Die restriktive Rhetorik der Notenbanken hat in den vergangenen Wochen zugenommen. Die Erwartung, dass es zu einer oder mehreren Leitzinserhöhungen um 50 Basispunkte (BP) kommt, ist inzwischen gängig. Für die USA preist der Markt derzeit für die drei kommenden Sitzungen des Federal Open Market Committees (FOMC) jeweils eine Zinserhöhung um 50 BP ein. Dann könnte die Federal Funds Rate bei 1,75 Prozent liegen. Zudem rechnet der Markt mit einer Straffung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB) um 80 BP in diesem Jahr.
Keine Erleichterung bei den kurzfristigen Zinsen
Da sich die Notenbanken bezogen auf die Inflation „hinter der Kurve“ befinden, müssen sie eine deutlich restriktive Botschaft senden. Auch wenn sie wahrscheinlich immer noch davon ausgehen, dass die Inflation im Laufe dieses Jahres vom derzeitigen Niveau aus zurückgehen wird, müssen die Zinsen dennoch erhöht werden. Es gilt die Leitzinsen real näher an die Null zu bringen, als sie es derzeit sind. Dafür muss die EZB ihren Einlagensatz nominal näher an die Null heranführen, was eine Herausforderung für den Konsens zu sein scheint – zumindest in Bezug auf das Timing und die Abstimmung der Zinserhöhungen mit dem Auslaufen der Ankäufe von Vermögenswerten. Während für die Federal Reserve (Fed) die Notwendigkeit besteht, die Erwartung aufrechtzuerhalten, dass sie die Fed Funds Rate auf drei Prozent oder darüber anhebt, muss die EZB uns davon überzeugen, dass die Zinsen irgendwann erhöht werden. Aus Sicht des Marktes bedeutet das, dass es wenig Spielraum für einen baldigen Rückgang der kurzfristigen Anleiherenditen gibt. Die Abflachung der Kurve wird sich also fortsetzen, insbesondere am kurzen Ende zwischen den Overnight-Zinssatz und dem zwei- bis dreijährigen Bereich.
Aggressiver Straffungszyklus?
Die Frage ist, ob der Straffungszyklus so aggressiv sein wird, dass er eine Rezession und erhebliche weitere Verluste bei Risikoanlagen verursacht. Die US-Banken, die bisher ihre Ergebnisse für das erste Quartal veröffentlicht haben, waren im Allgemeinen recht entspannt, was die Bonität im Credit-Bereich angeht - selbst bei verbrauchernahen Unternehmen. Wie immer ist es wichtig, den Immobilienmarkt zu beobachten. Die fixen 30-jährigen US-Hypothekenzinsen sind in diesem Jahr um 200 BP gestiegen. Bislang sind die Verkäufe neuer Immobilien stark geblieben und es gibt keine sichtbaren Anzeichen für einen Anstieg der Zwangsvollstreckungen, obwohl die Erschwinglichkeit von Wohnraum zurückgegangen ist. Auf der Unternehmensseite war der Verschuldungsgrad in den vergangenen Jahren geringer, und die Finanzierungskosten sind nicht so stark gestiegen, vor allem nicht für große Schuldner mit besserem Rating. Die Rendite von US-Investment-Grade-Anleihen ist ebenfalls um etwa 200 BP nach oben gegangen. Das Gewinnwachstum der S&P-Unternehmen soll im kommenden Jahr aber zwischen fünf und zehn Prozent liegen. Von einer Kreditklemme sind wir weit entfernt.
Die Preise drücken auf die Einkommen
Natürlich wird die geldpolitische Straffung wohl nicht die einzige Ursache für eine deutliche Verlangsamung sein. Die Verbraucher werden durch steigende Preise unter Druck gesetzt. Das zeigt sich bereits in den Daten zum Verbrauchervertrauen und den Konsumausgaben. Die Einzelhandelsumsätze in Großbritannien gingen im März um 1,1 Prozent zurück (ohne Kraftstoffe). Ein Wert für das Verbrauchervertrauen fiel auf den niedrigsten Stand seit seiner ersten Veröffentlichung in den frühen 1980er Jahren. Es wird erwartet, dass die Verbraucherstrompreise in Großbritannien in 2022 im Durchschnitt fast 50 Prozent höher sein werden als 2021. Es liegt auf der Hand, dass höhere Preise für die Grundbedürfnisse des Lebens zu weniger Ausgaben bei diskretionären Gütern führen werden. Deshalb haben sich die Bereiche Haushaltswaren, Autos und Einzelhandel am britischen Aktienmarkt in diesem Jahr unterdurchschnittlich entwickelt. Es ist unwahrscheinlich, dass es in Großbritannien in nächster Zeit einen Boom bei den Konsumausgaben geben wird.
Wo auf der Phillips-Kurve werden wir landen?
