Die SeniVita Sozial gGmbH hat vor zwei Jahren eine Unternehmensanleihe im Entry Standard für Anleihen begeben. Nun emittiert das gemeinnützige Unternehmen Genussscheine mit einem Volumen von bis zu 25 Mio. Euro. Neben einer nachzahlbaren Grundverzinsung von 7,00% gibt es die Chance auf eine gewinnabhängige Verzinsung von 1,00% sowie eine Koppelung nach oben an die Umlaufrendite. Im Gespräch mit dem BOND MAGAZINE erläutert der Geschäftsführer Dr. Horst Wiesent Details zur Emission.
BOND MAGAZINE: Sie haben vor rund 2 Jahren eine Anleihe emittiert. Welche Erfahrungen haben Sie bisher am Kapitalmarkt gemacht?
Dr. Wiesent: Sehr gute, denn unser Unternehmen hat sich dadurch in eine neue Dimension entwickelt, was sich auch im Kurs der Anleihe dokumentiert. Die SeniVita Sozial Anleihe wird intensiv an der Frankfurter Börse gehandelt und der Kurs liegt trotzdem sehr beständig über Pari, aktuell etwa bei 105. Wir haben deshalb von den Anlegern, die unsere Anleihe gezeichnet haben, auch sehr positives Feedback bekommen. Der Erfolg der Emission – SeniVita ist damals ja als beste Mittelstandsanleihe ausgezeichnet worden – hat SeniVita zudem auf einen Schlag überregional bekannt gemacht. Auch der gute Track Record seitdem hat uns in unserem Geschäft und bei der Finanzierung von Projekten enorm geholfen.
BOND MAGAZINE: Weshalb haben Sie sich jetzt für die Emission von Genussscheinen entschieden?
Dr. Wiesent: Für uns als gemeinnütziges Unternehmen ist ein Genusschein die optimale Möglichkeit, unser weiteres Wachstum zu finanzieren und gleichzeitig unsere Eigenkapitalbasis zu stärken. Wir sind ähnlich wie bei der Anleiheemission 2011 wieder in einer Situation, in der sich für SeniVita Sozial die Gelegenheit ergibt, einen Wachstumssprung zu tun. Konkret geht es um die Umwandlung bestehender Pflegeeinrichtungen nach unserem neuen, für Bewohner wie Mitarbeiter und uns als Betreiber vorteilhaften Konzept Altenpflege 5.0 und um den Neubau zweier Einrichtungen. Diesen Finanzierungsbedarf wollen wir unter anderem durch die Emission der Genussscheine decken. Sie zählen von ihrer Ausgestaltung her aufgrund der unbegrenzten Laufzeit zum Eigenkapital, die Eigenkapitalquote steigt also. Deshalb verbessert sich unsere Bilanzstruktur, und das wirkt positiv auf unseren gesamten Finanzierungsmix. Wir können als gemeinnütziges Unternehmen, das seine Überschüsse ja wieder für soziale Zwecke investieren muss, keine Aktien ausgeben. Mit den Genusscheinen erreichen wir jedoch denselben Zweck: Nämlich die Finanzierung des weiteren Wachstums und die Stärkung des Eigenkapitals. Gleichzeitig können Anleger mit den SeniVita Genussscheinen ihr Geld für soziale Zwecke einsetzen und am Erfolg der SeniVita Sozial teilhaben. Sie erhalten dafür bis zu 8% Zinsen, 7% fest und 1% variabel, also ein verlässliches, hochverzinsliches Investment.
BOND MAGAZINE: Bitte erläutern Sie die Eckpunkte des Genussscheins.
Dr. Wiesent: Der SeniVita-Genussschein verzinst sich mit 8% p.a., wobei 7% eine nachzahlbare Grundverzinsung sind und 1% gewinnabhängig vergütet werden. Zudem ist der Kupon nach oben an die Umlaufrendite gekoppelt. Das heißt, steigt das allgemeine Zinsniveau, dann vollzieht der Kupon diese Entwicklung nach, bietet also auch einen expliziten Inflationsschutz. Weil der SeniVita-Genussschein von der Laufzeit unbefristet ist, wird er als Eigenkapital gewertet. Damit tragen Genussschein-Zeichner auf dem Papier auch ein höheres Risiko als die Anleiheinhaber. Deshalb die höhere Verzinsung. Für uns als Unternehmen ergibt sich aus der Stärkung der Eigenkapitalposition insgesamt ein günstigerer Finanzierungsmix. Deshalb rechnet sich das auch für uns. Der SeniVita-Genusschein ist auch – im Unterschied zu anderen Genusscheinemissionen – im Quotation Board der Deutschen Börse in Frankfurt uneingeschränkt handelbar. Gleichzeitig müssen wir als Unternehmen die Transparenzverpflichtungen des Entry Standards erfüllen, der Anleger hat also einen besseren Einblick ins Unternehmen und dessen Entwicklung. Der beste Anlegerschutz ist aus unserer Sicht jedoch das Finanzamt. Denn als gemeinnütziges Unternehmen werden wir sehr strikt kontrolliert. Alle Kapitalflüsse im und aus dem Unternehmen werden genauestens geprüft und müssen Fremdvergleichen standhalten. Das bedeutet eine zusätzliche Sicherheit für unsere Anleger.
