Andrea Iannelli ist Investment Director für Anleihen bei Fidelity International. Er erläutert, warum er aktuell taktische Anlagechancen bei italienischen und spanischen Staatsanleihen sieht.
„Im Juni kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) wie vom Markt erwartet die Beendigung ihrer quantitativen Lockerungen zum Jahresende an. Zudem wird sie ihre monatlichen Anleihenkäufe ab September um die Hälfte auf 15 Milliarden Euro halbieren.
Die für Anleger spannende Frage ist nun, wann die EZB mit Zinserhöhungen beginnt. Ein sich abschwächender Konjunkturausblick und eine klare Erwartungssteuerung der Währungshüter veranlassten die Märkte, nun erst im Dezember 2019 mit der ersten Zinsstraffung zu rechnen. Das entspricht auch unserer Erwartung.
Für Bundesanleihen fällt es schwer, einen rosigen Ausblick zu zeichnen. Denn die Renditen sind niedrig, gemessen an fundamentalen Bewertungskennzahlen wie etwa den nominalen BIP-Erwartungen. Aus unserer Sicht könnten daher höhere Renditen drohen, weshalb wir zu einer kurzen Duration raten. Allerdings dürften die steile Renditekurve und die schwelenden politischen Risiken in Italien einen möglichen Ausverkauf bei deutschen Bundesanleihen im Zaum halten.
An der Euro-Peripherie haben wir in der Schwächephase im zweiten Quartal aus taktischen Gründen unser Engagement bei italienischen Staatsanleihen verstärkt. An der Übergewichtung Spaniens halten wir fest. In Italien werden die Marktkräfte auch weiterhin stabilisierend wirken, holen sie doch die neue Regierungskoalition mit ihrer Politik der Extreme auf den Boden der Tatsachen zurück. Während die Märkte die Wahrscheinlichkeit für vorgezogene Neuwahlen wohl unterschätzen, haben sie eine Verschlechterung der Haushaltslage weitgehend in den Kursen italienischer Staatsanleihen eingepreist.
Im Investment-Grade-Segment ist die Verschuldungsrate leicht gesunken und sind die Zinsdeckungsquoten der Unternehmen hoch. Aber diese beiden Kennzahlen reagieren empfindlich auf die Wachstumsdynamik und dürften sich daher in der zweiten Jahreshälfte verschlechtern. Derweil könnte an den Kreditmärkten die Spätphase des Zyklus beginnen.
Alles in allem bleibt Europa unsere bevorzugte Region, wenn es um Anlagen in Unternehmensanleihen geht. Allerdings haben sich die für sie sprechenden Gründe umgekehrt: Denn nun schwächen sich die Fundamentaldaten der Unternehmen ab, während ihre Bewertungen attraktiver werden.“
http://www.fixed-income.org/
(Foto: Andrea Iannelli © Fidelity International)
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