Spätestens seit der Ära Greenspan bestand die Politik der Zentralbanken darin, bei jeder Krise die Märkte mit billigem Geld zu fluten. Früher wurde dies über den Preis für Geld – den Zins – dargestellt. Nachdem dieser aber so weit gefallen war, dass Veränderungen keine realwirtschaftlichen Wirkungen mehr entfalten konnten, wird seit der Finanzkrise versucht, über die Menge des zur Verfügung gestellten Geldes realwirtschaftliche Effekte zu erzielen.
Betrachten wir zunächst Japan. Nullzinsniveaus und massive Konjunkturprogramme der Regierung haben nicht etwa zu einer Belebung der Wirtschaft geführt, sondern Deflation und Rezession als Normalzustand über Jahrzehnte zementiert. Die Folge war ein Anstieg der Staatsverschuldung auf über 250 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).
In den USA und Großbritannien wurden nach Zinssenkungen über sogenannte QE-Programme (Quantitative Easing) versucht, langfristige Zinsen zu deckeln und somit die Wirtschaft anzukurbeln. Fakt ist jedoch, dass die USA seit 30 Jahren in der Tendenz fallende Wachstumsraten aufweisen.
Nun kommt aktuell auch die EZB auf den Geschmack. Sie senkt den ohnehin schon kaum vorhandenen „Leitzins“ von 0,25 Prozent auf 0,15 Prozent und verheißt weitere expansive Maßnahmen mit dem Ziel, die Inflation anzukurbeln und den „zu starken Euro“ zu drücken! Was ist so schlimm an einer Inflationsrate (Mai) von 0,5 Prozent in Europa und 0,7 Prozent in Deutschland, wenn diese vor allem aus notwendigen Preisanpassungen in den Peripherieländern und stagnierenden bis fallenden Rohstoffpreisen resultiert? Beides stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und beides ist durch die EZB nicht primär zu beeinflussen, vor allem nicht die weltweiten Rohstoffpreise. Auch der angeblich so starke Euro ist aus unserer Sicht nicht zu sehen. Dieser wurde am 01.01.1999 zu einem Kurs von 1,1747 zum US-Dollar eingeführt, fiel dann zunächst auf 0,82, um dann auf knapp 1,60 zu steigen. Aktuell steht er auf seinem langfristigen Durchschnittskurs von 1,36. Der Verdacht drängt sich auf, dass hinter dieser Aussage des EZB-Chefs Mario Draghi eher der politische Druck der notorischen Abwertungsländer Frankreich und Italien steckt, um dort die Exportindustrie zu unterstützen.
Starker Euro ist gut
Ein starker Euro wäre jedoch gut, denn er erhöht das Wohlstandsniveau der Bevölkerung, indem diese mit einer Währungseinheit mehr Waren in der Welt einkaufen kann, als mit einer an Wert verlierenden Währung. Man denke nur an die Benzinpreise - wenn der Euro bei 1,22 zum Dollar stünde, müsste man wohl rund zehn Prozent mehr bezahlen. Außerdem wundert man sich ohnedies schon, dass sich die Politiker in Frankreich jetzt plötzlich um die Unternehmen sorgen, nachdem sie in nahezu jeder Frage eine investitionsfeindliche Politik an den Tag legen. Unternehmen, die lediglich aufgrund einer schwachen Währung ihre internationale Wettbewerbsposition behaupten können, sind früher oder später ohnehin vom Konkurs bedroht. Aber auch für Unternehmen bietet eine starke Währung Vorteile. Man betrachte, dass über 87 Prozent der größten deutschen Familienunternehmen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Vorleistungsgüter aus dem Ausland beziehen. Eine starke Währung sorgt hier für günstige Einkaufseffekte.
Niedrige Realzinsen bremsen die Wirtschaft – neue Erkenntnis?
Ziel der „Geldhüter“ ist es auf jeden Fall die Renditen zu drücken und die Inflation anzukurbeln, in der Hoffnung, dass dadurch die Wirtschaft wächst. Das senkt den Realzins (Rendite ./. Inflation). Niedrige Realzinsen gehen aber historisch betrachtet immer mit niedrigem Wirtschaftswachstum einher. Doch genau das wollen die Zentralbanken und Regierungen aber ankurbeln! Warum funktioniert das nicht?
Finanzmärkte funktionieren anders als realwirtschaftliche Märkte. Bei letzteren regeln Angebot und Nachfrage den Preis (solange der Staat nicht die Finger im Spiel hat). Angebot und Nachfrage gleichen sich über den Preis aus, bis der Markt geräumt ist. D.h. sinkt der Preis zieht die Nachfrage an.