BOND MAGAZINE: Wie wollen Sie die Mittel aus der Emission verwenden?
Dr. Wiesent: Wir werden den Nettoemissionserlös vor allem für Um- und Neubauten verwenden. Konkret werden wir weitere bestehende Einrichtungen nach dem Konzept Altenpflege 5.0 umbauen. Altenpflege 5.0 heißt, dass wir seniorengerechtes Wohnen in der eigenen Mietwohnung, Pflege in der Wohnung und Tagesbetreuung unter einem Dach anbieten. Letztlich bestimmt dabei der Bewohner, welche Leistungen er in Anspruch nimmt. Weitere Vorteile für Bewohner sind mehr Wohnkomfort, mehr Privatheit, mehr Selbstbestimmung, mehr Wahlmöglichkeiten und mehr Qualität in der Pflege gerade bei hoher Pflegestufe oder Demenz. Durch die größeren Wahlmöglichkeiten im Leistungsumfang und die stärkere Förderung durch Kostenträger und Politik ergeben sich für uns gleichzeitig höhere Einnahmen und verbesserte Ertragsperspektiven. Darüber hinaus wollen wir zwei Einrichtungen in Maisach bei München und Bad Wiessee am Tegernsee in Oberbayern neu bauen. Zudem wollen wir unseren Anleihe- und Genussrechtsanlegern die Möglichkeit geben, ihre SeniVita-Wertpapiere in SeniVita-Genusscheine zu tauschen, wenn sie dies wollen.
BOND MAGAZINE: Bitte erläutern Sie die aktuelle Geschäftsentwicklung bei SeniVita.
Dr. Wiesent: Wir sind in den vergangen Jahren stark gewachsen und haben viel investiert. So haben wir auch 2013 zwei neue Einrichtungen eröffnet und zudem zwei ambulante Pflegedienste aufgebaut. Dadurch und durch weitere Investitionen wuchs die Vermögenssubstanz um mehr als 20 Mio. Euro, die Erlöse legten auf 28,7 Mio. Euro zu. Insgesamt haben wir einen Jahresüberschuss von 1,2 Mio. Euro erzielt, der jedoch vor allem aus dem außerordentlichen Ertrags eines Immobilenverkaufs stammte. Der Umbau bestehender stationärer Pflegeeinrichtungen nach unserem neuen, viel wirtschaftlicheren Konzept Altenpflege 5.0 resultierte für 2013 in einem negativen operativen Ergebnis und einer im Vergleich zum Umsatzwachstum überproportionalen Kapitalintensität, weshalb Creditreform unser Unternehmensrating vor Kurzem auf „BB+“ zurückgenommen hat. In dieser Ratingnote sind die verbesserten Ertragsperspektiven durch die neuen politischen Vorgaben zur Stärkung von Pflegemodellen, wie sie SeniVita anbietet, allerdings noch nicht berücksichtigt. Aus unserer Sicht waren die aus der Umstellung auf das Konzept Altenpflege 5.0 resultierenden Belastungen – Umbaukosten, geringere Auslastung während der Bauzeit – notwendig, um mit neuen Angeboten dem aktuellen Bedarf im Wachstumsmarkt Pflege gerecht zu werden. Die jüngsten politischen Weichenstellungen bestätigen uns darin. Wenn wir jetzt erst anfangen würden, uns darauf einzustellen und zu investieren, hätten wir wertvolle Zeit und schon mittelfristig Millionen an Einnahmen verloren. Denn wenn die Regierung die Förderung von Modellen, wie wir sie in unserem Konzept Altenpflege 5.0 realisieren, so aufstockt wie vor Kurzem bekannt gegeben, dann bedeutet dies signifikant höhere Erträge für SeniVita Sozial.
BOND MAGAZINE: Welche Investorengruppen sprechen Sie mit dem Genussschein an – institutionelle oder private Anleger?
