Der Fluch des teuren Öls und die steigenden Leitzinsen wecken neue Rezessionssorgen in den USA. Noch halten wir eine Rezession für unwahrscheinlich, doch sind die Risiken zweifellos gestiegen. Das schwierige Marktumfeld mahnt zu einer gewissen Vorsicht, vor allem wegen der weltpolitischen Krise und ihrer Auswirkungen auf risikobehaftete Wertpapiere. Aufgrund der generellen Unsicherheit und der wohl auch in nächster Zeit überdurchschnittlichen Volatilität wird es entscheidend auf die aktive Asset-Allokation und das Portfoliomanagement ankommen.
Steht den USA eine Rezession bevor?
Die US-Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass Rezessionen vor allem zwei Ursachen hatten: einen drastischen Ölpreisanstieg und Zinserhöhungen der Fed. Acht der letzten elf Rezessionen wurden von einem Ölpreisschock, einer massiven Straffung der Geldpolitik oder einer Kombination aus beidem ausgelöst (Abbildung 1 im Anhang). Auch jetzt erleben wir einen Ölpreisschock (wegen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine) und Zinserhöhungen. Heißt das, dass die USA einer Rezession kaum entgehen können?
In den USA ist das Rezessionsrisiko deutlich gestiegen, doch können wir einer Rezession wohl entgehen. Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen ist die US-Wirtschaft fundamental stabil. Sicher spüren die Verbraucher den deutlichen Inflationsanstieg und den entsprechenden Rückgang der verfügbaren Realeinkommen. Zuletzt ist das Konsumklima daher auch stark gefallen (Abbildung 2 im Anhang). Dennoch stehen die US-Verbraucher weiter gut da; ihre Schulden sind handhabbar, und der Arbeitsmarkt ist stabil. Auch viele andere Sektoren erweisen sich als krisenfest: Die Unternehmensgewinne wachsen deutlich, und viel spricht für hohe Investitionen. Dem Immobiliensektor kommen die anhaltend hohe Nachfrage und die steigenden Hauspreise entgegen. Natürlich kann sich der Ausblick ändern, und sicher müssen wir die Konjunktur im Auge behalten. Einstweilen sehen wir aber keinen Grund zur Panik.
Der MFS-Konjunkturindex (BCI), eine Kombination ausgewählter Frühindikatoren, spricht für moderate Konjunkturrisiken (Abbildung 3 im Anhang). Mehrere wichtige US-Frühindikatoren entwickeln sich erfreulich: Der Arbeitsmarkt ist ebenso stabil wie der Immobilienmarkt, das Geschäftsklima und die Unternehmensgewinne. Ein Index auf dem aktuellen Niveau signalisierte meist ordentliches Wachstum, auch wenn der jüngste Rückgang in Richtung null zur Vorsicht mahnt. Letztlich steht dieser Rückgang aber für die Rückkehr zum langfristigen Trendwachstum, nachdem sich die Wirtschaft seit dem Ende der Lockdowns stark erholt hat.
Ein drastischer Ölpreisanstieg muss für die US-Wirtschaft keine Katastrophe mehr sein. Wir leben nicht mehr in den 1970ern. Zwar wirken höhere Ölpreise auf die Verbraucher noch immer wie eine Steuer, doch ist die US-Wirtschaft heute längst nicht mehr so anfällig wie vor einigen Jahrzehnten. Dies liegt daran, dass heute größere Teile der US-Wirtschaft von einem höheren Ölpreis profitieren und die Energieintensität abgenommen hat. 2020 waren die USA erstmals ein Nettoölexporteur. Hinzu kommt, dass der Öl- und Gassektor heute mehr zu Wirtschaftswachstum und Investitionen beiträgt. Dennoch sollten Investoren die Auswirkungen eines dauerhaft höheren Ölpreises auf die Verbraucher nicht aus dem Blick verlieren.
Massive Straffung der Geldpolitik
Eine übertriebene Straffung der Geldpolitik ist aber sehr viel wahrscheinlicher geworden. Darin sehen wir auch den wichtigsten Grund für das höhere Rezessionsrisiko. Auf der letzten Offenmarktausschusssitzung ließ die Fed keinen Zweifel daran, dass sie den Leitzins auch über den sogenannten neutralen Zins hinaus anheben und die Geldpolitik damit massiv straffen will. Offensichtlich nimmt man es ihr ab: Der US-Zinsstrukturkurve zufolge rechnet man mit Zinserhöhungen auf 2,90%, was im Wesentlichen den Projektionen der Notenbank entspricht, dem sogenannten Dot Plot. Allerdings sind zwei Szenarien denkbar, in denen die Fed auf die geplanten Zinserhöhungen verzichtet.
