Der Mai war von einer Rückkehr der Euro-Krise geprägt, die natürlich in erster Linie Auswirkungen auf die südländischen Märkte hatte. Der spanische Aktienmarkt liegt seit Jahresanfang mit rund 28 Prozent, der italienische mit 15 Prozent und der französische mit 5 Prozent im Minus, während sich der DAX und der amerikanische Markt im Plus halten konnten. Auch die Renditen, insbesondere der spanischen Staatsanleihen zogen kräftig an – von 5 auf 6,6 Prozent. Es findet also eine Kapitalflucht statt. Die große Frage ist, ob sich mit Frankreich, die zweite große Volkswirtschaft der Eurozone, dieser Spirale entziehen kann. Auf der Agenda des neuen Präsidenten steht: Ausweitung des öffentlichen Sektors (60.000 neue Lehrerstellen), Reduzierung des Rentenalters von 62 auf 60 Jahre, Reduzierung des Budget-Defizits von aktuell 5,3 Prozent bis 2017 nur durch Steuern, Wiedereinführung der 35-Stunden-Woche und 75 Prozent Steuer auf Einkommen über einer Million Euro im Jahr.
Vergleich mit Mitterrand
Mit Francois Hollande wurde zum zweiten Mal, nach Francois Mitterrand 1981, in der fünften Republik ein Sozialist zum Präsidenten gewählt. In den 70er Jahren wurde die Welt, dank zweier Ölschocks, von hoher Inflation und Rezessionen geplagt. Während die westliche Welt darauf mit einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen reagierte, waren die Rezepte von Mitterrand recht konträr: Einführung einer kürzeren Arbeitswoche, Ausweitung des öffentlichen Sektors, Anhebung des Mindestlohns, höhere Sozialausgaben und die Verstaatlichung von großen Unternehmen, vorwiegend im Bankensektor. Vergleiche mit der aktuellen Agenda sind verblüffend!
Die Folgen nach der Wahl war ein 33-prozentiger Einbruch des französischen Aktienmarkts, steigende Renditen und bis 1984 eine Abwertung des Franc gegenüber der D-Mark um 30 Prozent, was Frankreich aus dem EWS warf. Die Staatsausgaben stiegen in den 14 Regierungsjahren von 46 auf 54 Prozent des BIP. Der Zinsaufschlag für Staatsanleihen gegenüber Deutschland stieg von 0 auf 250 BP. Durch die Regulierungen stiegen die Arbeitskosten drastisch an, sowohl absolut, als auch im Vergleich zu Deutschland. Das Wirtschaftswachstum erlahmte und Frankreich wurde zum „kranken Mann“ Europas.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Während Mitterrand seine sozialistischen Experimente vor dem Hintergrund eines ausgeglichenen Budgetsaldos und geringer Gesamtverschuldung durchführen konnte, ist die Situation heute ungleich prekärer (rd. 7 Prozent jährliche Neuverschuldung seit 2009, 89 Prozent Gesamtverschuldung). Darüber hinaus ist auch die private Verschuldungssituation viel angespannter als 1981. Lag damals die private Verschuldung im Vergleich zum öffentlichen Defizit bei 75 Prozent des BIP liegt sie heute bei alarmierenden 160 Prozent. Dies bedeutet, dass die Wirtschaft und die privaten Haushalte in Frankreich sehr wenig Spielraum haben, um exogene Schocks zu verkraften. Das alles bei geringem Wirtschaftswachstum, schwacher Wettbewerbsfähigkeit, hoher Jugendarbeitslosigkeit, hohen Immobilienpreisen, eines kränkelnden Bankensektors und der höchsten Staatsquote in den OECD-Ländern!
Vernunft ist gefragt!
Es geht also in dem aktuellen Diskurs „Sparen oder Wachstum“ nicht um das eine oder das andere, sondern es geht um beides. Strukturelle Defizite, wie sie am Beispiel von Frankreich deutlich zu erkennen sind, lassen sich nicht durch kurzfristig orientierte Ausgaben in Form von Konjunkturprogrammen lösen, schon gar nicht auf Kosten anderer Staaten über den Umweg der Europäischen Union. Sie lassen sich nur durch Strukturreformen, vor allem auf dem Arbeitsmarkt lösen. Ein Land wird eben nicht dadurch wettbewerbsfähiger, dass es weniger arbeitet (35-Stunden-Woche), früher in Rente geht (60 Jahre), den Arbeitsmarkt durch scharfe Kündigungsschutzgesetze für Jugendliche abschirmt (Frankreich, Spanien), die Löhne an die Inflation koppelt, unabhängig davon, ob sich das rechnet oder nicht, und vieles mehr. Sondern das Gegenteil ist der Fall: Die Staatsquote muss fallen, damit das zur Verfügung stehende Kapital in die ökonomisch effizienteste Richtung fließen kann und damit Wachstum erzeugt. Dies gelingt nur durch eine Stärkung des Privatsektors. Strukturreformen sind durchzusetzen, die nichts kosten außer den politischen Preis der Auseinandersetzung mit starken Lobbygruppen wie Gewerkschaften!
Wir trauen einem besonnenen Charakter wie Francois Hollande zu, nach der Parlamentswahl in Frankreich am 10. Juni einen pragmatischen Weg einzuschlagen, der die Ursachen anpackt und nicht an Symptomen ideologisch verblendet herumdoktert. Übrigens hat auch Mitterrand ab 1986 unter dem Druck der hohen Arbeitslosigkeit einen wirtschaftsfreundlicheren Kurs eingeschlagen, mit Jacques Chirac als Premier, der die Privatisierung von 65 Staatsunternehmen in Angriff nahm. Die Regierungszeit ab 1988 war von einer deutlichen Annährung Frankreichs an den deutschen Nachbarn gekennzeichnet. Bleibt zu hoffen, dass der Erkenntnisgewinn in Frankreich diesmal schneller vonstattengeht und nicht erst nachdem der totale Bankrott bevorsteht. Es stehen Hollande auf jeden Fall zwei mächtige Gegner gegenüber: die Rating-Agenturen und der Kapitalmarkt.
Anleger sollten abwarten
Investitionen in Frankreich – egal ob Aktien, Anleihen oder Immobilien – bleiben zunächst tabu bis die tatsächliche Linie der Politik ersichtlich wird. Wir bevorzugen nach wie vor deutsche und amerikanische Aktien, Unternehmensanleihen und in geringerem Maße Rohstoffe. Die Liquiditätsquote sollte relativ hoch sein, um kommende Chancen bei Entspannung der Euro-Krise zu nutzen.
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