Das Jahr 2021 war durchaus volatil für die Wertentwicklungen von Vermögensanlagen, bedingt durch ein inflationäres Marktumfeld. Rohstoffe, Aktien und Hochzinsanleihen sind gestiegen – aber Investment-Grade und Staatsanleihen gesunken. Doch was bewegt Anleihen wirklich? Eine Bulle-versus-Bär-Analyse aus drei Blickwinkeln:
Makroökonomie
Bullisches Szenario:
Aufgrund der Covid-19-Impfungen rechnen Wirtschaftsexperten mit einer synchron verlaufenden globalen Erholung, inklusive Nachholbedarf von Verbrauchern, die ihre Ausgaben, etwa für Reisen, aufgrund der Lockdowns zurückgehalten haben. Auf jeden Fall: Regierungen werden besser darin, gezielte Lockdowns zu verhängen, die den wirtschaftlichen Schaden verringern. Außerdem scheinen die weltweiten Fallzahlen rückläufig zu sein.
Die Fiskal- und Geldpolitik ist überaus unterstützend. Als fiskalisches Beispiel: Die US-Bundesregierung plant, 2,3 Mrd. $ in die Infrastruktur zu investieren. Und als geldpolitisches Beispiel sind die Ankäufe der Europäischen Zentralbank von Vermögenswerten zu nennen.
Es sollte möglich sein, die Inflation einzudämmen – es sei denn, die globale Nachfrage schnellt in die Höhe, was angesichts der Flaute auf den Arbeitsmärkten möglich wäre. So sind die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA zwar auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Pandemie gefallen, aber immer noch höher als vor der Pandemie.
Bärisches Szenario:
Untersuchungen von The Economist legen nahe, dass die tatsächliche weltweite Covid-19-Todesrate viermal (oder noch höher) über offiziellen Angaben liegen könnte. Zukünftig gibt es besorgniserregende Varianten, die die Zahl der Todesfälle erhöhen und die Weltwirtschaft beeinträchtigen könnten, wie die indische Variante B1.617.2. Selbst dort, wo die Impfungen gut vorankommen, geraten sie in einigen Fällen ins Stocken – entweder weil die restliche Bevölkerung nicht mitzieht oder weil die Impfdosen nicht verfügbar sind. In jedem Fall sind große Teile der Weltbevölkerung noch nicht geimpft.
Auch die Inflation stimmt bedenklich. Es besteht das Risiko einer Stagflation: geringes Wirtschaftswachstum, verknüpft mit Inflation. Letztendlich gab es schon vor Covid-19 Wachstum-Bedenken. Zudem sind die Preise gestiegen: Wenn Mitarbeiter wieder in ihre Büros zurückkehren, werden sie beispielsweise feststellen, dass die Preise für Sandwiches erheblich gestiegen sind. Das kann daran liegen, dass die Einzelhändler versuchen, die verlorene Zeit wieder aufzuholen, weil ihre Betriebskosten höher sind oder aber auch ihre Produktionskapazität eingeschränkt ist.
Unternehmensbilanzen
Bullisches Szenario:
Vor dem Hintergrund der hohen Erwartungen für das Jahr 2021 fielen die Gewinne ziemlich stark aus. Von den 489 S&P 500-Unternehmen, die ihre Quartalsergebnisse für das erste Quartal 2021 bekannt gegeben haben, gab es zum Beispiel eine Gewinnüberraschung von insgesamt 23%. Insgesamt: Diese Unternehmen wiesen ein Gewinnwachstum von über 48 % im Jahresvergleich auf.
Die Unternehmensbilanzen sind im Allgemeinen in ordentlicher Verfassung. Der Nettoverschuldungsgrad bei Investment-Grade Anleihen liegt unterhalb des Werts aus der Zeit vor Covid-19. Obwohl der Verschuldungsgrad bei Hochzinsanleihen derzeit noch recht hoch ist, dürfte er aufgrund der Erwartungen eines starken Gewinnwachstums sinken. Wir erwarten, dass die Zinsdeckung der Unternehmen nahezu auf ein Rekordhoch ansteigen wird. Dies sollte ein Polster gegen steigende Zinsen bieten.