Das erste Szenario wäre gut für den Markt: Aufgrund nachlassender Lieferengpässe und fallender Ölpreise könnte die Inflation wieder zurückgehen, sodass die Fed mehr Spielraum hätte. Das zweite Szenario wäre hingegen schlecht: Die Fed könnte auch deshalb auf drastische Zinserhöhungen verzichten, weil die Rezessionsrisiken massiv zunehmen. Dann wäre ihr wichtigstes Ziel nicht länger weniger Preisauftrieb, sondern mehr Wachstum. So oder so wird man die Äußerungen der Fed in nächster Zeit genau analysieren müssen, vor allem, wenn die Inflationserwartungen deutlich steigen oder die Wachstumsrisiken erheblich zunehmen.
In unserem Basisszenario rechnen wir in den USA mit einem deutlichen Wachstumsrückgang und einer Inflation klar über dem Vor-Corona-Niveau. Die aktuelle Weltkrise dürfte aber stärkere Auswirkungen auf andere Länder als auf die USA haben. Das gilt vor allem für den Euroraum, wo eine Stagflation wahrscheinlicher geworden ist. Hier machen sich vor allem die höheren Energiepreise bemerkbar, die das Wachstum dämpfen und die Konjunktur schwächen könnten. In allen Regionen drohen außerdem Extremrisiken. Eine massive Eskalation des Krieges würde die Weltwirtschaftserwartungen weiter dämpfen. Dann würde sich auch der Konjunkturausblick für die USA verschlechtern.
Worauf muss man in diesen turbulenten Zeiten achten?
Auch wegen der weltpolitischen Krise werden wir mehrere Konjunkturparameter genau im Blick behalten:
- Der Ölpreis ist der Überbringer schlechter Nachrichten, vor allem, wenn er dauerhaft über 100 US-Dollar beträgt.
- Die Steigung der US-Zinsstrukturkurve zeigt die Konjunkturerwartungen der Investoren an.
- Die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) signalisieren, ob in nächster Zeit mit einem drastischeren Wachstumsrückgang zu rechnen ist.
- Andere Konjunkturindikatoren können ebenfalls steigende Rezessionsrisiken andeuten: Besonders interessant sind für uns Arbeitsmarktdaten – vor allem der Beschäftigungszuwachs und die Arbeitslosengeldanträge –, Unternehmensgewinne und Verbrauchervertrauen. Genau achten wir auch auf die Äußerungen der Notenbanken, vor allem auf Hinweise auf eine weniger restriktive Geldpolitik.
Alles in allem halten wir eine Rezession in den USA nicht für zwingend, da die Wirtschaft fundamental stabil ist. Wegen der Weltkrise ist das Rezessionsrisiko aber gestiegen, und die Zeiten sind unsicherer geworden. Die Marktrisiken könnten sich ändern, was aus unserer Sicht sorgfältige Analysen und aktives Portfoliomanagement erfordert.
Über MFS Investment Management:
Im Jahr 1924 legte MFS den ersten Publikumsfonds der USA auf. Millionen von Anlegern erhielten dadurch Zugang zum Markt. Heute ist MFS ein internationaler Full-Service-Investmentmanager für Finanzberater, Vertriebspartner und institutionelle Kunden. Aber noch immer haben wir nur ein Ziel: langfristige Werte für unsere Kunden durch verantwortungsvolle Finanzanlagen. Dafür verfolgt MFS einen leistungsfähigen Investmentansatz auf Grundlage von kollektivem Know-how, umsichtigem Risikomanagement und langfristiger Anlagedisziplin. Unsere Kultur der Zusammenarbeit sowie gleiche Grundwerte fördern aktive Diskussionen unserer Teams aus Experten mit unterschiedlichen Denkweisen, um Ideen zu erörtern, wichtige Risiken zu beurteilen und die aus unserer Sicht besten Investmentideen am Markt zusammenzutragen. Am 28. Februar 2022 verwaltete MFS circa 635,8 Milliarden US-Dollar Vermögen.
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Foto: Benoit Anne © MFS Investment Management
Big Mac(ro): Rezessionsrisiken in den USA
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