Die letzten Wochen waren für den SV Werder Bremen sportlich sehr enttäuschend. Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung der SV Werder Bremen GmbH & Co KG aA, betont im Gespräch mit dem BOND MAGAZINE, dass die Anleihe sowohl in einem Erstliga-Fall als auch in einem Zweitliga-Fall begeben wird. Man stellt sich auf beide Szenarien ein. Er ist zwar zuversichtlich, dass man in der ersten Bundesliga bleiben wird, betont aber auch, dass sich im Falle eines Abstiegs die Spielergehälter reduzieren würden. Filbry legt Wert darauf, dass es sich nicht um eine „Fananleihe“, sondern um ein faires und seriöses Angebot handle, man habe keine „Schmuckanleihe“ aufgelegt. Nach Filbrys Worten sind die Einnahmeströme abgesichert, da die TV-Einnahmen für die nächsten vier Jahre fest verhandelt wurden. Wenn Zuschauer wieder ins Stadion kommen dürfen, dann habe man wieder eine Auslastung von nahezu 100%. Der SV Werder Bremen konnte zudem die wichtigen Sponsorenverträge verlängern.
BOND MAGAZINE: Die letzten Wochen waren sportlich eher enttäuschend.
Filbry: Das ist korrekt, und deshalb mussten wir auch nach der unglücklichen Niederlage gegen Augsburg mit dem Trainerwechsel handeln. Das Spiel gegen Mönchengladbach ist eminent wichtig, und wir können immer noch vieles aus eigener Kraft erreichen. Wir alle sind hochkonzentriert. Ich bin positiv, dass die Mannschaft liefern wird. Und ich bin überzeugt davon, dass wir die Klasse halten.
BOND MAGAZINE: Als die Eckdaten Ihrer Anleihe festgelegt wurden, sah die sportliche Situation ganz anders aus als heute. Wie gehen Sie jetzt damit um?
Filbry: Sehr pragmatisch, weil wir in der ersten Phase bei institutionellen Investoren, Freunden und Sponsoren auch immer ein Zweitliga-Szenario abgebildet haben. Wir werden die Anleihe sowohl in einem Erstliga-Fall als auch in einem Zweitliga-Fall auflegen. Wir sind dabei, beide Szenarien vorzubereiten. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir in der ersten Liga bleiben. Sollten wir aber absteigen, dann hätten wir Sponsoring-Mindereinnahmen und Spieltag-Mindereinnahmen. Diese würden sich aber durch eine Reduktion der Spielergehälter kompensieren. Bei einem Abstieg in die zweite Liga würden sich die Personalkosten für die Spieler um rund 40 % reduzieren. Wir könnten auch dann in die Mannschaft investieren und wieder erfolgreich sein. Es ist für uns natürlich sehr relevant, ob wir in der ersten oder zweiten Liga spielen. Die Anleihe wird dies aber nicht betreffen.
BOND MAGAZINE: Sie sagten, dass sich die Spielergehälter bei einem Abstieg deutlich reduzieren würden. Die Verträge sind doch sehr individuell, oder? Gibt es bei einigen Spielen auch eine Ausstiegsklausel im Falle eines Abstiegs?
Filbry: Ja, alle Verträge sind individuell, aber alle unsere Spielerverträge haben die Variabilisierung inkludiert. Bis auf zwei Verträge, die auslaufen, das sind Theodor Gebre Selassie und Niklas Moisander, haben wir das Heft des Handelns selbst in der Hand.
BOND MAGAZINE: Und wie wollen Sie die Mittel aus der Anleiheemission verwenden?
