Am 18. und 19. Juni fand in Berlin die alljährliche Handelsblatt Jahrestagung Immobilienwirtschaft statt und war wie in den Vorjahren von Seiten der Referenten sehr gut besetzt.
So gab Prof. Wolfgang Wiegard von der Universität Regensburg einen Überblick über das allgemeine Klima für Immobilienunternehmen im Zeichen der europäischen Schuldenkrise, die sich jüngst durch den immensen zusätzlichen Kapitalbedarf der spanischen Banken und die zunehmenden Rezessionsängste in fast allen Euro-Staaten leider weiter verschärft hat. Prof. Wiegard, der ja noch bis März 2011 dem Sachverständigenrat der Bundesregierung angehörte, beschrieb die Gefahren, die daraus entstehen können, dass Deutschland mehr und mehr zum Zahlmeister Europas wird und die Staatengemeinschaft mehr und mehr in eine Transferunion abdriftet, die Deutschlands Bonität über die nächsten Jahre massiv untergraben könnte und die heimische Finanzkraft mehr und mehr aufzehrt. So wandte sich Wiegard gegen die von Frankreich und den Mittelmeerstatten so präferierte Lösung der Ausgabe von Eurobonds als gemeinsame Finanzierungsquelle für alle 17 Euro-Staaten.
Mit der Einführung von Euro-Bonds würden die aktuellen Zinsunterschiede eingeebnet – zum Nachteil Deutschlands. In Deutschland würden dadurch die langfristigen Zinsen steigen, in anderen Ländern der Währungszone dagegen fallen. Die deutsche Immobilienwirtschaft wäre signifikant beeinträchtigt und würde durch höhere Zinsen und zunehmende private Kapitalexporte gleich doppelt in die Zange genommen. Das kann eigentlich von Seiten der deutschen Politik nicht gewollt sein, zumal praktisch alle Referenten dem deutschen Immobilienmarkt eigentlich gute Entwicklungschancen für die nächsten Jahre einräumten. Die heimische Konjunktur ist relativ stabil, die Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich gering und viele Immobilienunternehmen arbeiten schon seit geraumer Zeit daran, durch ein De-Leveraging ihre Bilanzen auf sinkende Beleihungswerte von Banken und die Forderung nach mehr Eigenkapitaleinsatz frühzeitig vorzubereiten.
Trotz der guten Konjunktur und der lebhaften Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeimmobilien ist in Deutschland keine Immobilienblase zu verzeichnen. Zwar wurde in 2011 beim Wohnungsbau das historische Tief aus den Jahren 2009 und 2010 mit einem Anstieg von 160.000 auf rund 183.000 neuen Wohnungen überwunden, aber der Wohnraum wurde vornehmlich in den attraktiven Metropolen wie München, Hamburg und Frankfurt geschaffen, wo es einen erheblichen nachfrageüberhang und infolge dessen einen entsprechenden Anreiz für Bauherren gibt.
Was den Büromarkt betrifft, so gab Christian Ulrich, Head der EMEA-Region bei Jones Lang LaSalle, Deutschland ein gutes Zeugnis. Die deutschen Metropolen wie München, Berlin, Frankfurt und Hamburg konnten zuletzt deutliche Wertzuwächse verzeichnen und lagen auch beim Flächenumsatz oftmals in der europäischen Spitzengruppe. Das aktuelle europäische Wirtschaftsklima sorgt dafür, dass das Mietpreiswachstum im Büromarkt meist auf nordeuropäische Metropolen sowie deutsche Städte beschränkt bleibt. Deutschland kann außerdem traditionell darauf bauen, aufgrund seiner föderalistischen Struktur nicht von einem Büromarkt abhängig zu sein, so wie es in Großbritannien mit London oder in Frankreich mit Paris der Fall ist. Ulbrich erläuterte, dass in die Top 30-Städte weltweit rund 50% aller Immobilieninvestitionen fließen. Deutschland hat zwar keine Stadt in den Top 10, dafür aber gleich 4 Städte in den Top 30, nämlich Frankfurt an Platz 20 und Berlin auf Platz 22 mit jeweils 5 Mrd. USD jährliches Investmentvolumen. Auf Platz 26 und 27 folgen dann Hamburg und München mit je 4 Mrd. USD jährliches Investmentvolumen. Die Diversifizierung auf verschiedene Städte hierzulande trägt zu einem gleichmäßigeren Entwicklung bei und hilft es, Übertreibungen an einem Standort und zyklische Sprünge zu vermeiden, wie wir es von vielen globalen Metropolen wie London oder Tokio kennen.
Insgesamt kann die deutsche Immobilienwirtschaft trotz Euro-Desaster und sich ausbreitender Bankenkrise doch noch relativ positiv in die Zukunft schauen, das bestätigten auch Vertreter namhafter Immobilienunternehmen wie der Bürospezialist Prime Offfice, der durch CEO Claus Hermuth vertreten wurde oder die auf Shoppingimmobilien spezialisierte Hahn-Immobilien, die durch Vorstand Thomas Kuhlmann auf der Jahrestagung Immobilienwirtschaft repräsentiert wurde. Wichtig ist nur in dem Zusammenhang, dass alle Immobilienunternehmen aus allen Bereichen ihre Hausaufgaben machen und sich von Banken in der Finanzierung auf mittlere Sicht tendenziell sehr viel unabhängiger machen, da diese zum Großteil vor Basel III mit sich und ihrer eigenen Eigenkapitalausstattung genug beschäftigt sind. Hier könnten Anleiheemissionen eine nicht unwesentliche Rolle spielen und für Vermögensverwalter in schwierigen Zeiten extrem niedriger Zinsen einen wertvollen und renditeträchtigen Baustein in der Asset Allocation darstellen.
Text: Stefan Scharff
Jahrestagung der Immobilienwirtschaft im Zeichen der europäischen Schuldenkrise
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