Schwellenländeranleihen haben schon so manchen Sturm überstanden und waren hinterher stärker als zuvor. Denise Simon, Co-Leiterin im Emerging Market Debt-Team bei Lazard Asset Management in New York, spricht im Folgenden über solide Fundamentaldaten, den Einfluss der Rohstoffpreise und warum die Notenbanken der Schwellenländer ihren Pendants in den Industrienationen einen Schritt voraus sind.
Schwellenländeranleihen gehörten im zweiten Quartal erneut zu den Teilmärkten mit der schlechtesten Wertentwicklung. Unter Druck steht die Anlageklasse schon lange: Seit Beginn des Jahres 2021 sinken die Kurse – so dramatisch wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Doch Denise Simon ist überzeugt: Für Anleger muss dies keine Hiobsbotschaft sein. „Obwohl Ausverkäufe dieses Ausmaßes immer schmerzhaft sind, sollten Anleger jetzt nicht übereilt reagieren, sondern eine langfristige Perspektive einnehmen. Schwellenländeranleihen haben in der Vergangenheit ähnliche Stürme überstanden, und Anleger, die an der Anlageklasse festgehalten haben, wurden belohnt. In der Finanzkrise zum Beispiel gab es einen Einbruch um rund 21,3 Prozent, doch nach 9 Monaten konnten wir bereits wieder einen Return von 37,1 Prozent verzeichnen“, erklärt sie.
Harte oder weiche Landung entscheidet
Die Fundamentaldaten der Schwellenländer sind aus Sicht Denise Simons insgesamt relativ solide, zumal die höheren Rohstoffpreise die Handelsbedingungen der rohstoffexportierenden Länder verbessert hätten. Dies habe sich positiv auf die Leistungsbilanzen und die Haushaltssalden vieler Länder ausgewirkt, während die Bewertungen der Schulden deutlich attraktiver geworden seien. Gleichzeitig hätten sich die Bewertungen von Schwellenländeranleihen deutlich verbessert, sodass sie allein auf Basis der Fundamentaldaten attraktiv erscheinen.
Denise Simon gibt jedoch den gesamtwirtschaftlichen Kontext zu bedenken: „Auch die Emerging Markets sind in die Weltwirtschaft integriert und können nicht isoliert betrachtet werden. Die Frage nach einer harten oder weichen Landung ist deshalb auch für diese Region entscheidend – gefolgt von der Frage, was bereits eingepreist ist. Denn auch wenn die überverkaufte Stimmung die Voraussetzungen für einen taktischen Aufschwung geschaffen hat, hängt dessen Nachhaltigkeit dann wiederum von der Form der Landung ab.“
Derzeit sei eine Rezession noch nicht ganz eingepreist. „Die Renditeaufschläge für Hartwährungsanleihen haben sich seit Jahresbeginn um 125 Basispunkte ausgeweitet und stehen jetzt bei fast 500 Basispunkten“, rechnet die Expertin vor. Dieses Niveau habe es seit 15 Jahren nicht mehr gegeben, wobei es noch etwas Luft zu den Spitzenwerten von 600 bis 800 Basispunkten gebe, die bei den letzten Abschwüngen erreicht wurden. „Obwohl wir in unserem Basisszenario von einer harten Landung ausgehen, ist eine Rezession immer noch nicht sicher und liegt höchstwahrscheinlich noch mindestens 12 Monate entfernt. Daher sind wir der Meinung, dass das aktuelle Niveau der Renditen von fast 8,5 Prozent und Spreads von etwa 500 ein gesundes Polster gegen kurzfristige Volatilität bietet. Tatsächlich müssten die Renditen um etwa 125 Basispunkte steigen, um den jährlichen Carry vollständig aufzuzehren“, erklärt Denise Simon. Sogar eine Erleichterungsrally sieht sie im Bereich des Möglichen: „Wenn es der Fed gelingt, ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen!“
Gewinner und Verlierer unter den Schwellenländern
Bei den Emittenten unterscheidet Lazard AM diejenigen, die von den hohen Rohstoffpreisen profitieren, von solchen, die aufgrund von Nahrungsmittel- und Rohstoffimporten negativ vom aktuellen Umfeld betroffen sind. Obwohl die Kreditfundamentaldaten im Großen und Ganzen solide sind, kennt Denise Simon eine Handvoll Länder, die aufgrund eines hohen Refinanzierungsbedarfs und durch eine schlechte Politik anfällig sind. Aber das sind aus Sicht der Expertin nicht viele: „Die Länder, die wir als mäßig bis hoch ausfallgefährdet einstufen, machen weniger als 5 Prozent des Hartwährungsanleiheuniversums aus. Darüber hinaus ist dieses Ausfallrisiko zum jetzigen Zeitpunkt größtenteils eingepreist.“
In den lokalen Märkten sei der Straffungszyklus der Notenbanken meist längst angelaufen, in einigen Ländern neige sich er sich bereits dem Ende zu. „Angesichts gestiegener Zinsniveaus sehen wir hier allmählich attraktive Investmentmöglichkeiten“, so die Rentenexpertin. „Zu diesen Märkten gehört Brasilien, wo der geldpolitische Straffungsprozess im März 2021 begann und wo seitdem die Zinsen um 11,25 Prozent angehoben wurden. Auch Chile und die Tschechische Republik nähern sich dem Ende ihrer Straffungszyklen und werden zunehmend attraktiver. Insgesamt sehen wir ausgewählte Long-Duration-Chancen in Ländern, in denen die Realzinsen attraktiv sind, die Inflationsrisiken sich stabilisieren und die lokalen Renditeaufschläge einen attraktiven Risikoausgleich bieten. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass mehrere Länder nach dem Ende ihrer Straffungszyklen mit Zinssenkungen beginnen werden, um ihre Volkswirtschaften zu stimulieren.“
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Foto: Denise Simon © Lazard
Schwellenländeranleihen: Nach dem Crash ist vor der Rallye?
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