Die Inflation wütet. Die Zinsen steigen. Der Krieg plagt Europa. Shanghai ist durch Corona abgeriegelt. Doch der Aktienmarkt hält Stand. Wie das Schilfrohr in der Fabel von Jean de La Fontaine: „Ich beuge mich und breche nicht“.
Denn seit Jahresbeginn gaben die meisten großen Börsen – von der Nasdaq einmal abgesehen – zwar nach, aber nur moderat um 5% bis 10%. Einige verzeichneten allerdings auch stärkere Verluste, wie etwa China (mit über -20%). Doch hier handelt es sich um einen Sonderfall, der vor allem mit der Innenpolitik des Landes zusammenhängt. Insgesamt zeigen sich die Aktienmärkte angesichts der harten Bedingungen, mit denen sie zu kämpfen haben, anpassungsfähig.
Anleihenmarkt leidet stärker
Beim Anleihenmarkt sieht das anders aus. Er wurde vom Sturm der Inflation mitgerissen und konnte sich nicht beugen wie das Schilfrohr, sondern ist gebrochen wie die Eiche. Anleihen verzeichneten dieses Jahr oft schlechtere Wertentwicklungen als die Aktienmärkte, obwohl sie als weniger risikoreich gelten. Ein Anleger in langlaufenden deutschen oder amerikanischen Anleihen, die als „risikofrei“ (d. h. ohne Ausfallrisiko) gelten, hat seit Jahresbeginn Verluste in Höhe von von 10% erlitten.
Eine solche Konstellation ist äußerst selten. Seit über dreißig Jahren hat es in keinem vollen Jahr einen derart starken gleichzeitigen Rückgang weltweiter Aktien und Anleihen gegeben. Oft gleicht eine Anlageklasse die Verluste der anderen aus. Dieses Jahr schmerzt es jedoch auf beiden Seiten, vor allem bei Anleihen, wenn man ihr übliches Risikoprofil betrachtet. Ist diese relative Widerstandsfähigkeit der Aktienmärkte ein erneuter Ausdruck „irrationalen Überschwangs“?
Wenngleich einige Segmente der teuersten Börsennotierungen, wie etwa extrem wachstumsstarke Titel, auf dem Höhepunkt der Coronakrise unter diesem Phänomen massiv gelitten haben, ist dies mittlerweile weitestgehend korrigiert. Denn trotz aller widrigen Umstände sind die Fundamentaldaten der Unternehmen weiterhin in Ordnung. Die Berichtssaison ist in vollem Gange und bestätigt dies.
Guter Start in die Berichtssaison
Von einigen spektakulären Ausnahmen abgesehen, wie etwa Netflix mit einem Verlust von über 60% seit Jahresbeginn, haben die meisten Unternehmen bislang Ergebnisse veröffentlicht, die den Erwartungen entsprachen oder sie übertrafen, sodass der Markt seine Gewinnerwartungen für 2022 nur geringfügig anpasst. In den USA, wo die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, abgesehen vom indirekten Einfluss auf die Preise einiger Rohstoffe, sehr begrenzt sind, werden die Gewinne für das Jahr zwar leicht nach unten korrigiert, man rechnet jedoch immer noch mit einem Plus von 10%. In Europa ist die Situation noch augenfälliger, denn dort werden die Gewinne sogar nach oben korrigiert. Das ist gewiss vor allem dem Rohstoffsektor geschuldet, der von der Inflation bei Grundstoffen profitiert. In anderen Sektoren gibt es leichte Kurskorrekturen nach unten. Es ist aber keinesfalls von einem extrem negativen Ausblick auszugehen, selbst nach zwei Monaten Krieg in der Ukraine und einem Jahr hoher Inflation.
Diese anhaltend positiven Gewinnerwartungen lassen sich zum Teil mit weniger finsteren Konjunkturaussichten erklären, als man befürchten würde, wenn man sich allein an die Stimmung der Verbraucher hielte. Denn sie werden von der Inflation mit voller Härte getroffen, während ein Teil der Unternehmen die Inflation auf die Verkaufspreise umlegen kann. Die am 22. April veröffentlichten Umfragen in der Eurozone lassen einen ungetrübten Optimismus erkennen. Der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex steigt auf hohem Niveau weiter an und liegt bei 55,8 Punkten, gegenüber 54,9 im Vormonat. Auch in den USA zeugt dieselbe Umfrage von einem soliden Maß an Optimismus, auch wenn er im Dienstleistungssektor aufgrund von Verzögerungen und Inflation nachlässt.
Herausforderungen: schrumpfende Margen und straffere Geldpolitik
Wenngleich eine Konjunkturschwäche auf weltweiter Ebene derzeit keine große Gefahr darstellt, sind Unternehmen noch mit zwei anderen Herausforderungen konfrontiert, nämlich den Margen und den Finanzierungkosten. Angesichts des Anstiegs der Materialpreise und des Lohndrucks – vor allem in den USA – werden die Unternehmen insgesamt ihre Margen schrumpfen sehen. Doch auch hier gibt es keinen Anlass für übermäßige Besorgnis, denn die Nettomargen lagen mit Schätzungen von rund 13% für die USA auf historisch hohen Niveaus.**** Ein Rückgang würde – sofern er sich kontrolliert und erwartungsgemäß vollzieht – nicht unbedingt heftige Turbulenzen auslösen. Die zweite Herausforderung ist natürlich der Anstieg der Zinsen und damit der Finanzierungskosten, der mit der Straffung der Geldpolitik einhergeht. Zurzeit liegen die inflationsbereinigten Realzinsen jedoch zum größten Teil noch im negativen Bereich. Der Zinsanstieg dürfte erst dann zu einem großen Problem werden, wenn die Zinssätze auf hohen Niveaus bleiben, während die Inflation deutlich zurückgeht. Diese Gefahr besteht zwar, aber so weit sind wir noch nicht. Sollten wir an diesen Punkt kommen, würden die Zentralbanken mit Sicherheit ihre Politik ändern und die Zügel wieder lockern.
Wenngleich der Aktienmarkt durchaus einige Hürden zu nehmen hat, ist er in einer guten Verfassung, um auch diese zu meistern. Dieses Glück hat der Anleihenmarkt nicht. Er hatte nichts Attraktives zu bieten und konnte sich nur durch die Zentralbanken auf den Beinen halten, die ihn nun fallen lassen. Seine Unbill hat wahrscheinlich noch kein Ende. Doch am Ende des Normalisierungsprozesses wird er zu Rendite und Attraktivität zurückfinden.
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LFDE hat sich seit der Gründung 1991 zu einer der bedeutendsten und dynamischsten Fondsgesellschaften Frankreichs entwickelt. Die Kernkompetenzen liegen bei der Titelauswahl in europäische und internationale börsennotierte Unternehmen. LFDE nutzt seine überzeugungsbasierte Managementexpertise, um institutionellen Investoren und Vertriebspartnern nachhaltige Produkte und Lösungen anzubieten, die eine Wertsteigerung der Kundenanlagen ermöglichen. LFDE verwaltet mittlerweile ein Vermögen 14.5 Milliarden Euro (Stand: 31.12.2021) und beschäftigt in Frankreich und den Niederlassungen in Deutschland, Spanien, Italien, der Schweiz und den Benelux-Ländern über 140 Mitarbeiter.
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Foto: Olivier de Berranger © LFDE
Im Sturm der Inflation: Aktien- und Anleihenmarkt
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