"Aus der Sicht der Finanzmärkte hat die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich nicht zum worst case geführt. Die Aussicht auf ein gutes Abschneiden von Le Pen oder eine Stichwahl zwischen Le Pen und Mélenchon hatte in den letzten Wochen zu einer wachsenden Risikoaversion und damit – wenig überraschend – zu stärkerer Nachfrage nach Bunds zu Lasten aller anderen Anleihesegmente in der Eurozone geführt. Die positive Marktreaktion auf das schwache Abschneiden der anti-europäischen Kandidaten überrascht uns daher nicht, jedoch sollten wir uns fragen, wie lange der neuerliche Risikoappetit anhalten wird.
Die Umfragen, die eine Stichwahl Macron und Le Pen in der zweiten Runde ausgingen, deuten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Sieg für Macron hin, und dies ist das Szenario, dass die Märkte heute spielen. Die Aufrufe der Kandidaten der alten Regierungsparteien – Fillon und Hamon – in der zweiten Runde für Macron zu stimmen, stützen diese Hypothese.
In diesem Szenario verlagert sich das entscheidende Ereignis hin zu den Parlamentswahlen im Juni und der Frage, mit welcher Mehrheit der neue Präsident regieren könnte. Wenn Macron seine Tour de Force beendet hat, und möglicherweise zum jüngsten – noch vor einem gewissen Louis Napoleon Bonaparte – Präsidenten gewählt wird, ist es nicht sicher, ob die Dynamik ausreicht, ihm auch eine Mehrheit im Parlament zu verschaffen. Eine Kohabitation, in der die stärkste Fraktion im Parlament nicht den Präsidenten stützt und für jedes Vorhaben individuelle Mehrheiten organisiert werden müssten, ist nicht auszuschließen und würde mit Sicherheit den Elan bremsen, mit dem Macron das europäische Projekt voranbringen möchte.
Vom Ergebnis der Parlamentswahlen her könnten wir uns offensiver – oder defensiver – im Hinblick auf risikotragende Anlagesegmente positionieren. Wenn die Risikoprämie „Frankreich“ verschwindet dürften die Risikoaufschläge im ganzen Euroraum davon profitieren, und – abgesehen von weiterhin schwelenden geopolitischen Risiken – würde nichts mehr einer Korrektur der Überbewertung bei Bunds entgegenstehen."
http://www.fixed-income.org/ (Foto: Franck Dixmier © Allianz Global Investors)
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