abflachung der Zinskurven sowohl in den USA – und hier jüngst auch im bisher noch steilen Bereich 3 Monate gegenüber 10 Jahren – wie auch in Europa bestätigen jeweils wachsenden konjunkturellen Gegenwind. Schnell fallende Geldmengen und Immobilienpreise sowie nachgebende Rohstoffpreise wirken zusätzlich deflationär.
Aufgrund einer aktuell stark gekrümmten und steilen Phillips-Kurve (Verhältnis Arbeitslosigkeit zu Inflation) dürfte bereits ein moderater Anstieg der Arbeitslosigkeit in den USA zu schnell abnehmendem Inflationsdruck führen. Deshalb ist eine starke Rezession keine notwendige Voraussetzung für die US-Notenbank Fed, ihre Inflationsziele zu erreichen. Die Unternehmensgewinne und die Arbeitsmärkte sind sowohl in den USA wie auch Europa immer noch sehr solide. Auch dies dämpft rezessive Tendenzen zumindest teilweise. Ein Soft-Landing in den USA und eine nur milde Rezession in Europa sind deshalb weiterhin ein Szenario mit hoher Wahrscheinlichkeit. Die deflationären Faktoren würden insgesamt für eine etwas weniger restriktive Geldpolitik der Zentralbanken sprechen. Sie dämpfen zumindest die langfristigen Zinsen, und ein Ende des Anstiegszyklus zeichnet sich daher ab. Aus Glaubwürdigkeitsgründen bleiben die Fed und EZB aber vorerst auf einem stark restriktiven Kurs. Für die Finanzmärkte und die Konjunktur ist dies weiterhin ein Belastungsfaktor, was auch durch die Frühindikatoren bestätigt wird.
Es besteht deshalb weiterhin ein Tauziehen zwischen abnehmender Inflationsdynamik, die eine Lockerung der Geldpolitik erlaubt, und übertrieben restriktiven Notenbanken, die eine Rezession und monetäre Luftlöcher begünstigen. Ein Hoffnungsschimmer kam hier vor einigen Tagen, als verschiedene Vertreter der US-Notenbank ihre Besorgnis über zu schnelle Zinserhöhungen ausdrückten. An den Aktien- und Kreditmärkten ist deshalb eine temporäre Erholungsrallye jederzeit möglich. Die Marktstimmung ist extrem negativ und viele belastende Faktoren sind in den aktuellen Kursen eingepreist. Allerdings muss für eine langfristige Trendwende zuerst eine offizielle Änderung der Geldpolitik oder klare positive Überraschungen an der Inflationsfront abgewartet werden. Langfristige Opportunitäten zeichnen sich aber immer stärker ab und bei entsprechender Risikotoleranz kann ein schrittweiser Risikoaufbau im Portfolio bereits jetzt in Betracht gezogen werden. Wir halten nach Abwägung aller Faktoren trotzdem noch an einer defensiven Positionierung fest.
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Foto: Beat Thoma © Fisch Asset Management
Liquiditäts- und Stressindikatoren senden Warnsignale
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