An den Finanzmärkten wächst die Furcht vor einer neuerlichen Staatspleite Argentiniens, falls der linke Oppositionskandidat Alberto Fernández neuer Staatspräsident werden sollte. Wir senden Ihnen einen aktuellen Kommentar von Trevor Holder, Fondsmanager im Anleiheteam von Newton IM, einer Gesellschaft von BNY Mellon Investment Management:
„In der aktuellen Krisensituation hat Argentinien vier Handlungsoptionen:
1. Nach der teilweisen Erholung des argentinischen Peso (ARS), der zunächst um 26% gefallen war, könnte die Währung freigegeben werden. Das allerdings birgt das Risiko extremer Marktreaktionen sowie einer inflationären Entwicklung, die den jetzigen argentinischen Präsidenten Macri weiter unter Druck setzen und die Voraussetzungen des IWF-Programms hinsichtlich der Währungs- und Preisstabilität im Land aushöhlen würde.
2. Alternativ könnte Argentinien die Zinssätze erhöhen – aber der Leitzins Leliq liegt jetzt schon bei rund 74%. Eine Zinserhöhung ist in einer ausgewachsenen Währungskrise generell ein zu schwaches Mittel, und sie würde Argentinien in den kommenden Monaten nur noch weiter in die Rezession treiben.
3. Eine weitere Möglichkeit ist ein Eingriff in den Devisenmarkt, der helfen könnte, weitere Abwärtsbewegungen des Peso in den zwei Monaten vor den Wahlen zu begrenzen. Wenn jedoch 250 Mio. USD pro Tag in Interventionen fließen – die höchste im IWF-Programm zulässige Summe – würden nicht nur die Devisenreserven um rund 14 Mrd. USD abschmelzen, sondern auch drei Viertel der erst vor elf Monaten bewilligten IWF-Mittel verschwendet werden. Die Regierung könnte damit kaum noch ihren kurz- bis mittelfristigen Schuldenverpflichtungen in Hartwährung nachkommen. Ein Präsident Macri könnte sich vielleicht noch einmal an den IWF wenden, aber bei einem Sieg von Alberto Fernández würde der IWF sich wohl hüten, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen.
- Die letzte politische Option ist aus unserer Sicht die Einführung von Kapitalkontrollen, egal in welcher Form. Keine ideale Lösung, aber womöglich besser als die Verschwendung von Devisenreserven.
Die Devisenreserven belaufen sich auf 65 Mrd. USD. Aktuell reicht dies aus, um insgesamt 50 Mrd. USD in den nächsten drei Jahren an Kapital- und Zinsverpflichtungen in Hartwährung zu decken. Gleichzeitig muss der argentinische Staat dieses Jahr auf Peso lautende Schuldtitel im Gegenwert von 17,5 Mrd. USD bedienen, nächstes Jahr noch einmal im Wert von 15,4 Mrd. USD . Ein weiterer Verfall des Peso wie in den letzten Tagen ließe die Gesamtschuldenlast des Staates auf 100% des BIP steigen. Bei einigen Anleihen in Landeswährung könnte es zur Anpassung der Coupon-Zahlungen kommen – das hat Alberto Fernández bereits angedeutet. Anleger gehen von einem Wahlsieg des Oppositionskandidaten Fernández aus, was sich in den auf USD lautenden Anleihen widerspiegelt. Sie sollten jedoch die aktuelle Lage weiter beobachten, denn die neue Regierung könnte hinsichtlich ihrer Wirtschaftspolitik und Haltung gegenüber dem IWF deutlich konservativer sein als aktuell erwartet wird.“ www.fixed-income.org (Foto: Trevor Holder, Newton IM)