Marktteilnehmer sollten sich anschnallen und auf weitere Turbulenzen einstellen. Seit dem Zwischentief im Oktober profitierten sie deutlich von der Erholungsphase im Spätherbst und Winter, da sich das Stagflationsgespenst zumindest kurzzeitig in Luft aufgelöst hat. Ausgelöst wurde dieser Stimmungswechsel durch die positive Kombination aus mildem Wetter in Europa, das eine Energiekrise verhinderte, und dem Ende von Chinas Zero-Covid-Policy, was die Wachstumsaussichten in Europa beflügelte. Außerdem deuteten die Inflationsdaten im vierten Quartal darauf hin, dass die Zentralbanken die Oberhand im Kampf um Preisstabilität behalten. Seit Februar kühlte sich die Marktstimmung jedoch abrupt ab, denn die jüngsten Veröffentlichungen zeigen eine Preisentwicklung, die immer noch zu stark ist. Der überhitzte Arbeitsmarkt wie auch der felsenfeste Konsum liefern den Zentralbanken den ökonomischen Puffer für eine noch stärkere Straffung der Geldpolitik.
Dabei war schon die bisherige Straffung in rekordverdächtigem Tempo vollzogen worden. Die kumulative Erhöhung der US-Zinsen um 4,5 Prozentpunkte innerhalb eines Jahres sind bittere Medizin, nicht nur für die Inflation, sondern auch für die Märkte. Aber bei jeder Therapie dauert es, bis sie wirkt. Die Inflationsdaten für den Januar, die im Februar veröffentlicht wurden, übertrafen die Erwartungen so klar, dass sich die Frage aufdrängt, ob die Geldpolitik nicht immer noch deutlich zu locker ist. ‚Lange und variable Verzögerungen’ bei der Wirkung der Geld- und Fiskalpolitik erhöhen die Komplexität für die Entscheidungsträger massiv. Zudem enthielten viele der im Februar veröffentlichten Daten technische Anpassungen wie etwa saisonale Adjustierungen, die das ihre zur Überraschung beitrugen. Es ist daher besonders wichtig, das große Bild nicht aus den Augen zu verlieren. Das Ende des Zyklus ist holprig, aber es ist auch chancenreich.
Wie kommen Investoren möglichst unbeschadet durch die Turbulenzen?
Das Eingehen höherer Risiken zahlte sich im Goldilocks-Szenario der letzten Monate aus: Segmente mit vergleichsweise hoher Risikosensitivität wie Emerging Markets und High Yield (HY), aber auch zyklische Sektoren lieferten eine deutliche Outperformance. Diese Phase des ‚leicht verdienten Geldes’ geht zu Ende, weil die Volatilität aufgrund der Unsicherheit hinsichtlich der Geldpolitik wieder zunimmt. Wenn bei einem Patienten die verordnete Medizin noch nicht voll angeschlagen hat und daher weiterhin verabreicht wird, drohen ernsthafte Risiken. Auf die Marktsituation bezogen könnte eine solche ‚Überstraffung’ zu einem Käuferstreik bei riskanteren Anlagen führen. Gleichzeitig dürfte das Interesse an eher sicheren beziehungsweise defensiven Anlageformen zunehmen und Qualität wieder im Vordergrund stehen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer erwarteten Rezession oder zumindest einer weiteren deutlichen Konjunktureintrübung sehen wir klare Vorteile bei Investment-Grade-Emittenten gegenüber ihren HY-Pendants.
Denn HY-Emittenten reagieren empfindlicher auf wirtschaftlichen Stress als IG-Emittenten, weil ihre Gewinnmargen einen schwächeren Puffer gegen steigenden Kostendruck bieten und weil die Ausfallrisiken zunehmen. Die Risikoprämien sind im HY-Bereich durch die Bärenmarkt-Rally der letzten Monate so tief gesunken, dass ein Wechsel ins qualitativ besser gestellte IG-Segment zu verhältnismäßig tiefen Opportunitätskosten vollzogen werden kann. Dazu kommt, dass viele Großinvestoren wie Pensionskassen und Lebensversicherungen aufgrund der jahrelang extrem tiefen Renditen im IG-Segment noch immer untergewichtet sind, was dem Markt technische Unterstützung bieten dürfte. Aufgrund der invertierten Zinskurve erwarten wir eine zunehmende Nachfrage nach Anleihen mit kurzer bis mittlerer Laufzeit. Natürlich drängt sich die Frage auf, ob Geldmarktprodukte aktuell nicht die attraktivere Option sind. Auf einen Horizont von wenigen Monaten dürften diese Papiere durchaus eine Berechtigung im Portfolio haben. Allerdings setzen sich langfristig orientierte Investoren mit dieser Strategie einem Wiederanlagerisiko aus und profitieren kaum davon, wenn die Überstraffung zu tieferen Zinsen bei mittleren Laufzeiten führt.
Hinsichtlich der Kombination aus Anleihenwährung und Emittenten bevorzugen wir derzeit noch EUR- gegenüber USD-Anleihen, da hier die erzielbaren Renditen nach Währungsabsicherungskosten höher sind. Als Sweet Spot identifizieren wir EUR-Anleihen von US-amerikanischen Schuldnern (so genannte Reverse Yankees), denn hier finden wir aktuell ‚das Beste aus beiden Welten’ – solide Fundamentalentwicklung und gleichzeitig günstige Risikoprämien.
Seit dem vierten Quartal findet hier aber sukzessive eine Verschiebung statt: zum einen erholten sich EUR-Anleihen in den letzten Monaten stärker, was den Renditevorsprung schrumpfen ließ. Zum anderen gehen die USD-Währungsabsicherungskosten für Investoren im Euroraum deutlich zurück (auf Forwards basierende Absicherungskosten sanken von 3,2% im Oktober auf 2,1% per Ende Februar). Der Grund für diese Entwicklung ist die Annäherung der Geldpolitik der Fed und EZB. Wir erwarten, dass die EUR-Staatsanleihenkurve noch deutlich inverser wird, da die EZB im Kampf gegen die Inflation ihre Zinspolitik unseres Erachtens noch aggressiver straffen muss. Dies dürfte die USD-Absicherungskosten weiter senken, was den Renditevorteil von Euro-Anleihen im Vergleich zu USD-Anleihen innerhalb weniger Monate dahinschmelzen lassen könnte und schlussendlich zu Preisdruck auf EUR-Anleihen führen könnte. Diese Entwicklung sollte genau im Auge behalten werden, um die Portfoliopositionierung sukzessive an die veränderte Realität anzupassen.
Auch auf längere Sicht sehen wir Potenzial für eine attraktive Wertentwicklung bei IG-Corporates. Auch wenn uns in den nächsten Monaten einiges an Zinsvolatilität erhalten bleibt, glauben wir an die Wirkung der geldpolitischen Straffung, die sich bereits jetzt in den vorausschauenden Indikatoren und den Firmenergebnissen niederschlägt. Wir erwarten daher im zweiten Halbjahr eine stärkere Abschwächung, sodass die Straffungsphilosophie überdacht werden muss. Hochqualitative Anleihen dürften dann von sinkenden Zinsen profitieren, während tiefere Qualitäten zu diesem Zeitpunkt noch unter Verkaufsdruck aufgrund der fundamentalen Risiken stehen dürften. Somit sollte es sich lohnen, die Turbulenzen mit einer Positionierung durchzustehen, die sowohl eine angemessene Federung als auch Erholungspotenzial bietet.
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Foto: Maria Stäheli © Fisch Asset Management
Mit IG-Corporates durch die holprige Endphase des Zyklus
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