Um die aktuelle Notenbankpolitik der FED, der EZB und die langfristigen Auswirkungen auf die Märkte zu verstehen, sollte man sich mit der Modern Monetary Theory (kurz MMT) beschäftigen. Diese wird von einigen Ökonomen wie Stephanie Kelton als neues Paradigma für Bekämpfung von wirtschaftlichen Krisenszenarien durch Staat und Notenbank gesehen. In den USA wird die MMT als neuer Leitfaden der Wirtschaftspolitik diskutiert.
Zusammengefasst beschäftigt sich die MMT mit folgenden Problemstellungen:
- Einer stagnierenden wirtschaftlichen Nachfrage und wachsenden finanziellen Instabilität innerhalb der Gesellschaft.
- Wie mit zunehmenden Ungleichgewichten umzugehen ist und wie eine gerechtere Verteilung des wirtschaftlichen Nutzens innerhalb einer Gesellschaft möglich ist.
Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass Staaten mit eigener Währung und keiner Auslandsverschuldung defacto nicht pleitegehen können, da die Notenbank unendlich viel Geld drucken kann. Auf der Basis dieser Beobachtung haben die Verfechter der MMT folgende Kernthesen entwickelt:
- Ein ausgeglichener Staatshaushalt ist nicht optimal, wenn das gesamte Wirtschaftssystem betrachtet wird.
- Länder mit einem freien Wechselkurs können sich extrem hoch verschulden, da die Notenbank immer genügend neues Geld drucken kann, um die Altschulden zu bedienen.
- Die Regierung sollte verstärkt fiskalpolitische Instrumente wie Steuersenkungen, Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld einsetzen, um das Ziel der Vollbeschäftigung zu erreichen. Eine Zunahme der Staatsausgaben zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Krisen führt nicht zu einer erhöhten Inflation.
- Die Notenbank kann nicht die Geldmenge kontrollieren, da die Banken die Geldschöpfung übernehmen. Die Notenbank kann lediglich den Zins kontrollieren.
MMT in der aktuellen Wirtschaftspolitik
Diese Thesen stehen jedoch im vollkommenen Gegensatz zum ökonomischen Mainstream-Denken. Doch MMT wird von den Notenbanken bereits seit einiger Zeit umgesetzt!
Eine der Schlussfolgerungen aus diesen Thesen ist, dass die Notenbank über den Ankauf von Staatsanleihen den Staat direkt finanzieren kann. So besitzt zum Beispiel die japanische Notenbank mehr als 40% aller ausstehenden japanischen Staatsanleihen und hält seit vielen Jahren den Zins bei 0% und darunter. Aber auch die Käufe von Staatsanleihen der EZB und die Nullzinspolitik zeigen in eine ähnliche Richtung. Bestätigt wird die MMT auch dadurch, dass in den EU-Ländern, aber auch in Japan trotz der massiven Finanzierung der Staatshaushalte durch die Notenbank es bisher keine signifikante Inflation gegeben hat. Auch das Quantitative Easing durch die FED zeigt in eine ähnliche Richtung.
Interessant ist, dass gerade zur Bekämpfung der Folgen der Coronapandemie die Notenbanken auf der ganzen Welt verstärkt als Käufer an den Anleihemärkten aufgetreten sind. Dies macht vor dem Hintergrund der MMT Sinn, da somit die fiskalpolitischen Spielräume der Regierungen deutlich erweitert werden. In der Coronakrise verhalten sich viele Regierungen exakt so, wie es den Thesen der MMT entspricht!
In den letzten Monaten haben Regierungen weltweit Konjunkturpakete in unvorstellbarer Höhe geschnürt, um die Folgen der Coronapandemie einzudämmen. Und weitere Pakete werden sicherlich folgen. Die aktuellen Wirtschaftszahlen sind so schlecht wie nie zuvor, aber bisher ist eine Krise wie in der Weltwirtschaftskrise ausgeblieben und zeichnet sich auch nicht ab. Auch lassen die aktuellen Zahlen vermuten, dass es nicht wie manche Marktteilnehmer erwarten, in nächster Zeit zu einer massiven Inflation kommen wird.
Zusammengefasst scheint die MMT die Blaupause für die Bekämpfung der globalen Folgen der Coronapandemie auf der makroökonomischen Ebene zu liefern. So wie die antizyklische Nachfragepolitik zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise beigetragen hat.
Auswirkung der MMT auf den Kapitalmarkt
Makroökonomische Diskussionen in Thinktanks und in die Entwicklung neuer ökonomischer Theorien sind für die meisten Marktteilnehmer erst dann von Interesse, wenn es um die Auswirkungen auf die verschiedenen Assetklassen geht. Welche Assetklassen würden davon profitieren, wenn die MMT in ihren Grundzügen Recht hat?
- Aktien und High Yield Bonds
Sollte die MMT Recht behalten, so würde durch den massiven ökonomischen Stimulus der Regierungen und Notenbanken die Wirtschaft wesentlich schneller als viele erwarten auf den Wachstumspfad zurückkehren. Interessanterweise spiegeln die Märkte aktuell dieses Szenario wider.
- Gold und Edelmetalle
Gemäß den Annahmen der MMT führen extrem hohen Staatsausgaben nicht zu einer verstärkten Inflation. Dies dürfte zumindest langfristig gegen einen weiteren Anstieg der Goldpreise sprechen.
- Staatsanleihen
Die hohe Staatsverschuldung durch die vermehrte Ausgabe von Staatsanleihen verbunden mit einer Inflationsrate von nahe 0 könnte dazu führen, dass mittelfristig die Renditen von Staatsanleihen tendenziell durch das steigende Angebot eher steigen werden. Dies dürfe dann eher negativ für die Assetklasse sein.
Zusammengefasst ist zu erkennen, dass sich mit dieser neuen makroökonomischen Theorie extrem gut die aktuelle wirtschaftliche Situation und das Verhalten der Märkte in den letzten Monaten erklären lässt. Damit kann man auch die Assetklassen identifizieren, die in nächsten Jahren erfolgreich sein dürften. Dennoch bleibt es weiter spannend…
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Foto: Thomas Mühlberger © rat Capital Invest GmbH
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