Diesen Mechanismus versuchen die Notenbanken auch auf den Finanzmärkten anzuwenden. Man senkt den Preis für Geld und hofft, dass Konsumenten und Unternehmen sich günstig verschulden und das Kapital investieren. Bei Kapitalanlegern geht man davon aus, dass diese ihr Geld bei Niedrigstzinsen nicht mehr auf dem Sparbuch parken, sondern konsumieren und investieren.
Das Gegenteil ist jedoch der Fall! Unternehmen halten sich mit Investitionen aufgrund der unsicheren politischen Lage zurück. Es herrscht ja auch kein Zeitdruck. Eine Variante der Zentralbankpolitik ist geradezu die Zusicherung einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase. Warum also heute investieren, wenn es weiter günstig bleibt und die Finanzierungskosten in der Zukunft sogar noch günstiger werden. Im Übrigen: Investitionen, die sich nur aufgrund der niedrigen Finanzierungskosten rechnen, sollte man unterlassen – drittes Semester BWL.
Niedrige Zinsen und Unsicherheit verstärken Sparanstrengungen
Auch Privatanleger halten sich zurück. Zwar verzeichnen wir in Deutschland aktuell einen Run auf Immobilien. Doch dieser wird abebben, sobald sich sukzessive die Erkenntnis durchsetzt, dass die Mietrenditen unter Berücksichtigung aller Aspekte (steigende Kaufpreise, steigende Nebenkosten, Ärger und Zeit, finanzielle Repression) niedriger werden und dass bei dauerhaft niedrigen Zinsen kein Zeitdruck vorherrscht. Gleichfalls entspricht die Fiktion, dass sich Sparen - auch im Hinblick auf die Altersvorsorge - nicht mehr lohne und die Leute mehr kaufen, in den meisten Ländern nicht der historischen Realität. Im Gegenteil, niedrige Zinsen verstärken den Druck mehr zu sparen und weniger zu konsumieren, da durch niedrigere Zinsen die Sparrate erhöht werden muss, um das gleiche Sparziel zu erreichen. Viele Menschen treffen solche Entscheidungen natürlich nicht rational sondern unbewusst, aber das Gefühl stimmt meistens.
Auf den Punkt gebracht: Es herrscht Unsicherheit, deshalb sind die Zinsen tief, das fördert die Zukunftsangst, deshalb wird mehr gespart und weniger ausgegeben, das bremst die Wirtschaft, was zu Arbeitsplatzangst führt, was zu Gelddrucken der Notenbanken und Verschuldung der Staaten führt, was wieder zu Unsicherheit führt, etc. etc. – ein Teufelskreis.
Fazit
Die Notenbanken sollten eine unkonventionelle, dialektische Politik verfolgen, die natürlich nicht in den Lehrbüchern steht: Zinsen nicht mehr senken, langfristige Renditen dem Marktzyklus überlassen, beziehungsweise an höheren Renditen interessiert sein. Dadurch würde die Zinsstrukturkurve steiler, die Banken hätten höhere Margen durch die Fristentransformation und dadurch ein hohes Interesse Kredite zu vergeben. Unternehmen könnten nicht automatisch von weiter sinkenden Kreditkonditionen ausgehen und realisierten geplante oder sinnvolle Investitionsentscheidungen - quasi bevor es noch teurer würde. Staaten verhielten sich disziplinierter in ihrer Schuldenpolitik, da die höheren Zinsen eine Belastung darstellten. Niedrigere Staatsquoten wären die Folge, somit mehr Anteil der Privatwirtschaft an der Wirtschaftsleistung und mithin eine höhere Dynamik. Privatanleger erzielten wieder Rendite mit ihren Anlagen und Lebensversicherungen, dadurch herrschte weniger Unsicherheit bezüglich der Zukunft, Sparraten könnten gesenkt werden und es bliebe mehr Geld für Konsum übrig. Das ist doch genau das, was die Notenbanken wollen. Warum sie das nicht tun, bleibt für uns ein Rätsel!
www.fixed-income.org
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Veranstaltungshinweise:
Unternehmer-Workshop „Anleihen als Finanzierungsalternative für Immobilienunternehmen“
3. Juli 2014, Hotel Jumeirah, Frankfurt
www.bond-conference.com
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EZB mangelt es an dialektischem Denken, Markteinschätzung vom Asset Management der GECAM AG
fixed-income.org
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