Der deutsche Anleihenmarkt schloss das Kalenderjahr 2013 gemessen am Staatsanleihenindex Merrill Lynch Deutschland 1–10 Jahre mit einer unbefriedigenden Performance von -0,92% ab. Was zunächst unspektakulär klingt, ist in Wahrheit ein äußerst seltenes Ereignis. Seit 1990 gab es nur drei Jahre – 1994, 1999 und 2013 –, in denen Anleger einen negativen Gesamtertrag verkraften mussten. Die meisten Marktteilnehmer gingen Ende 2013 noch davon aus, dass auch 2014 von steigenden Zinsen geprägt sein wird und damit die Ertragschancen deutscher Bundesanleihen gering sein werden. Die Gründe für diese Prognosen lagen auf der Hand. Zum einen zeigte die Entwicklung der Konjunkturindikatoren diesseits, aber auch jenseits des Atlantiks eine starke Wirtschaftsbelebung an. So wiesen zum Beispiel der deutsche IFO- und auch der ZEW-Index sowie die PMIs eine klare Aufwärtstendenz auf. Zum anderen sprach der Start des Taperings der US-Notenbank Fed dafür, dass die fiskalpolitische Unterstützung für den Anleihenmarkt allmählich nachlassen sollte und ausgehend von den USA auch in Europa eine nachhaltige Zinswende in Gang gesetzt wird.
Doch es kam anders. Der Ertrag deutscher Bundesanleihen betrug in den ersten vier Monaten dieses Jahres 2,00% und übertraf damit die meisten Prognosen deutlich. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen lag Ende April mit 1,47% so tief wie zuletzt im Juni 2013. Die Gründe für diese Marktbewegung waren vielschichtig. Zunächst schwappte im Zuge der Schwellenländerkrise zu Jahresbeginn eine Flutwelle in den sicheren Hafen deutscher Bundesanleihen. Anschließend verursachten die aufkommenden Spannungen in der Ukraine zusätzlich Safe–Haven-Flows. Gleichzeitig vollzogen die wichtigsten öffentlichen Konjunkturindikatoren eine Kehrtwende und entfernten sich von den erreichten Höchstständen. Zu guter Letzt eröffnete die EZB die Diskussion um ein potenzielles Anleihenkaufprogramm und schuf damit zusätzliches Aufwärtspotenzial.
Und nun? Sollte der deutsche Anleihenmarkt im weiteren Verlauf dieses Jahres gemieden werden, weil erneut negative Erträge zu erwarten sind, oder setzt sich der Trend fort, sodass 2014 wider Erwarten ein gutes Anleihenjahr wird?
Um diese Frage zu beantworten, empfiehlt sich ein Blick auf die künftige Entwicklung der Konjunkturdynamik. Im 1. Quartal 2014 waren die Trends sowohl vom IFO- als auch vom ZEW-Index und von den PMIs nach unten gerichtet. Fallende Renditen waren deshalb eine völlig nachvollziehbare Reaktion darauf. Ursache war hauptsächlich die geopolitische Entwicklung in den vergangenen Monaten. Unsere eigenen Frühindikatoren, die einen großen Vorlauf vor den offiziellen Marktdaten besitzen, kündigen bereits seit geraumer Zeit eine erhöhte Chance für eine bevorstehende Konjunkturdelle und damit verbunden schwache Konjunkturdaten an. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass IFO, ZEW und PMI bereits zyklische Höchststände markiert haben. Behalten unsere Indikatoren recht, wird in den kommenden Monaten deshalb ein zentrales Argument für steigende Renditen fehlen.
Darüber hinaus hat die EZB in ihrer jüngsten Sitzung mit einem deflationskritischeren Ton sehr deutlich gemacht, dass auch „unkonventionelle Maßnahmen ergriffen werden, um dem Risiko einer langen Phase niedriger Inflation entgegenzutreten“. Das bedeutet, dass ausgehend vom kurzen Ende der Zinsstrukturkurve kaum mit Renditeaufwärtsdruck zu rechnen ist. Denn selbst wenn es die EZB bei verbalen Bekundungen belässt, wird die unverändert lockere Geldpolitik kurz laufende Bundesanleihen unterstützen.
Hinzu kommt, dass zum Beispiel eine neuerliche Eskalation im Ukrainekonflikt nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Deutsche Staatsanleihen dürften generell bei überraschenden Ereignissen erneut der sichere Hafen für viele Anleger sein.
Aber auch technische Faktoren sprechen gegen einen nachhaltigen Zinsanstieg. So haben sich die Renditen für 5-Jährige Bundesanleihen von Februar bis März innerhalb einer Bandbreite von 0,73% bis 0,55% bewegt. Diese Konsolidierung hat sich auf dem Wochenchart zu einer trendbestätigenden Flagge entwickelt, die sich üblicherweise in einer anschließenden Renditeabwärtsbewegung auflöst. Gleichzeitig wurde während dieser Seitwärtsphase die nach der Hausse im Januar kurzfristig überkaufte Situation am Anleihenmarkt abgebaut.
Unter dem Strich ergibt sich ein positiver Ausblick: Das Zeitfenster für steigende Renditen deutscher Bundesanleihen ist derzeit maximal auf eine technische Gegenreaktion der öffentlichen Konjunkturindikatoren in den kommenden Wochen begrenzt, ehe sich das Konjunkturbild wieder eintrübt. 2014 dürfte deshalb keine Wiederholung von 2013 werden. Auch wenn die Ertragschancen nicht übermäßig groß sind, sprechen doch einige Faktoren für eine strategische Investition in deutschen Staatsanleihen. Sollten beispielsweise risikobehaftete Anlagen unter starken Abgabedruck kommen, dürften deutsche Staatsanleihen wieder einmal die bevorzugte Assetklasse sein. Unserer Ansicht nach ist das Chance-Risiko-Verhältnis insgesamt asymmetrisch: Im besten Fall sind die Ertragschancen durch eine Investition in Bundesanleihen hoch, im schlimmsten Fall sind die Risiken dabei aber überschaubar.
Markus Tischer, Senior Quantitative Analyse & Portfolio Manager, Bantleon
www.fixed-income.org
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