YAML | Example "3col_advanced"
Anzeige

Anzeige
Anzeige
Anzeige

Hat der Euro zu stark aufgewertet? Ein kurzer Exkurs zur Wechselkursbestimmung

von Willem Verhagen, Volkswirt, ING IM International, Den Haag

Der französische Präsident François Hollande forderte unlängst Maßnahmen gegen den starken Euro. Nach den Worten Hollandes könnte die Währungszone andernfalls „mit einem Wechselkurs enden, der nicht dem wirklichen Zustand seiner Volkswirtschaft entspricht”. Das mag auf den ersten Blick plausibel klingen, doch entsprechen die Wechselkurse vermutlich in den meisten Fällen „nicht dem wirklichen Zustand ihrer Volkswirtschaften“. Tatsächlich ist der Außenwert einer Währung wohl die Variabel, die sich makroökonomischen Erklärungsmustern am nachhaltigsten entzieht.

Die über längere Zeiträume wichtigsten Einflussfaktoren der Wechselkurse sind Inflationsdifferenzen und Unterschiede bei den Produktivitätszuwächsen. Länder, die über längere Zeit eine höhere Inflationsrate aufweisen, büßen an Wettbewerbsfähigkeit ein. Das war – mehr oder weniger ausgeprägt – in den Peripherieländern zu beobachten, bevor sie in die Europäische Währungsunion (EWU) eintraten. Ebenso sinken mit steigender Arbeitsproduktivität die Lohnstückkosten, während die Wettbewerbsfähigkeit steigt und die Währung nominal aufwertet.

Auf längere Sicht passen sich die realen Wechselkurse zwangsläufig an, um den Netto-Auslandsvermögens-status aufrechtzuerhalten. Sofern die Gefahr besteht, dass es durch anhaltend hohe Inflationsraten zu dauerhaften Defiziten kommt, muss der reale Wechselkurs nachlassen. Kommt es dagegen zu dauernden Überschüssen, ist eine reale Aufwertung vonnöten. Im Ergebnis ist die Leistungsbilanz der maßgebliche Faktor bei der Wechselkursbestimmung. Eine Aufwertung könnte ein Zeichen von Stärke sein, da sie entweder einen Erfolg der Geldpolitik bei der Inflationsbekämpfung oder kräftige Produktivitätszuwächse indiziert.

Präsident Hollande ist indes – aus naheliegenden Gründen – anderer Meinung: Wechselkurse entsprechen gerade deshalb nicht dem wirklichen Zustand ihrer Volkswirtschaften, weil sie nahezu völlig von der Kapitalbilanz der Zahlungsbilanz bestimmt werden. Die Handelsströme sind gemessen an den Bruttokapitalströmen geradezu unbedeutend und Letztere sind in einer von hoher Kapitalmobilität geprägten Welt nur sehr schwer vorherzusagen. Das liegt vor allem daran, dass insbesondere kurzfristige Kapitalströme wohl weniger von ökonomischen Fakten als vielmehr von „psychologischen Elementen“ getrieben werden.

(Euro-)Aufwertung ist nicht gleich Aufwertung …

Wie stark hat der Euro also in letzter Zeit wirklich zugelegt? Reicht das, um die Konjunkturaussichten deutlich zu trüben und die Inflationsgefahr zu erhöhen? Sind wechselkurspolitische Maßnahmen geboten? Bisher sicherlich nicht!

Man darf auch hier nicht die Fakten aus den Augen verlieren. Der effektive Wechselkurs hat, seit er Ende Juli die Talsohle erreichte, um 7 Prozent zugelegt. Damit entspricht er in etwa dem Durchschnittsniveau seit 1999, wenn auch 5 Prozent unter dem Niveau von Anfang 2011 und 10-15 Prozent unter dem Niveau von Anfang 2010. Über einen Zeithorizont von ein bis zwei Jahren war er effektiv rückläufig – ein wichtiger Faktor, wenn man bedenkt, dass manche realwirtschaftlichen Entscheidungen von langfristigen Trends abhängen.

Aber auch kurzfristigere Veränderungen sind von Bedeutung. Also unter sonst gleichen Umständen – bedeutet Aufwertung entweder weniger Exporte oder niedrigere Gewinnspannen. In jedem Fall könnte sich das negativ auf den Investitionsbedarf sowie die Nachfrage nach Arbeitskräften auswirken. Doch die Umstände sind für gewöhnlich nicht gleich. Viel hängt vom Tempo und Ausmaß der Aufwertung sowie der Intensität der Nachfrage an den Exportmärkten ab. Zwischen Anfang 2006 und Anfang 2008 konnte die Eurozone mühelos eine mehr oder weniger allmähliche Aufwertung um 10-15 Prozent verkraften, denn die Weltwirtschaft boomte.

Inwieweit ein starker Wechselkurs einer Volkswirtschaft schadet, hängt zudem auch von der Zusammensetzung ihrer Exportbasis ab. Sofern ein Land hoch entwickelte Investitionsgüter anbietet, die nicht ohne Weiteres aus anderen Quellen bezogen werden können, wie dies beispielsweise bei Deutschland der Fall ist, wird die Nachfrage nach seinen Exportgütern relativ preisunempfindlich sein. Die Produkte, die Frankreich und Italien anbieten, können dagegen relativ leicht anderswo bezogen werden. Daher macht sich eine starke Währung in diesen Volkswirtschaften schon früher schmerzhaft bemerkbar. Es ist insofern kein Zufall, dass bislang jeder französische Präsident irgendwann auf eine Zügelung des Wechselkurses gedrungen hat.

