Die demographische Entwicklung ist in Emerging Markets deutlich besser alsin entwickelten Industriestaaten. Zudem ist die Staatsverschuldung in den Schwellenländern im Durchschnitt um 40% niedriger. Rob Drijkoningen, Head of Global Emerging Markets bei ING Investment Management, setzt zurzeit auf Anleihen in türkischer Lira, mexikanischem Peso, brasilianischem Real und polnischen Zloty. Bei Hartwährungsanleihen hält er größere Positionen in Argentinien und Russland.
BONDBOOK: In den vergangenen Jahren haben Anleger in Schwellenländern meistens mehr verdient als in etablierten Märkten. Heuer war der Börsenboom in Ländern wie Brasilien oder Indien besonders spektakulär. Sind die Märkte nicht schon ziemlich heißgelaufen?
Drijkoningen: Viele Investoren gehen jetzt von einer V-förmigen Erholung aus. Das Problem ist: Wir haben bei der Arbeitslosenrate noch längst nicht den Höhepunkt erreicht. Ich bin deshalb in den nächsten Monaten eher vorsichtig, es könnte auch einmal Rückschläge geben. Das gilt auch für die Schwellenländer, obwohl ich langfristig durchaus optimistisch bleibe. Die Emerging Markets stehen jetzt wesentlich stabiler da als in der Krise von 1998.
BONDBOOK: Was spricht für ein Investment in Schwellenländern?
Drijkoningen: Die Demographie ist dort deutlich besser, Schwellenländer haben einen deutlich höheren Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren als reifere Industriestaaten. Das führt zu einem klar höheren Wachstumspotenzial in den Emerging Markets. Außerdem liegen die Staatsschulden in den Schwellenländern mit durchschnittlich weniger als 40% weit unter dem Verschuldungsgrad entwickelter Staaten. Das spricht auch für ein Investment in Schwellenland-Anleihen.
BONDBOOK: Man kann Schwellenland-Anleihen in Hartwährungen wie Dollar oder Euro kaufen, in letzter Zeit werden aber auch Papiere in lokalen Währungen wie dem brasilianischen Real populärer. Wenn man jetzt 10.000 Euro in Schwellenland-Anleihen investieren möchte, welches Verhältnis würden Sie empfehlen?
Drijkoningen: Zwei Drittel Lokalwährungen, ein Drittel Hartwährungen.
BONDBOOK: Ist das kurzfristig gedacht oder eine langfristige Strategie?
Drijkoningen: Langfristig wäre ein Verhältnis von 60 zu 40 sinnvoll. Weil derzeit generell eine erhöhte Gefahr von Kursrückschlägen besteht, würde ich lokale Währungen etwas stärker gewichten.
BONDBOOK: Hartwährungspapiere stiegen aber zuletzt deutlich stärker.
Drijkoningen: Völlig richtig, sie gewinnen in einer Erholungsphase wie in diesem Jahr viel stärker, aber haben dafür auch ein höheres Risiko.
BONDBOOK: Heißt das, Lokalwährungsanleihenfonds sind im Schnitt sicherer?
Drijkoningen: Ja. Lokalwährungsfonds weisen eine gleichmäßigere Entwicklung auf, weil die Entwicklungen in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich verlaufen. Grundsätzlich gilt: Wenn der generelle Risikoappetit der Investoren steigt, entwickeln sich Hartwährungsfonds besser – wenn er fällt, entwickeln sich Lokalwährungsvarianten entsprechend.
BONDBOOK: Bei Fonds überwiegen aber Hartwährungsvarianten noch bei Weitem.
Drijkoningen: Das ist so nicht korrekt. International gesehen finden die stärksten Mittelzuflüsse in Lokalwährungsfonds statt.
BONDBOOK: Wie hoch sind aktuell die Renditen im ING-Lokalwährungsfonds?
Drijkoningen: Durchschnittlich bei rund 6%, aber es gibt eine große Bandbreite. In Singapur sind es 2%, in der Türkei 12%.
BONDBOOK: Welche Länder sind derzeit Ihre Favoriten für Anleihen?
Drijkoningen: Auf der Lokalwährungsseite die türkische Lira, der mexikanische Peso, der brasilianische Real und der polnische Zloty. Bei Hartwährungsanleihen halten wir größere Positionen in Argentinien und Russland.
BONDBOOK: Viele Schwellenlandwährungen hängen vom Dollar ab. Ist das nicht ein großes Risiko für Euro-Anleger?
Drijkoningen: In der Tat bedingt der Dollar etwa die Hälfte der Kursentwicklung. Die andere Hälfte ist schon Euro-Risiko. Mit einer 50%-Absicherung USD/Euro kann dieses Risiko ausgeglichen werden. Wer auf den weiteren Aufstieg der Schwellenland-Währungen setzt, investiert so besonders konzentriert in diese Entwicklung.
BONDBOOK: Viele Anleger befürchten einen Anstieg der Inflation mit steigenden Zinsen und dementsprechenden Kursverlusten in Anleihendepots. Wären Schwellenländer-Bonds ebenso betroffen?
Drijkoningen: Die Papiere werden einen gewissen Schutz bieten, weil es von Land zu Land unterschiedliche Zinsentwicklungen geben wird. Die Schwellenländer werden sich aber nicht entkoppeln können, vor allem langfristige Anleihen sind deshalb bei einem Anspringen der Inflation gefährdet. Wir haben jedenfalls bereits die Laufzeiten in unseren Fonds verkürzt.
Das Interview führte Robert Cleve.
„Die Demographie ist in den Schwellenländern deutlich besser als in den reifen Industriestaaten“
fixed-income.org
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