In den meisten Kreditzyklen der letzten 90 Jahre – als sich Unternehmensanleihen von einer attraktiven zu einer angemessenen Bewertung entwickelt haben - hat sich ein Großteil der Entwicklung bereits im Frühstadium des Zyklus vollzogen. In der Regel verengen sich die Spreads (d. h. die Renditeaufschläge gegenüber Staatsanleihen) mit steigender Risikobereitschaft zunächst deutlich, worauf dann eine weniger dramatische Verengung auf schließlich rund 75-100 Basispunkte (Bp.) folgt. Gerade in dieser Phase der allmählichen Spreadverengung (wenn die offensichtlichen Renditequellen rar werden) gewinnen die Titelauswahl und der Einsatz anderer Anleihestrategien (etwa das Durationsmanagement) an Bedeutung.
Nachdem sich die Renditeaufschläge von globalen Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating im März 2009 auf einen Rekordstand von 509 Bp. ausgeweitet hatten, haben sie sich in den letzten 18 Monaten deutlich auf derzeit rund 170 Bp. verengt. Damit befindet sich der Spread im Grunde erst auf dem Niveau von 2002, also dem weitesten/günstigsten Punkt des letzten Kreditzyklus.
Diese Entwicklung legt jedoch auch nahe, dass jetzt die Phase der allmählicheren Verengung beginnt, in der es für die Anleger wesentlich schwieriger wird, die besten Renditechancen zu identifizieren. In der Tat lagen die Spreads zu Beginn des Jahres 2010 bei 176 Bp. Im Hinblick auf die Entwicklung der optionsbereinigten Spreads der breiten Indizes haben wir also ein „ergebnisloses“ Jahr hinter uns. (Selbst die Renditen zehnjähriger Treasury-Papiere gingen nur um 40 Bp. zurück, und auch asiatische Währungen erfuhren lediglich eine leichte Aufwertung.) Ein ausgeprägter Trend für festverzinsliche Anlagen im Jahr 2010 war unterdessen die Entwicklung der Peripherieländer der Eurozone.
Positive strategische Einschätzung zu Beginn des Jahres 2011
Als erstes lässt sich zu Beginn des Jahres 2011 feststellen, dass wir viele Unternehmensanleihen geringerer Bonität aus strategischer Sicht positiv bewerten. Wie bereits erwähnt, sind die Spreads historisch gesehen unvermindert attraktiv. Allerdings werden sie in vielen Bereichen des Unternehmensanleihensektors auch von einer besseren Entwicklung der Fundamentaldaten unterstützt. So lässt sich beobachten, wie viele Unternehmen (insbesondere im BBB‑Segment, im Hochzinsbereich und in weniger belasteten Teilen des Finanzsektors) nach wie vor ihren Verschuldungsgrad reduzieren, ihre Betriebsmargen wiederherstellen, solide Liquiditätspositionen aufbauen und auch im Hinblick auf Zinsdeckung, Investitionsausgaben und Personalkosten Vernunft walten lassen. Infolgedessen ist das Verhältnis von Cashflow zu Fremdkapital so gut wie selten zuvor, sodass sich die Liquidität der globalen Unternehmensbilanzen deutlich von der schwierigen Liquiditätssituation der Industriestaaten (angefangen mit den USA) unterscheidet.
Die Renditesuche wird weiterhin Unterstützung bieten
Ein weiteres Argument, das im Jahr 2011 für Unternehmensanleihen geringerer Bonität spricht, ist das nach wie vor bestehende Niedrigzinsumfeld. Es dürfte Anleger im Hinblick auf Staatsanleihen nicht nur veranlassen, am längeren Ende der Renditekurve (d. h. in Anleihen mit längeren Laufzeiten) zu investieren, sondern auch, eine geringere Bonität in Betracht zu ziehen, um mit diesen Anleihen Renditen zu erzielen. Angesichts dessen sind wir der Meinung, dass Anleihen geringerer Qualität (BBB, BB und B), die von Cashflows generierenden, stabilen Unternehmen begeben werden, eine relativ krisensichere Anlage bleiben.
Kein gewöhnlicher Konjunkturzyklus – droht ein Szenario japanischer Art?
