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„Die starke Investorennachfrage nach Anleihen hat die Finanzierungssituation für Unternehmen, die Zugang zum Kapitalmarkt haben, sehr stark entspannt“

Interview mit Marc Müller, Co-Head of Debt Capital Markets/Corporate Coverage Group Germany, Deutsche Bank

In den vergangenen Monaten haben sich die Credit Spreads deutlich eingeengt, weil Alternativanlagen als wenig attraktiv angesehen werden. Der Trend hin zum Anleihenmarkt wird nach Meinung von Marc Müller, Co-Head of Debt Capital Markets/Corporate Coverage Group Germany, bei der Deutschen Bank anhalten. Er glaubt nicht, dass die Volumina im kommenden Jahr deutlich zurückgehen werden.

BONDBOOK: Welche wesentlichen Trends sehen Sie derzeit bei Anleihenemissionen?
Müller: Im zweiten Halbjahr 2008 ist die Emissionstätigkeit zurückgegangen, weil sich das negative wirtschaftliche Umfeld in den Unternehmensbilanzen niedergeschlagen hat. Die Anleihenspreads haben sich krisenbedingt stark ausgeweitet. Interessant ist, dass seit Anfang 2009 Investoren einen enormen Appetit auf Anleihen haben. Die zur Verfügung stehende Liquidität ist daher erheblich angestiegen. Dies hat zu einem Boom geführt, der bis jetzt anhält. In der Folge haben wir auf Emissionsseite Rekordvolumina gesehen – dies auf Deutschland, aber auch auf ganz Europa bezogen. Während Retailkunden im vergangenen Jahr sehr stark Aktien oder Zertifikate erworben haben, haben wir im Januar und Februar dieses Jahres bemerkt, dass ein starker Sog von Retailinvestoren in den Anleihensektor stattgefunden hat. Es war daher auch wichtig, dass die Emissionen der Retailnachfrage angepasst wurden. Diese Kriterien sind zunehmend wichtiger geworden.

BONDBOOK: Welche Kriterien waren das – neben der Stückelung?
Müller: Um den Retailzugang zu erreichen, sind 1.000er Stückelungen gegenüber früheren 50.000er Stückelungen sehr wünschenswert. Zudem müssen natürlich auch Kriterien, die die Wertpapierprospektrichtlinie zum Vollzug eines Öffentlichen Angebotes vorgibt, erfüllt sein. Bei den meisten Anleihen, die in Luxemburg notiert sind, sind dies die Vorgaben der luxemburgischen Finanzaufsichtsbehörde CSSF zuzüglich der Notifizierungen in die entsprechenden Länder, in denen eine direkte Retailansprache erfolgen soll. Zudem ist es hilfreich, wenn es sich bei dem Emittenten um ein bekanntes Unternehmen mit einem guten Ruf handelt. Fast alle DAX30- und einige MDAX-Unternehmen haben allesamt im ersten Halbjahr mindestens einmal Anleihen emittiert. Diese sind auf eine sehr starke Investorennachfrage gestoßen, was eine starke Einengung der Spreads zur Folge hatte. Neben Retailinvestoren haben auch institutionelle Investoren in großem Umfang in Anleihen investiert. Dies hat die Finanzierungssituation für Unternehmen, die Zugang zum Kapitalmarkt haben, sehr stark entspannt. Dies war Ende 2008 in diesem Umfang noch nicht abzusehen. Wir haben im laufenden Jahr auch einige High-Yield-Emissionen gesehen, Anfang des Jahres haben wir mit Fresenius den Markt für High-Yield-Emissionen eröffnet. Dies belegt, wie stark die Investorennachfrage ist. Ursächlich hierfür ist sicher das Zinsniveau, das absolut gesehen niedrig ist, und bei dem die meisten Investoren sich scheuen, stärker in den Aktienbereich zu allokieren. Daher werden Unternehmensanleihen als sehr attraktiv angesehen. Im historischen Bereich sind für Investoren die Spreads noch immer auskömmlich, die Nachfrage ist daher ungebremst.

BONDBOOK: Und welche Anleihen sind für Emittenten interessant?
Müller: Die meisten Anleihen in Deutschland sind Inhaberschuldverschreibungen, unterschieden wird dann nur in der Art des Angebots. Man kann eine öffentliche Platzierung oder eine Privatplatzierung durchführen. Die Privatplatzierung richtet sich an institutionelle Investoren und hat dabei eine fast frei gestaltbare Form. So können Risikoelemente (Option) mit eingebaut oder das Zinselement variiert werden.

BONDBOOK: Sind Wandelanleihen bei Ihnen im Equity- oder Debt-Bereich angesiedelt?
Müller: Wandelanleihen sind eine Mischform – in erster Linie eine Anleihe mit einer Wandlungsoption. Viele Wandelanleihen waren im vierten Quartal 2008 stark angeschlagen, auch hier kam es zu einem deutlichen Liquiditätszufluss. Seit März/April 2009 sehen wir wieder eine verstärkte Emissionstätigkeit. Wir haben sehr erfolgreich Wandelanleihen für Südzucker und Klöckner platziert. Die Nachfrage auf Investorenseite kam dabei nicht ausschließlich von klassischen Convertible-Investoren, sondern auch von Equity- oder Debt-Investoren.

