Investoren scheuen häufig Finanztitel, wenn der Zinszyklus seinen Höhepunkt erreicht hat. Der Markt erwartet einhellig, dass die US-Notenbank auf ihrer heutigen Sitzung die Zinsen senkt. Dass niedrige Zinsen per se schlecht für den Sektor sind, denken wir nicht. Könnte letztlich das Gegenteil der Fall sein?
Da sich das globale Wirtschaftswachstum verlangsamt, war die Zentralbankpolitik in diesem Jahr zunehmend locker. Die Fed wird voraussichtlich die Zinsen senken, wodurch sich der europäische Staatsanleihemarkt Sorgen um negative Renditen machen wird. Diese Zinskulisse bedeutet für die Rentabilität der Banken nichts Gutes. Andererseits bietet der globale Finanzsektor weiterhin einige interessante Investmentmöglichkeiten – nicht nur trotz, sondern vor allem wegen der Zinsentwicklung.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das globale Finanzanlageuniversum weit über den Bankensektor hinausgeht. Die Palette ist breit und es gibt Teilsektoren wie etwa Versicherungen, Börsen, Zahlungsabwickler oder Unternehmen, die die Finanzdienstleistungsbranche unterstützen. Bei letzterem denken wir zum Beispiel an Cybersicherheit oder Datenanalyse. Diese Teilsektoren reagieren oft unterschiedlich auf die jeweiligen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und korrelieren entsprechend wenig miteinander.
Ein Diamant im Rohzustand
Im Gegensatz zum europäischen Bankensektor, der mit anhaltendem wirtschaftlichem Gegenwind konfrontiert ist, befinden sich die US-Banken in guter Verfassung. Die am 27. Juni vorgestellten Stresstests der Fed übertrafen die Erwartungen deutlich und ebneten den Weg für Aktienrückkäufe und Dividenden im Wert von 136 Milliarden US-Dollar – rund 10 Prozent ihrer gesamten Marktkapitalisierung. Die Stresstests bezogen zwölf inländische Banken und sechs Tochtergesellschaften von ausländischen Banken mit ein.
JPMorgan und Citigroup, zwei langjährige Positionen in unserer Strategie, haben seit der Ergebnisvorstellung der Fed Dividendenerhöhungen und Aktienrückkäufe zugesagt. JPMorgan strebt eine um 12 Prozent gesteigerte Dividendenrendite und einen Aktienrückkauf im Wert von 29 Milliarden Dollar bis Juni nächsten Jahres an. Die Dividende der Citigroup wird unterdessen um circa 11 Prozent erhöht und das Unternehmen plant Aktien im Wert von 21,5 Milliarden US-Dollar zurückzukaufen, was etwa 10 Prozent seiner Marktkapitalisierung entspricht (Stand per 30. Juni 2019).
Es besteht zwar kein Zweifel daran, dass eine Zinssenkung die Profitabilität belasten wird, und die zurückhaltende Bewertung in diesem Jahr spiegelt bereits den erwarteten Druck auf die Nettozinsmargen wider. Aber es gibt noch mehr Gründe, bei US-Banken relativ optimistisch zu sein.
Dass Unternehmen wie JPMorgan und Citygroup so viel Kapital an die Investoren zurückgeben können, spiegelt die grundlegende Stärke ihrer Kapitalpositionen wider. Die Common Equity Tier One Kapitalquoten haben sich in den letzten zehn Jahren seit der Kreditkrise mehr als verdoppelt. Sie liegen nun deutlich über den von der Fed geschätzten Mindestquoten, die erforderlich sind, um einem „stark negativen Szenario" standzuhalten. Damit sind diese Banken in der Lage, Aktionäre auch in einem schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld zu belohnen.
Außerdem ist wichtig, dass die Nettozinsmargen von der flacheren Zinskurve beeinträchtigt werden und nicht von niedrigen Zinsen per se. Wie ein Artikel der Financial Times kürzlich feststellte, könnte eine Zinssenkung am oberen Rand der Kurve verbunden mit einer Lösung des Handelskrieges dazu beitragen, die Kurve im Sinne des Bankensektors zu normalisieren.
Wir halten es daher für ratsam, unser Engagement bei JPMorgan und Citigroup beizubehalten, allerdings nicht nur wegen der verbesserten Kapitalausstattung. Beide Banken nehmen auch die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen im Finanzsektor an.
Innovationschancen nutzen
Die Nutznießer des Niedrigzinsumfelds werden wahrscheinlich innovative Unternehmen sein. Also solche Finanzinstitute, bei denen unterm Strich mehr herauskommt und die den Strukturwandel akzeptieren. Hinzu kommen Disruptoren, die bei dieser Entwicklung vorangehen und bestenfalls noch in den erwähnten Bereichen wie elektronischer Zahlungsverkehr und Cybersicherheit tätig sind. Insofern können niedrige Zinsen den in den letzten Jahren aufkommenden langfristigen strukturellen Wachstumstrend in der globalen Finanzdienstleistungsbranche beschleunigen.
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(Foto: Guy de Blonay © Jupiter Asset Management)
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