Die Ausfallraten von Unternehmen werden voraussichtlich auf einem niedrigen Niveau liegen. Laut Moody's dürfte die globale Ausfallrate für hochverzinsliche Anleihen im Dezember 2020 ihren Höchststand bei nur 6,8 % erreicht haben. In früheren Rezessionszyklen lag sie in der Regel zwischen 10 und 13 %.
Bärisches Szenario:
Die Ausfallraten sind aufgrund der umfangreichen Unterstützung durch die Zentralbank und die Regierung niedrig. Dieser Support muss aber irgendwann wieder auslaufen. Auf der Verbraucherseite sind die Ausfallquoten für Hypotheken zwar gering, aber das liegt an den Zahlungsaussetzungen und den Einnahmen aus zeitlich begrenzten Freistellungsprogrammen. In vielen verschiedenen Ländern wurden Anträge auf Zahlungserleichterungen gestellt, die von den Aufsichtsbehörden unterschiedlich stark unterstützt wurden. In jedem Fall werden die Zahlungserleichterungen und Zahlungspausen irgendwann auslaufen müssen. Dann wird das wahre Ausmaß der Zahlungsrückstände und -ausfälle sichtbar werden.
Die Rückzahlungsraten während der Covid-19-Krise waren niedrig. Laut der US-Statistik von Moody's liegt die Rate für Kredite und Anleihen bei 45 Cents pro Dollar, verglichen mit 59 Cents in 2008/2009. Bei reinen Krediten liegt die Rate bei knapp 50 Cents, verglichen mit 70 Cents in 2008/2009. Das liegt an Spezialkredit-Konstrukten, an den Unternehmensstrukturen und an der zugrundeliegenden Kapitalstruktur der Kredite – allerdings eine Mischung, die bisher zu weniger Ausfällen als erwartet geführt hat.
Exogene Einflussfaktoren
Bullisches Szenario:
Der immer stärker werdende Vorstoß in Richtung einer grünen Weltwirtschaft wird zugegebenermaßen Verlierer hervorbringen, da die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zurückgeht. Es wird aber auch Gewinner geben, da die Investitionen in saubere Energie wachsen. Die Internationale Energieagentur sagte im Mai, dass sich die Investitionen in saubere Energie bis 2030 mehr als verdreifachen müssen. Dies wird Millionen von neuen Arbeitsplätzen schaffen und das globale Wirtschaftswachstum ankurbeln. Viele Unternehmen werden auf der sicheren Seite der Regulierung stehen und in der Lage sein, von diesem Megatrend zu profitieren.
Wir glauben, dass die Wahrscheinlichkeit stark störender sozialer Unruhen in den Industrieländern aufgrund der hohen Einkommensungleichheit gering ist. Eine friedliche Umverteilung ist wahrscheinlicher, da das Bewusstsein für dieses Problem wächst.
Bärisches Szenario:
Manches spricht dafür, dass einige Märkte ziemlich übermütig werden. Dies ist oft ein Vorbote von Bärenmärkten. Der S&P Equity Risk Premium Total Return-Index, der die Renditespanne zwischen Aktien und langfristigen Staatsanleihen misst, ist beispielsweise auf dem höchsten Stand seit dem Jahr 2000, kurz vor dem Dotcom-Boom. Es gibt außerdem eine Flut an Kleinanlegern, die in Kryptowährungen investieren, was mehr auf einer Modeerscheinung als auf fundamentalen Überzeugungen zu beruhen scheint.
Das geopolitische Umfeld birgt Risiken. Dazu gehören Unruhen im Nahen Osten, Spannungen zwischen den USA und China sowie die anhaltenden politischen Auswirkungen des Brexit, der sezessionistische Tendenzen in Spanien und Schottland gefördert hat.
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Foto: Anna Chong © Federated Hermes
Federated Hermes - Was Anleihen antreibt: Bulle versus Bär
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