Der Konsument ist der Hauptleidtragende der höheren Inflation. Höhere Zinsen werden sich auf alle Volkswirtschaften auswirken. Unterbrechungen in der Lieferkette und die Geopolitik werden Produktion und Handel beeinträchtigen. All dies bedeutet ein geringeres BIP-Wachstum im Jahr 2022 und 2023. Noch aber ist die Beschäftigung hoch und die Arbeitseinkommen steigen. Der Fed-Vorsitzende Powell sagte diese Woche sogar, dass der Arbeitsmarkt zu heiß gelaufen sei. Glauben sie jetzt letztlich mehr tun müssen? Niemand wird einen signifikanten Anstieg der Arbeitslosigkeit wollen. Auch wenn dies notwendig sein könnte, um die Inflation wieder auf zwei Prozent zu bringen, sofern das von den geldpolitischen Entscheidungsträgern gewünscht ist. In deren Augen könnte es einen eher nuancierten Kompromiss zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation geben. Wenn Dinge wie die fragmentierte Globalisierung und die Energiewende zu einer höheren strukturellen Inflation führen, muss die geldpolitische Benchmark möglicherweise flexibler sein als ein allgemeines Inflationsziel von zwei Prozent.
Die Bären brummen noch
In der Zwischenzeit bleibt die Marktstimmung „bearish“ - wobei es im April kaum eine Ruhepause bei den negativen Renditen in den meisten liquiden Anlageklassen gab. Die Anleiherenditen steigen weiter. Auch die Credit-Spreads haben sich wieder ausgeweitet, nachdem die anfängliche kriegsbedingte Ausweitung in der zweiten Märzhälfte wieder rückgängig gemacht worden war. Die Aktienmärkte bewegen sich bestenfalls seitwärts. Der S&P 500 liegt seit Mitte Januar in einer Handelsspanne von 4200 bis 4600 Punkten, der NASDAQ Composite notiert zwischen 12.500 und 14.500 Punkten. Da die Volatilität recht hoch war, haben wir es mit einem schwierigen Umfeld zu tun. Bislang gab es in diesem Jahr acht Tage, an denen sich die Rendite der zehn-jährigen US-Staatsanleihen um mehr als zehn BP veränderte, während es im gesamten Jahr 2021 nur fünf Tage waren. Bei den zehn-jährigen Bundesanleihen waren es in diesem Jahr sechs Tage, während das im vergangenen Jahr insgesamt nur an einem Tag der Fall war.
Neubewertung bei Anleihen weit fortgeschritten
Unserer Meinung nach stehen die US-Renditen bei etwa drei Prozent kurz vor einem Höchststand. Die Fed hat noch nicht angedeutet, dass die Fed Funds Rate deutlich über diesem Niveau liegen muss. Es ist wahrscheinlich, dass von der Inflation in den kommenden Wochen eine gewisse Entspannung kommen wird. Außerdem ist die Neubewertung von Anleihen weiter fortgeschritten als die von Aktien. Die Wertentwicklung des US-Treasury-Marktes im ersten Quartal betrug das Zweifache der Standardabweichung der vierteljährlichen Gesamterträge seit 1975. Beim S&P betrug der vierteljährliche Rückgang nicht einmal eine Standardabweichung seiner vierteljährlichen historischen Performance. Die Lücke zwischen der nominalen Gewinnrendite und dem risikofreien Zins verringert sich an den US-Märkten weiter.
Interessante Anleiherenditen
Sellside-Analysten beurteilen Anleihen zunehmend positiver und es gibt eine Reihe von Empfehlungen, die Duration zu erhöhen. In den Kundenportfolios sind festverzinsliche Wertpapiere unbeliebt, aber die Renditen sind so interessant wie schon lange nicht mehr - während die Kurs-Gewinn-Verhältnisse am Aktienmarkt immer noch hoch sind (insbesondere in den USA), denn Aktien werden durch ordentliche Gewinne gestützt. Aktuell zeigen sich bei den Ergebnissen im S&P-Universum in den USA für das erste Quartal insgesamt mäßig positive Überraschungen sowohl beim Umsatzwachstum als auch bei den Gewinnen – wenn auch mit einigen bemerkenswerten Verfehlungen in Bereichen wie Nicht-Basiskonsumgüter und bei den Versorgern.
Etwas Absicherung aufbauen
Es lohnt sich, sich daran zu erinnern, dass Aktien dazu tendieren, schlechter abzuschneiden, wenn die Wirtschaft wirklich einbricht und die Erträge sinken. Dem voraus gehen höhere Zinsen. Wir sind zwar noch nicht so weit, aber die langsame Beimischung von Anleihen während der Renditen steigen, wird letztlich eine effizientere Absicherung in einem Multi-Asset-Portfolio bieten, sollten die Aktienrenditen noch negativer ausfallen.
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Foto: Chris Iggo © AXA Investment Managers
Anleiherenditen so interessant wie lange nicht
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