In den letzten zehn Jahren bewegten wir uns in einem Umfeld niedriger oder sogar negativer Zinsen. Die einzige Möglichkeit, positive Renditen zu erzielen, bestand darin, höhere Risiken einzugehen und Aktien gegenüber festverzinslichen Anlageklassen zu bevorzugen. Eines der Hauptargumente für Investitionen in die Aktienmärkte war das bekannte Motto „There is no alternative“ (TINA). Aufgrund höherer Zinsen und der Inflation sind die Carry-Möglichkeiten in letzter Zeit auf ein Niveau gestiegen, das wir seit Jahren nicht mehr gesehen haben – insbesondere im Vergleich zu den Dividendenrenditen von Aktien. Der Markt für festverzinsliche Wertpapiere wird im Vergleich zu Aktien wieder wettbewerbsfähiger, weshalb wir vor allem im Kreditsegment steigende Mittelzuflüsse beobachten.
Chancen im High-Yield-Segment
Aufgrund der ungewöhnlichen Kombination aus steigenden Zinsen und sich ausweitenden Spreads war 2022 eines der schlechtesten Jahre für die Finanzmärkte. Im Vergleich zu Investment-Grade-Anleihen oder Staatsanleihen hat sich der High-Yield-Markt im Rückgang aufgrund seiner strukturell geringeren Duration und Sensitivität gegenüber Zinsschwankungen als etwas widerstandsfähiger erwiesen. Mit Blick auf 2023 gehen wir davon aus, dass geringere Wachstumssorgen die im Jahr 2022 vorherrschenden Themen Inflation, Zentralbanken und Zinsen langsam verdrängen werden. Ein linearer Aufschwung erscheint in diesem Stadium unwahrscheinlich. Die Volatilität dürfte anhalten, solange die Folgen des massiven und unerwarteten Zinserhöhungszyklus für die Realwirtschaft nicht absehbar sind.
Einen gewissen Schutz gegen die Volatilität der Spreads bietet der „Carry“ des High-Yield-Marktes (Renditen (in €-Äquivalent) von über 7% in Europa und den USA). Daher könnte es sinnvoll sein, durch High Yield ein gewisses Risiko beizumischen, um die Carry-Strategie zu maximieren. Darüber hinaus erwarten wir nur einen moderaten Anstieg der Ausfallraten, da die Unternehmensbilanzen nach wie vor gesund sind und der Refinanzierungsbedarf auf kurze Sicht begrenzt bleibt. Wir rechnen jedoch mit zunehmender Dispersion nach Ratings und Sektoren sowie mit einem Wiederaufleben idiosynkratischer Entwicklungen. Dies bedeutet, dass die Auswahl von Anleihen und Krediten entscheidend sein wird.
Die Aussichten für eine weiche Landung der Wirtschaft sind nach wie vor begrenzt. Wir bevorzugen daher weiterhin Anleihen mit BB-Rating und einige Titel mit B-Rating, die hohe Kupons und ein begrenztes kurzfristiges Refinanzierungsrisiko aufweisen. Wir sehen im Bankensektor qualitativ gute Emittenten, da die risikobereinigten Renditeprämien derzeit attraktiver sind als bei Unternehmen mit einem gleichwertigen Rating. Bei zyklischen Titeln und Titeln mit hohem Fremdkapitalanteil, die bei einer drastischen Verschärfung der Finanzierungsbedingungen und einem möglichen Wirtschaftsabschwung weniger Handlungsspielraum haben, bleiben wir sehr vorsichtig.
Davon ausgehend, dass die wichtigsten Zentralbanken die Zinsen weiterhin hoch halten werden, könnte die normalisierte Bewertung des risikofreien Zinssatzes die Multi-Asset-Investoren dazu veranlassen, sich noch stärker auf die Anlageklasse der festverzinslichen Wertpapiere zu konzentrieren. Es könnte zu einer strukturellen Verschiebung der Asset Allocation kommen, bei der die Anleger weniger Risiko eingehen und interessante Carry-Niveaus sichern, ohne sich in der Kapitalstruktur nach unten zu bewegen.
Mögliches Risiko
Die nächste wichtige Fälligkeitsgrenze für High-Yield-Anleihen kommt 2025. Sollten die Zentralbanken die Zinsen noch stärker anheben als bisher erwartet, bestünde die Hauptsorge im Kreditsegment darin, dass hoch fremdfinanzierte Titel in den nächsten 18-24 Monaten den Großteil ihrer Schuldenstruktur refinanzieren müssten. Dies könnte zu einem potenziellen Herabstufungszyklus führen und die Ausfallquote noch weiter in die Höhe treiben. Wir gehen jedoch davon aus, dass der Anstieg der Ausfallraten auf dem Leveraged-Loan-Markt aufgrund der variabel verzinsten Anleihenstruktur deutlich stärker ausfallen wird als auf dem High-Yield-Markt.
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Foto: Victoire Dubrujeaud © La Française AM
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