Die gute Nachricht zuerst: High-Yield-Anleihen hatten noch nie zwei negative Jahre nacheinander. Wir gehen zwar nach dem historisch schwachen Jahr 2022 nicht von einem enormen Rebound aus, sind aber verhalten optimistisch, dass diese Gegebenheit auch für 2023 eintreffen wird. Allerdings wird sich unserer Einschätzung nach das erste Halbjahr eher schwieriger gestalten, da viele Emittenten infolge der schwachen (oder negativen) Konjunkturentwicklung und des Inflationsdrucks mit sinkenden Gewinnen konfrontiert sein werden. Entsprechend erwarten wir, dass sich die Spreads im ersten Halbjahr zuerst ausweiten, bevor sie sich in der zweiten Jahreshälfte wieder einengen.
Fundamental stehen die Emittenten im High-Yield-Sektor aktuell noch gut da. Wir erwarten jedoch eine gewisse Verschlechterung. Die Schulden werden wahrscheinlich nicht ansteigen, aber ein Rückgang des EBITDA wird den Verschuldungsgrad erhöhen und die höheren Zinskosten werden die Free Cash Flows belasten. Entsprechend rechnen wir im Jahresverlauf mit steigenden Ausfallraten. Dabei dürften die Ausfallquoten in den USA und Europa auf rund vier Prozent steigen, während sie in den Schwellenländern vor allem wegen weiterer Ausfälle im chinesischen Immobiliensektor wahrscheinlich auf einem Niveau von etwa zehn Prozent verharren werden. Ein sprunghafter Anstieg der Ausfallraten dürfte unter anderem deshalb ausbleiben, weil der Fälligkeitskalender der Emittenten für 2023 noch relativ moderat ausfällt. Die Unfähigkeit, fällige Schulden zu tilgen oder zu refinanzieren, ist weiterhin eine der Hauptursachen für Zahlungsausfälle.
Zudem gehen wir davon aus, dass sowohl die Anzahl an Rising Stars als auch an Fallen Angels dieses Jahr zunehmen oder zumindest auf hohem Niveau bleiben wird. Dies erscheint auf den ersten Blick paradox, jedoch lässt sich diese gegensätzliche Entwicklung mit zwei unterschiedlichen Faktoren erklären. 2020 gab es eine Rekordzahl an Fallen Angels. Obwohl 2022 viele davon bereits wieder heraufgestuft wurden, erwarten wir 2023 weitere signifikante Upgrades, insbesondere im Energiesektor, aber auch von einem grossen Unternehmen im Automobilsektor. Dies dürfte dazu führen, dass die Gewichtung des Energiesektors innerhalb des Index sinken wird, auch wenn dieser Sektor aufgrund des deutlichen Abstands zum zweitgrössten nach wie vor am höchsten gewichtet bleiben dürfte. Die Fallen Angels dürften wie erwähnt zunehmen, da die Erträge angesichts der schwächeren Wirtschaftsaussichten sinken und die Zinskosten aufgrund gestiegener Zinssätze und Spreads steigen.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich der Markt 2023 deutlich weniger volatil entwickeln dürfte als 2022. Auf Einzeltitelebene wird die Streuung allerdings zunehmen, da der fundamentale Ausblick für die einzelnen Firmen zunehmend auseinanderdriftet. Entsprechend steigen in einem solchen Umfeld die Anforderungen bezüglich Titelselektion. Positiv sollte sich die aber die Unterstützung der technischen Faktoren auswirken. Beispielsweise schrumpft der Markt, wodurch er potenzielle Abflüsse besser abfedern kann. Dieses Schrumpfen ist vor allem in den USA zu beobachten. Dennoch bevorzugen wir Euro High Yield Anleihen, weil Investoren für das gleiche Rating einen höheren Spread als in den USA erhalten (und zwar umso mehr je tiefer das Rating). Zusätzlich ist der Euro High Yield Markt insgesamt etwas defensiver, weil er ein höheres Durchschnittsrating und eine tiefere Duration aufweist.
Generell rechnen wir damit, dass die Anleger an den High-Yield-Markt, der in den vergangenen beiden Jahren erhebliche Abflüsse zu verkraften hatte, zurückkehren werden. Insgesamt dürfte die Normalisierung der Geldpolitik mit einem ‚vernünftigeren‘ Zinsniveau dazu beitragen, dass sich der High-Yield-Markt im Laufe der Zeit weg von den Verhältnissen der vergangenen 15 Jahre und eher wieder hin zu jenen vor der globalen Finanzkrise entwickeln und dieses Jahr eine positive Kursentwicklung zu Buche stehen wird.
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Foto: Kyle Kloc © Fisch Asset Management
High Yield-Markt: Europa aktuell attraktiver bewertet als die USA
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