Filbry: Wir begeben die Anleihe, um unsere Liquiditätssituation zu verbessern. Aktuell sind einige Bälle in der Luft, von denen wir nicht genau wissen, wie sie fallen: Wann wieder vor Zuschauern gespielt werden kann, wie sich der Transfermarkt entwickelt und wann wieder Dauerkarten verkauft werden können. Die Annahme ist, dass sich das positiv entwickeln wird. Wenn das so ist, kann die Anleihe dafür genutzt werden, in drei von uns identifizierte Wachstumsfelder zu investieren. Dabei geht es um Digitalisierung, Nachwuchsförderung und Nachhaltigkeit. Digitalisierung betrifft den sportlichen Bereich, die Datenanalyse in Scouting und Training sowie digitale Anwendungen, um den Fan noch besser zu verstehen und um individuelle Angebote zu machen. Es betrifft auch unsere Partner: So kann beispielsweise ein Stromanbieter über die Werder-App Strom anbieten oder der Fan ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr über die Werder-App buchen. Das sind Themen, die wir als Digitalisierungs-Wachstumsfelder identifiziert haben. Dann gibt es den Bereich Nachhaltigkeit mit den drei Säulen Umwelt, Soziales und Governance oder neudeutsch „ESG“. Wir haben die größte gebäudeintegrierte Photovoltaikanlage Europas durch unseren Partner EWE swb erstellen lassen. Die Außenhülle des wohninvest Weserstadion besteht aus Photovoltaik. Der daraus generierte Strom wird in das Stromnetz von EWE swb eingespeist und als ökologischer Werder-Strom verkauft. Das ist ein gutes Beispiel, wie man mit Nachhaltigkeit Geld verdienen kann. Auch unser Hauptsponsor Wiesenhof hat den Launch seiner neuen veganen Produktlinie Green Legend in Kooperation mit uns gemacht. Anfang des Jahres stand die Marke „Green Legend“ für sechs Spiele auf dem Werder-Trikot. Nachhaltigkeit wird für Unternehmen immer wichtiger. Ich glaube, dass wir ein hervorragender Partner sind, um mit solchen Themen Wachstum zu generieren. Das dritte Wachstumsthema ist Nachwuchsförderung sowie Aus- und Weiterbildung. Wir wollen die Qualität und die Durchlässigkeit unserer Nachwuchsförderung noch verbessern. Wir wollen damit Spieler verpflichten, die 19 bis 22 Jahre alt sind. Idealerweise bringen diese uns sportlich weiter und schaffen einen Mehrwert für den Kader und am Transfermarkt. Da haben wir einige Beispiele, angefangen in den 80er-Jahren mit Karlheinz Riedle und Rudi Völler. Das hat sich dann fortgesetzt mit Per Mertesacker, Diego, Mesut Özil, Kevin De Bruyne und Serge Gnabry. Auch Thomas Delany ist für 1,5 Mio. Euro von Kopenhagen zu uns gekommen. Zwei Jahre später haben wir ihn an Borussia Dortmund für 20 Mio. Euro verkauft. Wir haben auch jetzt einige Spieler, die im Alter von 18/19 Jahren zu uns gekommen sind, wie Marco Friedl und Josh Sargent. Diese und andere verfügen auch jetzt schon über ein erhebliches Potenzial und haben teils erhebliche Wertsteigerungen erfahren. Wir wollen daher systematisch in die Nachwuchsförderung investieren.
BOND MAGAZINE: Die meisten Fußballvereine sind nicht mit Eigenkapital gesegnet, sportlicher Erfolg ist auch schwer planbar. Wen sehen Sie als Zielinvestoren bei der Werder-Anleihe?
Filbry: Es gibt das Lizenzierungssystem der DFL. Und in 58 Jahren ist noch nie ein Verein in der Bundesliga in die Insolvenz gegangen. Wir haben abgesicherte Einnahmeströme, weil die TV-Einnahmen für die nächsten vier Jahre fest verhandelt wurden. Wenn wieder Zuschauer ins Stadion dürfen, haben wir eine Auslastung von nahezu 100%. Wir konnten zudem die wichtigen Sponsorenverträge verlängern. Die Einnahmeströme sind auf lange Sicht sehr stabil. Auch das Lizenzierungssystem des DFL gibt jedem Anleger ein hohes Maß an Sicherheit.
