Seit etwas mehr als einem Jahr steht die neue Ampelkoalition, die mit frischem Mut und Wind Deutschland und damit selbstverständlich auch Europa besser machen wollte – vielleicht so-gar noch will. Frei nach dem Motto aus dem Leben des Brian: Was hat uns die Ampelkoalition gebracht? Allgemein und für den Kapitalmarkt?
Auf der Agenda der Ampelkoalition für diese Legislaturperiode, standen viele hehre Ziele: Klimaschutz ohne eine weitere Verschuldung, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen, damit die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt zurückgefahren wird bei gleichzeitiger Streichung von Energie-Fördermitteln für die Bauherren, Herunterfahren der letzten drei AKWs, Erhöhung des Mindestlohns ohne die Wirtschaft abzuwürgen, weiterer Kampf gegen Corona und gleichzeitig zumindest eine Krankhausreform – am besten mit einer Veränderung bei der Pflege, last but not least - die Bekämpfung der Inflation.
Eine vollständige Wunschliste kann man bestimmt googlen. Die Agenda war voll. Machbarkeitsstudie im Jahr 2022 gescheitert. Bürger massiv verunsichert. Perspektivängste breiten sich aus. Wird vielleicht doch alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
Am Anfang des Übergangs vom harmonischen Duo zum fröhlichen Trio konnten die selbstgemachten handwerklichen Fehler noch verdeckt werden. Es holperte in der Realwirtschaft als das Wirtschaftsministerium mit einem Federstrich in einer Nacht und Nebel-Aktion die energetische Förderung für den Wohnungsbau gestrichen wurde. Zum Glück glaubte der Kapitalmarkt den Unternehmen, dass sie nach fast zwei Jahren erfolgreichem Umgang mit der Pandemie auch hier Lösungen finden würden und „strafte“ nicht in der Gesamtheit ab – Einzelunternehmen, die sowieso zu sehr auf Kante genäht waren, wurde aber die Luft raus gelassen.
Unvorbereitet wirkte die Ampel-Troika auch gegenüber den Zinserhöhungen der EZB An-fang 2022, obwohl es eigentlich jedem klar gewesen sein musste, dass diese kommt - angesichts der aus heutiger Sicht humanen Inflation von rund fünf(!) Prozent. Anleihen wurden auf einmal wieder interessant. Es mussten wieder Bauzinsen gezahlt werden. Langsam, aber deutlich, kamen diese Signale auch am Kapitalmarkt an und sorgten für ein anderes Klima. Die ungleichen Drei von der Ampel gingen in Klausur, um die beruhigende Raute des harmonischen Duos der alten Kanzlerschaft in den dynamischen Automaten des fröhlichen Trios zu transformieren. Dann gab es einen exogenen Schock – den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, den auch die Ampelkoalition nicht vorhersehen konnte, der direkte Auswirkungen auf Menschen, Realwirtschaft und Kapitalmärkte zeigte und erst mal ein seiner wirklichen Dimension nicht absehbar war.
Waren die Diskussionen zum Thema Nord-Stream 2 bis zum Krieg abstrakt erschienen und bezogen sich zumeist auf einen in der Öffentlichkeit stur wirkenden Altkanzler und eine amtierende Ministerpräsidentin und einen ehemaligen Ministerpräsidenten, so hat Russland seit Kriegsbeginn seine machtpolitischen Interessen mit immer wieder realisierten Drohungen in Richtung der Energieversorgung Deutschlands manifestiert. Bis zu diesem Moment war energiepolitisch die Ampel auf Grün gestellt – nun leuchtete sie auf einmal Gelb und Rot auf. Explodierende Inflation eben auch durch explodierende Energiepreise, gepaart mit dem Zusammenbruch von Lieferketten ausgelöst durch die Null-Covid-Politik Chinas trafen die Wirtschaft ins Mark.
Die neue Ampelkoalition war gefordert und musste sich von ihren jeweiligen ideologischen Vorgaben trennen. 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr – 200 Milliarden Doppelwumms für Deutschland. Auf der Metaebene beim Setzen der Leitplanken funktionierte die Regierung verblüffend gut, aber leider in den konkreten Umsetzungen haperte es gewaltig. Wortgewaltige Ankündigungen, die häufig wieder wegen Abstimmungsproblemen der Koalitionäre – insbesondere zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium – ständig verändert und verschoben wurden. Der Chef, der Macher (so das Selbstverständnis), der Kanzler perfektionierte währenddessen als Automat die Raute seiner Vorgängerin im Amt. Über-setzt heißt das: Aussitzen!
Konkrete Auswirkungen dieser Unsicherheit von Juni bis Anfang Oktober 2022: Dax fällt von rund 14.500 auf rund 12.000 Punkte; MDax von rund 30.000 auf 22.300 Punkte; kleinere Mittelständler verlieren häufig mehr als ein Drittel ihres Börsenwertes; ausgesuchte und solide Mittelstandsanleihen werden von der Unsicherheit in Sippenhaft genommen und verlieren genauso rund 30 Prozent an Wert; Mittelständler, deren Auftragsbücher zum Bersten gefüllt sind, haben es sehr schwer am Kapitalmarkt zu reüssieren.
Sind wir dementsprechend in Deutschland in einer Abwärtsspirale gefangen? Wir glauben nicht. Erste Anzeichen sprechen dagegen. In den letzten Wochen hat der Dax wieder ein festes Fundament von über 14.000 Punkten erreicht. Es darf bloß nicht passieren, dass die großen Unternehmen des produzierenden Gewerbes wegen niedrigerer Energiekosten sich in die USA verabschieden. Die Spitze der Inflation scheint erreicht – die EZB versucht momentan aus unserer Sicht einen erfolgreichen Balanceakt.
Seit Jahren sagen wir: „Politische Börsen haben lange Beine“. Leider fühlen wir uns hierin wieder bestätigt. Es ist wichtig, dass es eine Entwicklung vom harmonischen Duo hin zum harmonischen Trio gibt. Nur so kann die Unsicherheit aus dem Markt genommen werden. Wir müssen eine Normalität erreichen, die Bürger und Wirtschaft absichert. Anfang dieses Jahrtausends sagten alle Ökonomen, dass ein Problem Deutschlands der fehlende Konsum sei. Ein gutes Gegenbeispiel seien die USA. In den letzten Jahrzehnten hat sich Deutschland erfolgreich zum Konsumenten gemausert und damit die Binnenkonjunktur angekurbelt, was auch konkrete positive Auswirkungen auf den Kapitalmarkt hatte. Seit einem halben Jahr sehen wir hier eine massive Rückentwicklung. Wir gehen optimistisch davon aus, dass sich das im ersten Halbjahr 2023 wieder in die andere Richtung drehen wird.
Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfel-fing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiver-kehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 38.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investmentfonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.
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Foto: Kai Jordan © mwb Wertpapierhandelsbank AG
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