… es kommt auch auf die Entwicklung in anderen Teilen der Finanzmärkte an

Auch die Ursachen für die Aufwertung spielen eine Rolle: Steigt der Kurs, weil immer mehr Investoren auf die Region setzen, so ist das der Volkswirtschaft weniger abträglich als beispielsweise eine Aufwertung infolge exogener Erschütterungen. Die Stärkung des Euro im Zeitraum von Juli 2012 (Draghis berühmte Rede) und Dezember 2012 war nämlich ein Vertrauensvotum für die EWU. Mit der Einführung des EZB-Anleihekaufprogramms Outright Monetary Transactions (OMT) als Liquiditätsreserve für Regierungen ging das Extremrisiko eines Auseinanderbrechens der Eurozone deutlich zurück. Im Ergebnis floss Kapital in die Eurozone zurück und sorgte nicht nur für einen steigenden Wechselkurs, sondern auch für eine Verbesserung der Finanzlage am Binnenmarkt. Zu einem Großteil wurde der „Höhenflug“ des Euro auch von der Erwartung angetrieben, dass andere Zentralbanken, wie etwa die Bank of Japan (BoJ), die Zinsen noch aggressiver senken werden als die EZB. Dadurch haben sich die finanziellen Bedingungen wiederum verschärft, bleiben insgesamt aber deutlich entspannter als im Juli 2012. Wir rechnen daher nicht mit sofortigen Maßnahmen.

Das OMT-Programm hat eindeutig die finanzielle Stabilität erhöht und die EZB wird aller Wahrscheinlichkeit nach erst einmal abwarten, inwieweit sich diese Verbesserungen auf die Realwirtschaft auswirken. Letztendlich wird man aber wohl Maßnahmen ergreifen, die nach unserem Dafürhalten positiven Wandel anstoßen könnten. Im Ergebnis könnte der Effekt der BoJ-Maßnahmen auf die Wechselkurse weltweit eine weitere geldpolitische Lockerung bewirken. Wegen der gewaltigen Produktionslücke und der Sparpolitik wäre das für die entwickelten Länder von Vorteil. Profitieren würden aber auch die Emerging Markets, wo eine Umschichtung vom exportgestützten Wachstum hin zu einem von der Binnennachfrage getragenen Wachstum vonnöten ist.

----------------------------------------
Soeben erschienen: BOND YEARBOOK 2012/13 -
Das Nachschlagewerk für Anleiheinvestoren und -Emittenten
Renommierte Autoren und Interviewpartner nehmen Stellung zu den Themenfeldern High Yield-Anleihen, Mittelstandsanleihen, Covered Bonds, Investmentstrategien sowie Tax & Legal. Das jährliche Nachschlagewerk erscheint bereits im 4. Jahrgang und hat einen Umfang von 108 Seiten. Die Ausgabe kann zum Preis von 29 Euro beim Verlag bezogen werden:
http://www.fixed-income.org/fileadmin/2012-11/Flyer_Bestellformular_BondBook_12_13.pdf
----------------------------------------

Investment
Werner Krämer, Geschäfts­führer und Senior Economic Analyst bei Lazard Asset Manage­ment Deutsch­land, sieht vier große Themen in den USA, die…
Weiterlesen
Investment
Die Nachricht über den Start der DeepSeek-App hat die Kurse einiger der größten Tech-Aktien auf Talfahrt geschickt – und das inmitten einer Phase, wo…
Weiterlesen
Investment

Umstellung auf Anleihen noch im Anfangsstadium

Obwohl die Positio­nierung der Anleger nicht eindeutig zu erkennen ist, gibt es zumindest einige Anzeichen dafür, dass die Cash-Bestände weiterhin…
Weiterlesen
Investment
Künstliche Intelligenz bleibt das beherr­schende Thema im Tech­nologie­sektor. Während im vergangenen Jahr vor allem Hersteller von KI-Chips wie…
Weiterlesen
Investment
Sofern es keine Über­raschung gibt, dürfte die Euro­päische Zentral­bank (EZB) auf ihrer Sitzung am Donnerstag, 30. Januar, die Leit­zinsen um 25…
Weiterlesen
Investment
Seit der letzten Sitzung der Euro­päischen Zentral­bank (EZB) im Dezem­ber 2024 hat sich die Daten­lage im Euro­raum nicht wesent­lich ver­ändert. Die…
Weiterlesen
Investment

Belastungen für US-Treasuries möglich, Europa bietet attraktives Umfeld für Anleiheinvestoren

Die Politik von US-Präsident Trump könnte sich in den nächsten vier Jahren erheblich auf Anleger auswirken. Bislang konzen­triert sich die…
Weiterlesen
Investment
Mit einem Ertrag von 9,30% haben Nachrang­anleihen von Industrie­unter­nehmen (Corporate Hybrids) 2024 das zweite Jahr in Folge eine über­zeugende…
Weiterlesen
Investment
Das Global Asset Allocation Team von T. Rowe Price hebt die wichtigsten Erkennt­nisse für Investoren seit der Amts­ein­führung von Donald Trump am…
Weiterlesen
Investment
An der Börse wie im Boxring kann es zu über­raschenden psycho­logischen Entwick­lungen kommen. In der einen Ecke des Rings stehen die USA:…
Weiterlesen
Anzeige

Neue Ausgabe jetzt online!