Wir haben in einem ersten Schritt institutionelle Anleger, Freunde und Sponsoren angesprochen. Jetzt richtet sich das öffentliche Angebot mit einer Stückelung von 1.000 Euro auch an Investoren, die Werder Bremen wohlgesonnen sind. Wir sprechen da über Mitglieder von Fanclubs, Dauerkartenbesitzer und alle Fans. Mir ist dennoch wichtig: Es handelt sich hier nicht um eine „Fananleihe“. Es gibt keine Schmuckanleihe, um die Rückgabequote zu senken. Wir machen auch mit der Börsennotierung in Frankfurt deutlich, dass es sich um ein seriöses und für alle faires Angebot mit einer attraktiven Verzinsung von 6,00% bis 7,50% handelt. Die Anleihe richtet sich an Privatanleger, aber auch an alle anderen Investoren, die ein sehr ertragreiches und etwas risikoreicheres Investment in ihrem Depot haben möchten.
BOND MAGAZINE: Der finale Kupon wird am Ende der Zeichnungsfrist festgelegt?
Filbry: Das ist korrekt. In der ersten Phase hatten wir bei institutionellen Investoren, Freunden und Sponsoren rund 11 Mio. Euro eingesammelt. Davon wurde überwiegend am unteren Ende der Kuponspanne bei 6,00% gezeichnet.
BOND MAGAZINE: Institutionelle Investoren können ihre Orders noch streichen, oder?
Filbry: Die Anleihen, die über uns platziert wurden, sind verbindlich. Diese können nicht mehr gestrichen werden. Die über das Bankhaus Lampe bei institutionellen Investoren platzierten Orders können üblicherweise bis zum Ende der Platzierungsfrist zurückgenommen werden.
BOND MAGAZINE: Emittentin ist die SV Werder Bremen GmbH & Co. KG aA. Bitte erläutern Sie die Organisationsstruktur.
Filbry: Der Verein ist die Muttergesellschaft, der den wirtschaftlichen Spielbetrieb 2003 in eine GmbH & Co. KG aA ausgegliedert hat.
BOND MAGAZINE: Covid-19 hat auf uns alle gewisse Auswirkungen. Wann erwarten Sie wieder volle Stadien mit entsprechenden Einnahmen? Die Inzidenzen sind in den letzten Tagen deutlich zurückgegangen.
Filbry: Ich bin da sehr positiv. Wir haben bereits zu Beginn der aktuellen Saison ein sehr umfangreiches Hygienekonzept umgesetzt. Wir können das sofort wieder anwenden, sobald Zuschauer zugelassen werden. Wir haben zudem ein Konzept zur digitalen Nachverfolgung mit der DFL, anderen Ligen und Ticketvermarktern entwickelt. Damit können wir die Nachverfolgung sicher gewährleisten. Parallel dazu haben wir Testkapazitäten aufgebaut. Ich gehe davon aus, dass wir im September eine sehr hohe Impfquote haben werden. Darüber hinaus gibt es von der Aerosolforschung klare Hinweise, dass eine Freiluftveranstaltung zu 99,5% sicher ist und dass man sich dort nicht ansteckt. Aufgrund der Hygienekonzepte und der Erkenntnisse aus der Aerosolforschung gehe ich davon aus, dass wir in der nächsten Saison wieder vor Zuschauern spielen werden und ab Oktober wieder in vollen Stadien.
BOND MAGAZINE: Das wäre für die Einnahmen und die Stimmung sehr positiv.
Filbry: Für die Einnahmen wäre das sehr positiv, da wir dann in den Dauerkartenverkauf für die neue Saison gehen könnten. Damit könnten wir die für uns sehr wichtige Einnahmequelle generieren, die Zuschauereinnahmen. Aufgrund von verringerten TV-Einnahmen und den fehlenden Zuschauern hatten wir in den vergangenen beiden Spielzeiten Mindereinnahmen von ca. 35 Mio. Euro.