Dr. Wiesent: Beide. Wir registrieren bislang schon großes Interesse von beiden Gruppen. Auch unsere Anleihe wurde ja beinahe zu gleichen Teilen von institutionellen und Privatanlegern gezeichnet. Ein Privatanleger muss sich jedoch bewusst sein, dass er mit einem Genusschein auf dem Papier ein höheres Risiko trägt, weil er als Eigenkapitalgeber auch an einem eventuellen Verlust teilnimmt. Bei einem gemeinnützigen Unternehmen wie der SeniVita Sozial, das zudem auch über hohe Gewinnrücklagen verfügt, ist diese Wahrscheinlichkeit unseres Erachtens jedoch gering.
BOND MAGAZINE: Die Ausgestaltung von Genussscheinen ist, im Vergleich zu Anleihen, etwas komplexer. Befürchten Sie nicht, dass Privatanleger damit überfordert sind?
Dr. Wiesent: Wenn man sich des gerade genannten Risikos bewusst ist, dann ist der SeniVita-Genusschein nicht komplexer als eine Anleihe. Wir haben diesen ja bewusst so ausgestaltet, dass er einer Anleihe sehr ähnlich ist – mit einer attraktiven, festen Verzinsung, der Handelbarkeit an der Börse und Sonderkündigungsrechten. Wie bei jedem Investment sollte man sich natürlich kontinuierlich über die aktuelle Entwicklung informieren. Durch die Publizitätsvorgaben der Deutschen Börse und vor allem die strikte Kontrolle der SeniVita Sozial durch das Finanzamt aufgrund der Gemeinnützigkeit genießt der Privatanleger beim SeniVita-Genusschein jedoch eine hohe Transparenz und einen besonderen Schutz.
BOND MAGAZINE: Welchen Ausblick können Sie geben?
Dr. Wiesent: Die SeniVita Sozial hat 2013 erfolgreich die Weichen gestellt, um mit neuen Angeboten dem steigenden Bedarf im Wachstumsmarkt Pflege gerecht zu werden. Insbesondere unser innovatives Konzept Altenpflege 5.0 sichert uns vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Initiativen zur stärkeren Förderung von solchen Pflegemodellen ein kontinuierliches Wachstum mit einer positiven Ertragsperspektive. Für das laufende Geschäftsjahr erwarten wir bei einer stabilen Auslastung wieder ein Umsatzwachstum und einen Überschuss, den wir als gemeinnütziges Unternehmen reinvestieren und so die Vermögenssubstanz weiter stärken werden. Ab 2015 wird sich aus unserer Sicht sowohl die Umstellung auf Altenpflege 5.0 wie die angekündige Pflegereform für SeniVita Sozial bezahlt machen. Wir wollen auch in Zukunft jedem Pflege- und Hilfsbedürftigen qualitativ hochwertige Versorgung zu bezahlbaren Preisen in wohnortnahen, familiären Einrichtungen bieten und wir werden weiter aktiv dazu beitragen, diesen langfristig steigenden Bedarf zu befriedigen. Und: SeniVita Sozial wird für die Genussschein-Anleger, die uns dabei unterstützen, ein attraktives Investment sein.
BOND MAGAZINE: Planen Sie nach der Anleihe- und Genussscheinemission weitere Schritte am Kapitalmarkt?
Dr. Wiesent: Der Kapitalmarkt hat uns entscheidend dabei geholfen, unsere Angebote auszubauen und Wachstumschancen zu nutzen. Wachstum ist für uns jedoch kein Selbstzweck. Es geht uns vor allem darum, die Situation der Pflegebedürftigen in Bayern zu verbessern. Wir haben deshalb sehr genau kakuliert, welches Wachstum wir hier in den nächsten Jahren realisieren und verkraften können. Das Resultat ist der Investitionsplan, wie er durch die Genussscheinemission abgesichert werden soll. Darüber hinaus haben wir derzeit keine Pläne.
Das Interview führte Christian Schiffmacher, www.fixed-income.org
Tab. 1: Eckdaten der SeniVita-Genussscheine
Emittent | SeniVita Sozial gGmbH |
Kupon | Nachzahlbare Grundverzinsung 7,00%, gewinnabhängige Verzinsung 1,00%, Koppelung (nach oben) an Umlaufrendite |
Volumen | bis zu 25 Mio. Euro |
Zeichnungsfrist | ab 13.05.2014 |
Listing | Open Market, Börse Frankfurt |
Rating | BB+ (durch Creditreform) |
Stückelung | 1.000 Euro |
Laufzeit | Unbeschränkt, erste Kündigungsmöglichkeit nach 60 Monaten, Kündigungsfrist (Anleger) 24 Monate, Kündigungszurückweisungsrecht bei mangelnder Liquidität |
ISIN/WKN | DE000A1XFUZ2 / A1XFUZ |
Internet | www.senivita.de |