Eine der großen Herausforderungen für 2011 besteht darin, dass es zu keiner „gewöhnlichen“ Konjunkturerholung kommen dürfte. Verschiedene Akademiker (z. B. Richard Koo) haben Parallelen zwischen der aktuellen Situation in Europa und den USA und den schwachen „verlorenen Jahrzehnten“ Japans gezogen. Dort hat eine seit (bis dato) über 20 Jahren fortwährende Entschuldung dazu geführt, dass der Kreditschöpfungsprozess darniederliegt. Dieses japanische Szenario schien den Fed Vorsitzenden Ben Bernanke 2010 am meisten zu beunruhigen, was anhand seiner Rhetorik anlässlich des Jahrestreffens der Fed in Jackson Hole und der Entscheidung für eine weitere quantitative Lockerung ersichtlich wurde.
Die größte Sorge in der westlichen Hemisphäre gilt eindeutig der extrem hohen Verschuldung. Nach einem halben Jahrhundert steigender Schulden weisen Volkwirtschaften wie die USA und Großbritannien angesichts des Schuldenwachstums im Privatsektor seit Anfang der 80er‑Jahre einen Gesamtschuldenstand von immer noch mehr als 350 % bzw. 400 % des BIP auf. Darüber hinaus werden fast 50 % des globalen BIP von Ländern erwirtschaftet, die 2009 zweistellige Haushaltsdefizite aufwiesen (die nur über Jahre abgetragen werden können), und die Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors ist von lediglich 19 % des BIP im Jahr 1970 auf derzeit über 60 % angestiegen.
Wirtschaftsexperten und Akademiker sind sich nach wie vor uneinig, ob der richtige politische Ansatz in einer Sparpolitik mit strengen Maßnahmen zum Schuldenabbau oder in einer Fokussierung auf Anreiz- und Wachstumsmaßnahmen besteht. In einer derartigen Situation sind politische Fehlentscheidungen sehr wahrscheinlich. Insgesamt dürften nun auf starke Regierungsanreize für das Wirtschaftswachstum strenge staatlich verordnete Sparmaßnahmen folgen. Selbst Anleger mit 30 Jahren Erfahrung im Anlagegeschäft haben bisher keine derart hohen fiskalpolitischen Anreize oder drastischen Einsparungen erlebt. Unserer Meinung nach gibt es daher gute Gründe, die dafür sprechen, die Entwicklung der Wirtschaftsdaten im Jahr 2011 genau im Auge zu behalten.
Was bedeutet das für Unternehmensanleihen?
Die beschriebene Situation lässt für 2011 offenbar auf einen eher pessimistischen Ausblick schließen. Trotzdem bleiben wir, wie bereits erwähnt, in Bezug auf die Spreads von Unternehmensanleihen positiv eingestellt. Der Konjunkturausblick und die nach wie vor bestehende Belastung durch die Schuldenkrise einzelner Länder (allen voran in der Eurozone) sind eindeutig eine ernste Bedrohung. Aber selbst in Japan hat sich gezeigt, dass sich Kreditspreads auch in einem trägen Wirtschaftsumfeld verengen können (siehe die dortige Entwicklung von 1990 bis 2010). In Anbetracht der aktuell attraktiven Bewertungen und der vielfach starken und sich bessernden Fundamentaldaten glauben wir, dass sich die Spreads von Unternehmensanleihen über einen strategischen Zeitraum von zwei bis drei Jahren weltweit weiter verengen werden.
Natürlich sind wir uns der Tatsache bewusst, dass die Volatilität 2011 angesichts von erneut auftretenden Länderrisiken, der Finanzierungsprobleme der Banken und weiterer Zahlungsausfälle hoch bleiben dürfte. Es bestehen einige wesentliche Risiken und somit auch die Gefahr von Turbulenzen an den Finanzmärkten. Daher dürften ein stärkerer Einsatz von Absicherungsstrategien mithilfe von Optionen und CDS auf Einzeltitelebene sowie eine höhere Portfolioliquidität (Cash) angebracht sein.
Volatilität schafft unseres Erachtens allerdings Anlagechancen für aktive Manager, vor allem, da die Investoren zunehmend auf Grundlage der Glaubwürdigkeit von Emittenten entscheiden. Das Länderrisiko wird nicht nur Staatsanleihen betreffen, sondern auch Unternehmensanleihen und Banktitel, während strukturell belastete Branchen sich in einem von Sparmaßnahmen geprägten Umfeld mit niedrigem Wachstum wahrscheinlich schwer tun werden. Infolgedessen wird aus unserer Sicht eine sorgfältige Länder-, Sektor- und Titelauswahl (mit einer Bewertung der jeweiligen Bonität und aller potenziellen Risiken) im kommenden Jahr den Ausschlag geben.
2011: Aussichten für globale Investment-Grade-Unternehmensanleihen
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