Die Finanzmärkte verhalten sich aktuell bereits wie bei einer schon umgesetzten starken monetären Straffung sowie größeren Rezessionsgefahren. Das ist ungewöhnlich, denn historisch kam es erst nach mehrmaligen Anhebungen der Leitzinsen zu negativen Reaktionen an den Aktienmärkten. Es baut sich deshalb eine Divergenz zwischen negativen Märkten und gleichzeitig einem gut ausbalancierten, weiterhin soliden konjunkturellen und monetären Umfeld auf. Markttechnisch ist das positiv. Die Märkte lassen Dampf ab, bevor die Geldpolitik überhaupt wirklich stark gestrafft wird. Zudem erwarten viele Analysten verhältnismäßig große Leitzinserhöhungen und eine baldige und deutliche Reduktion der US-Notenbankbilanz. Hier besteht deshalb Raum für positive Überraschungen, falls sich die Inflation in den kommenden Monaten weniger stark als befürchtet entwickeln sollte.
Ein Vergleich der aktuellen Situation mit dem letzten monetären Straffungszyklus der US-Notenbank in den Jahren 2017 bis 2019 belegt eine heute bessere Ausgangslage für die Finanzmärkte als damals: Die Fed Funds Zinsen wurden bis Mitte 2019 auf 2,25 Prozent angehoben und die Bilanz der Notenbank um mehr als 400 Milliarden US-Dollar reduziert. Gleichzeitig invertierte damals die US-Zinskurve und signalisierte eine Rezession. Aktuell ist die Geldpolitik noch wesentlich lockerer. Das private Kreditsystem generiert viel Liquidität und die Konjunktur bleibt solide. Allerdings ist die Inflationsentwicklung heute problematischer als 2019. Da hier aber mittelfristig eine Entspannung eintreten dürfte (aufgrund der konjunkturellen Abkühlung, Basiseffekten, abnehmenden Lieferkettenproblemen), besteht die berechtigte Hoffnung auf nur begrenzte negative inflationäre Störeffekte in den kommenden Monaten. Trotzdem wirken weiterhin die 3D-Faktoren (Deglobalisierung, Dekarbonisierung, Demographie) langfristig inflationstreibend. Dies ist aber in den aktuellen Erwartungen mindestens teilweise eingepreist.
Das momentan von uns erwartete Basisszenario bleibt deshalb eine Kombination aus konjunktureller Abkühlung ohne Rezession, mittelfristig wieder tieferer Inflation und deshalb nur moderat steigenden langfristigen Zinsen und einer abflachenden Zinskurvenstruktur. Nach den starken Korrekturen der Aktienmärkte sowie den wieder höheren langfristigen Zinsen haben sich das Chancen/Risikoverhältnis und die Bewertungen, auch für die Kreditmärkte, wieder verbessert. Die Marktstimmung ist zudem extrem schnell und stark gefallen, was wir ebenfalls als ein eher positives Zeichen für die künftige Entwicklung sehen. Trotzdem dürfte die aktuelle monetäre Straffung, obwohl nur moderat, noch für längere Zeit zu hoher Volatilität und beschränktem Aufwärtspotenzial führen. Eine langanhaltende Baisse halten wir aber weiter für unwahrscheinlich. Starke Korrekturen können deshalb für Käufe bei Aktien, Unternehmens- oder auch Wandelanleihen genutzt werden.“
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Foto: Beat Thoma © Fisch Asset Management
Frühzeitiges „Dampf ablassen“ ist markttechnisch positiv
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