Roelof Salomons, BlackRock Investment Institute, kommentiert das Ergebnis der heutigen Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB):
• Die EZB senkte heute die Zinsen erneut um 25 Basispunkte auf 2,5 Prozent. Sie vertraut darauf, dass die Inflation Anfang 2026 das Zwei-Prozent-Ziel erreichen wird. Die Disinflation schreitet planmäßig voran, doch angesichts allgegenwärtiger Risiken und Unsicherheiten sieht die EZB die wirtschaftlichen Aussichten nun zweiseitig.
• Die Notenbank bezeichnet ihre Geldpolitik als "deutlich weniger restriktiv" – eine erhebliche Änderung gegenüber der letzten Sitzung. Wir erwarten weiterhin, dass die EZB die Zinsen auf ein neutrales Niveau senkt, also auf einen Satz, der die Wirtschaft weder bremst noch stimuliert. Wir schätzen dieses Niveau auf etwa zwei Prozent, wobei die Unsicherheit – wie auch in der Pressekonferenz betont – zunimmt. Höhere Staatsausgaben könnten den neutralen Zins nach oben treiben, sollten sie sich materialisieren.
• Was das Tempo betrifft, halten wir es für wahrscheinlicher, dass die EZB von Zinssenkungen bei jeder Sitzung zu vierteljährlichen Schritten übergeht. Präsidentin Lagarde betonte die Bedeutung der Daten bis zur April-Sitzung, wobei bis dahin kaum wichtige Veröffentlichungen anstehen. Aufschlussreicher dürften Ankündigungen zu Zöllen und Fiskalpolitik sein.
• Dieser Zinssenkungszyklus unterscheidet sich deutlich von früheren – wie wir seit langem betonen. In den vergangenen Jahren wurde die Wirtschaft von mehreren angebotsseitigen Schocks getroffen. Mögliche Zölle könnten einen weiteren darstellen. Allerdings könnte die Erhöhung der Verteidigungsausgaben in Europa die Nachfrage spürbar steigern. Nach den Wahlen lockert auch Deutschland seine Haltung zu Schulden und Ausgaben. Diese erwartete, aber in Tempo und Umfang positiv überraschende Entwicklung, könnte einen Regimewechsel einleiten. Daher erwarten wir nicht, dass die europäische Inflation wie vor der Pandemie dauerhaft unter dem Zwei-Prozent-Ziel liegt.
• Die Markterwartungen decken sich mit unseren Prognosen. Wie die Märkte, rechnen auch wir damit, dass die EZB die Zinsen auf zwei Prozent senkt. Die Aussicht auf steigende Staatsausgaben belastete diese Woche die langfristigen Staatsanleihen der Eurozone. Kürzlich haben wir unsere Einschätzung gegenüber europäischen Aktien auf neutral angehoben, da wir Impulse für eine Verringerung der Risikoprämien und ausgewogenere Wachstumsaussichten sehen.
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