Aufgrund global sehr solider Konsumausgaben und der Gefahr eines Wiederaufflackerns der Inflation sowie bald wieder erhöhten Staatsausgaben (nach der Anhebung der US-Schuldenobergrenze) ist mit keiner schnellen geldpolitischen Wende zu rechnen. Die Notenbanken sind trotz langsam abkühlender Konjunktur gezwungen, weiterhin Liquidität aus dem System zu nehmen. Zusätzlich liquiditätsmindernd ist eine stark rückläufige Kreditvergabe aufgrund der noch immer schwelenden Bankenkrise in den USA und dem damit verbundenen Abfluss von Bankeinlagen. Zudem werden die Kreditvergabebedingungen (‚Lending Standards‘) deutlich verschärft. Auch in Europa ist die Kreditvergabe der Banken rückläufig. Insbesondere Schuldner mit tieferer Bonität spüren bereits jetzt zunehmenden Gegenwind bei der Refinanzierung ihrer Schulden.
Anhaltend schwache Immobilienmärkte sowohl in den USA als auch in Europa sowie der Verkauf von Staatsanleihen durch die Notenbanken (Fed, EZB) und das US-Treasury von geschätzt mehr als 900 Milliarden US-Dollar in den kommenden Monaten verstärken zudem den ohnehin schon signifikanten Liquiditätsentzug an den Finanzmärkten. Alle erwähnten liquiditätsmindernden Faktoren wurden in den vergangenen Monaten teilweise durch Sonderfaktoren (Notfall-Liquidität, Abbau des ‚Treasury General Account‘, private Geldschöpfung) kompensiert. Diese Kompensationseffekte fallen jetzt aber mehrheitlich weg und es muss mit einem wieder verstärkten Einfluss der restriktiven Geldpolitik gerechnet werden.
Auffällig ist zudem, dass an den US-Aktienmärkten die Marktbreite in historisch selten zu beobachtendem Ausmaß abnimmt. Seit Mitte März läuft der breite Markt gemessen am Russel 2000 Index deutlich schlechter als der S&P 500. Investoren haben mit der großen Mehrheit der Aktien seit März nichts mehr verdient. Von den 500 Aktien im S&P 500 sind nur acht (!) Titel angestiegen (Apple, Tesla, Microsoft, Nvidia, Facebook/Meta, Amazon, Netflix und Google/Alphabet). Mit allen anderen verloren Anleger dagegen Geld. Dies ist ein indirektes Signal einer schnell abfließenden Finanzmarktliquidität und dürfte in absehbarer Zeit auf die Investorenstimmung drücken.
Viele Anleger sind trotz der Höchststände bei einzelnen Indizes im Minus (auch auf Jahresbasis) und dürften deshalb immer beunruhigter werden. Abnehmende Marktbreite kann bildlich mit einer Armee im Angriff beschrieben werden, bei der nur noch einige wenige Generäle nach vorne stürmen, die Truppe aber bereits in die Gegenrichtung abrückt – ein aussichtsloses Unterfangen. Dementsprechend waren Marktbreitenschwankungen in der Vergangenheit stets gute mittelfristige Timing-Signale. Sie sind Ausdruck einer zunehmenden Spannung zwischen Auftriebskräften und abnehmender Liquidität.
Insgesamt ergibt sich daraus weiterhin ein anspruchsvolles Umfeld für die Aktien- und teilweise auch für High-Yield-Märkte. Die Kombination aus schnell fallender Liquidität sowie einer Abschwächung der Konjunktur und der Unternehmensgewinne liefert hier spürbaren Gegenwind. Gleichzeitig sind die Bewertungen immer noch verhältnismäßig hoch und eine Rezession ist nicht eingepreist. Wir bleiben deshalb in unseren Strategien mit Aktien- und High-Yield-Exposure defensiv positioniert. Langfristige Staatsanleihen könnten wegen der hohen Emissionen aufgrund der Anhebung der US-Schuldenobergrenze kurzfristig unter Druck geraten, dann aber wieder zulegen. Daraus ergibt sich auch ein neutrales bis leicht positives Umfeld für Investment-Grade-Unternehmensanleihen, auch in den Emerging Markets.
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Foto: Beat Thoma © Fisch Asset Management
Marktbreite und Liquidität fallen besorgniserregend
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