BONDBOOK: Und wie schätzen Sie den Markt für Hybridanleihen ein?
Müller: Auch bei Hybridanleihen war die Investorennachfrage am Sekundärmarkt sehr groß. Investoren konnten damit Renditen erzielen, die mit Anleihen i.d.R. nicht möglich sind. Viele Anleihen haben bei 60 oder 70 notiert. Hier haben sich die Spreads wieder deutlich eingeengt. In diesem Jahr haben wir zwar noch keine Neuemission gesehen, doch bei dem Niveau der Spreads ist der Markt wieder offen.

BONDBOOK: Welche Investorengruppen sind bei Unternehmensanleihen aktiv?
Müller: Das sind die großen institutionellen Fonds, Versicherungen, neu hinzugekommen sind aber auch verstärkt, wie schon erwähnt, Retailinvestoren. Bei unseren Emissionen spüren wir eine sehr starke Nachfrage, insbesondere vom Private Wealth-Management. Es gibt zurzeit für Investoren wenige Alternativen zu Unternehmensanleihen, die als sicheres Anlageinstrument wahrgenommen werden. Zudem haben Fonds, die auf Corporate Bonds spezialisiert sind, starke Mittelzuflüsse, was die Nachfrage anheizt.

BONDBOOK: Welche Anforderungen müssen Emittenten erfüllen?
Müller: Das hängt stark davon ab, welche Anleihe platziert werden soll. Man kann sehr leicht eine 10-Mio.-Euro-Privatplatzierung durchführen, die nicht gelistet ist, wenn man einen Käufer dafür hat. Rein formale Kriterien sind einfach die Unternehmensbeschlüsse. Bei den Euro-Benchmark-Anleihen möchten Investoren eine Fungibilität, d.h. die Anleihe muss gelistet sein. Dies impliziert seit Ende letzten Jahres die Verpflichtung, nach IFRS zu bilanzieren. Zudem muss i.d.R. ein externes Rating durch Standard & Poor’s, Moody’s oder Fitch ausgewiesen werden. Zwei der drei sind dabei ideal.

BONDBOOK: Welche Möglichkeiten haben mittelständische Unternehmen, eine Anleihe zu platzieren?
Müller: Neben der Privatplatzierung gibt es die Möglichkeit der US-Privatplatzierung. 2004 und 2005 gab es eine ganze Reihe von US-Privatplatzierungen deutscher Mittelständler, wie z.B. Voith AG. Diese Transaktionen sind unter der SEC-Ausnahmeregelung „Regulation D“ möglich. Demnach wird kein öffentliches Angebot in den USA durchgeführt, was zu Publizitätspflichten in den USA führen würde. Unter Regulation D werden führende US-Versicherungsunternehmen und Pensionskassen angesprochen. Der Kernmarkt besteht dabei aus ca. 50-60 Versicherungen, wie z.B. Allstate und Pensionsfonds. Diese investieren in langlaufende Anleihen von Unternehmen ohne Rating, so dass dieser Markt auch für größere Mittelständler interessant ist. Das Interessante ist natürlich die Duration von 10-15 Jahren, die erreichbar ist. In den europäischen Kreditmärkten spielen sich die meisten Transaktionen im Bereich mittlerer Laufzeiten von drei bis fünf Jahren ab. Zehn Jahre oder länger ist in Europa eher unüblich. Der Emittent kann aber auch unter seinen Kreditgebern diversifizieren. Zudem gibt es keine Rating- oder Accounting-Verpflichtungen. Darüber hinaus ist 2008 der Schuldscheinmarkt extrem angesprungen. Dabei war nicht das Produkt neu, sondern die Intensität der Nachfrage. Dabei sind Schuldscheine keine Anleihen im klassischen Sinn, sondern eher ein Anleihensurrogat. Auch Schuldscheindarlehen haben für Unternehmen den Vorteil, kein Rating erstellen zu müssen. Juristisch basiert dies auf einer klassischen Kreditdokumentation des BGB. Damit ist es auch für die kleineren Mittelständler interessant. Wir geben als Deutsche Bank einen Kredit, bieten aber auch an, einen Schuldschein zu platzieren. Dies bietet ebenfalls für Unternehmen den Vorteil einer Diversifikation der Kreditgeber. Das Produkt wurde aber auch in der jüngsten Vergangenheit von DAX-Konzernen genutzt, weil es kaum Zugangshürden gibt. So hat die Deutsche Bank für Siemens 2008 eine 1,1-Mrd.-Euro-Transaktion geführt. Der Markt hat 2008 sehr stark geboomt, aber 2009 ein bisschen an Fahrt verloren, weil doch ein recht großes Volumen in den Markt gekommen ist. Die Investoren sind i.d.R. Banken und Sparkassen. Der Angebotsüberhang im Schuldscheinmarkt hat sich jetzt wieder abgebaut. Im Anleihensegment sind im Moment jedoch günstigere Konditionen zu erzielen als im Schuldscheinmarkt. Dies liegt an der großen Nachfrage von institutionellen und privaten Investoren.

BONDBOOK: Welchen Ausblick können Sie für den Anleihenmarkt geben?
Müller: Der Trend hin zum Anleihenmarkt wird sicher anhalten. Ich glaube nicht, dass die Volumina im kommenden Jahr deutlich zurückgehen werden. Die Credit Spreads haben sich in den vergangenen Monaten deutlich eingeengt, weil Alternativanlagen wohl als wenig attraktiv angesehen werden. Wir werden bei den Spreads sicher bei Niveaus ankommen, die über denen von 2007 liegen, aber für Unternehmen immer noch eine günstige Finanzierungsquelle sind.

Das Interview führte Christian Schiffmacher.

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