Vor ein paar Tagen erwähnte ein erfahrener aber eben auch bereits älterer Börsianer im Rahmen einer Telefonkonferenz “wir müssten mal über Tokenisierung reden, aber bitte nicht über Zoom oder MS-Teams”. Denn die älteren Jahrgänge haben hier gelegentlich noch Handling Probleme. Die Schmunzler hatte er natürlich auf seiner Seite, aber inhaltlich hat er natürlich recht. Das Thema ist zwar neu und ungewohnt, aber es kommt immer mehr in den Fokus der Marktteilnehmer. Was genau verbirgt sich nun dahinter.
Unter dem Wort „Tokenisierung“ im Kontext von Finanzmärkten und insbesondere Wertpapieren, wird eine digitale Abbildung von Eigentumsrechten an Vermögenswerten bezeichnet, wobei die Blockchain als dezentrale Datenbank zur Dokumentation und Ausführung von Transaktionen genutzt wird.
Im Gegensatz zu den äußerst spekulativen Kryptowährungen, NFTs oder Utility-Tokens, die genauso zu den digitalen Assets zählen, sind tokenisierte Wertpapiere voll-reguliert und gewinnen bei institutionellen Investoren immer weiter an Relevanz.
Bereits 2019 war bei Forbes zu lesen, dass von den 100 größten Banken der Welt 39 an der Tokenisierung von Wertpapieren oder anderweitige Blockchain-Anwendungen arbeiteten. Von den zehn größten waren es sogar sieben.
Seit 2019 hat sich die Dynamik um die Tokenisierung nochmals deutlich gesteigert und Branchen-Experten wie Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Centers, sind sich einer erfolgreichen Zukunft der Tokenisierung sicher - “Schließlich wird in einigen Jahren jede Aktie, jeder Genussschein und generell jedes Wertpapier auf einem Blockchain-System laufen und damit zu einem Security Token werden“.
Die Gründe für diese rasanten Entwicklungen sind die eindeutigen Vorteile der Tokenisierung, wie z.B. deutlich geringe Kosten für die Primärmarktemission und Kosteneinsparung während der Laufzeit des Wertpapieres, durch geringe oder völlig obsolete Verwahrungskosten.
Besonders interessant wird diese neuartige Finanzierungsmöglichkeit für den typischen Mittelständer. Ein kleiner Blick auf die Zahlen, verrät viel über die Attraktivität der heutigen Finanzinfrastruktur und der traditionellen Möglichkeit fungible Wertpapiere zu emittieren. So waren im Jahr 2020 nur knapp 438 Unternehmen in Deutschland an der Börse gelistet. Damit ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von 32 börsennotierte Unternehmen zu verzeichnen – also ein prozentualer Rückgang von rund sieben Prozent innerhalb eines Jahres. Das Jahr 2020 ist dabei keinesfalls eine Ausnahme. Seit 2007 ist ein rückläufiger Trend an der Börse in Deutschland zu beobachten. Vor 15 Jahre lag die Zahl der börsennotierten Unternehmen in Deutschland noch bei 761.
Im Jahr 2019 gab es in Deutschland rund 3,29 Millionen steuerpflichtige Unternehmen mit jährlichen Lieferungen und Leistungen über 17.500 Euro. Fungible Investments sind damit also nur in 0,013 % der deutschen Unternehmen möglich. Dies ist das Resultat eines ineffizienten Kapitalmarktes, mit immensen Eintrittsbarrieren.
An dieser Stelle könnte zukünftig die Tokenisierung von Wertpapieren ihr volles Potential entfalten. Die Emission von tokenisierten Wertpapieren ist nicht nur börsennotierten Unternehmen vorbehalten, sondern für jegliche Unternehmen möglich. Das ist insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen vorteilhaft, die mehr als 99Prozent der deutschen Firmenlandschaft ausmachen.
Bei der Umsetzung der Tokenisierung stehen verschiedene Finanzvehikel zur Auswahl wie z.B. festverzinsliche Wertpapiere oder auch Eigenkapitalinstrumente wie Namensaktien und Genussrechte.
Beispiele für die erfolgreich umgesetzte tokenisierte Finanzierungen gibt es in Deutschland bereits einige. Mit der tokenbasierten Anleihe (ISIN DE000A2YN3P0) warb die Restaurantkette FR L’Osteria SE bereits 2019 2,3 Millionen Euro bei mehr als 1.300 Anlegern ein, um ihr Filialnetz um drei weitere Restaurants zu ergänzen. Die Anleihe ist mit einem jährlichen Zinskupon von 6,25% ausgestattet, der vierteljährlich ausgezahlt wird und ist ein Praxisbeispiel einer erfolgreichen tokenisierten Wachstumsfinanzierung des deutschen Mittelstandes. Ein gutes Beispiel dafür, wie Kunden zu Investoren werden können.
Das wohl bekannteste Beispiel für eine erfolgreiche tokenisierte Finanzierung ist die Tomorrow Bank. Gleich zweimal hat die Neobank sich innerhalb weniger Stunden mehre Millionen an frisches Kapital über ein tokenisiertes Genussrecht gesichert. 2020 kamen innerhalb von nur 300 Minuten drei Millionen Euro zusammen. Das Durchschnittsinvestment lag damalig bei 1.500 Euro. Im Oktober des letzten Jahres legten sie dann nach und sammelten innerhalb von 24 Stunden acht Millionen Euro, von mehr als 6.000 Investoren, ein. Interessant auch die Struktur des Genussrechtes. So wurden durch die Tokens Anteile am Stammkapital der Emittentin wirtschaftlich nachgebildet, um virtuelle Gewinn- und Exitbeteiligungen an der GmbH zu erschaffen. Sprich, Anlegern wurde es ermöglicht sich unmittelbar über ein fungibles Vehikel am Gewinn- und Wertsteigerungspotential zu beteiligen und das Alles, ohne die Aufwände und Kosten zu einer Umfirmierung zu einer Aktiengesellschaft und einem Börsengang.
Es ist heute wichtig, sich auf Morgen vorzubereiten. Wir denken, dass Tokenisierung und Blockchain ein Zukunftsprojekt sind, was heute schon für den Mittelstand hervorzuheben ist. Wenn kleine und mittlere Unternehmen ihre ersten guten Erfahrungen mit dem neuen System gemacht haben, werden weitere auf den Zug aufspringen.
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Foto: Patrick Schütze © neoFIN GmbH
Eine Zukunft: Tokenisierte Finanzmärkte
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