BOND MAGAZINE: Sie haben einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag. Haben Sie stille Reserven bei den Spielern? Wie hoch sind diese etwa?
Filbry: Die stillen Reserven betragen ca. 50 Mio. Euro, dabei haben wir schon einen Abschlag von 15% vorgenommen. Damit sind wir bei den Werten im Kader ganz gut aufgestellt. Ich bin auch zuversichtlich, dass der Transfermarkt wieder anspringen wird. Man merkt jetzt schon, dass die Engländer bereit sind, Geld in die Hand zu nehmen. Bayern München hat 25 Mio. Euro für seinen neuen Trainer ausgegeben und 42,5 Mio. Euro für Dayot Upamecano, einen Abwehrspieler. Der Markt kommt langsam in Bewegung. Wenn wir Klarheit darüber haben, dass die Zuschauer zurückkehren, dann wird wieder Bewegung in den Transfermarkt kommen. Dann werden die stillen Reserven an der einen oder anderen Stelle auch gehoben werden können.
BOND MAGAZINE: Sie sagten, Sie haben stille Reserven von ca. 50 Mio. Euro. Sie hatten zum 31.12.2020 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 30,6 Mio. Euro.
Filbry: Wir gehen davon aus, dass der bilanzielle Fehlbetrag zum 30.06.2021 auf etwa 26 Mio. Euro reduziert werden kann. Wie gesagt: Die stillen Reserven sind hier nicht enthalten.
BOND MAGAZINE: Also wären Sie mit den stillen Reserven dann deutlich positiv?
Filbry: Genau!
BOND MAGAZINE: Welche Planungsprämissen haben Sie für die kommende Saison?
Filbry: Wie alle Vereine werden wir unser Kaderbudget verringern, weil wir Mindereinnahmen haben. Wo es geht, wollen wir Kosten langfristig reduzieren. Gleichzeitig wollen wir aber in die genannten Wachstumsfelder Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Nachwuchsförderung investieren. Ich gehe davon aus, dass wir sowohl im Erstliga- als auch im Zweitliga-Fall aus der Kombination von stabilen Einnahmen und Transfererlösen ein positives Ergebnis erzielen werden.
BOND MAGAZINE: Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sportlicher Erfolg nicht gut planbar ist. Die Frage muss ich trotzdem stellen: Wo sehen Sie den SV Werder Bremen am Laufzeitende der Anleihe?
Filbry: Immer noch in der Bundesliga.
BOND MAGAZINE: In der ersten?
Filbry: In der ersten Bundesliga, genau. Ich sehe uns auch als etabliertes Mitglied der Bundesliga, das in der Lage sein wird, aufgrund der Erlöse und Gewinne die Anleihe zurückzuzahlen und die Zinsverbindlichkeiten auch regelmäßig zu bedienen und sportlich hoffentlich wieder zurück in den Top Ten der Bundesliga ist.
BOND MAGAZINE: Das wünsche ich Ihnen auch.
Das Interview führte Christian Schiffmacher, www.fixed-income.org
Foto: Klaus Filbry © SV Werder Bremen GmbH & Co KG aA
Eckdaten der SV Werder Bremen-Anleihe
Emittent | SV Werder Bremen GmbH & Co KG aA |
Kupon | zwischen 6,00% und 7,50% p.a. |
Zeichnungsfrist | bis 01.06.2021 (12:00 Uhr), vorzeitige Schließung möglich |
Laufzeit | bis 31.07.2026 |
Emissionsvolumen | bis zu 30 Mio. Euro |
ISIN / WKN | DE000A3H3KP5 / A3H3KP |
Stückelung | 1.000 Euro (=Mindestorder) |
Listing | Quotation Board, Börse Frankfurt |
Sole Global Coordinator und Sole Bookrunner | Bankhaus Lampe |
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