Andrea Iannelli, Investment Director für Anleihen bei Fidelity International, erläutert, was vor diesem Hintergrund von der Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks im Juni zu erwarten ist.
EZB zeigt wenig Interesse, ihre Haltung zu ändern
Die Politik war zweifellos die treibende Kraft an den Märkten im Mai, in dem die Ereignisse in Italien die Schlagzeilen beherrschten. In allen Kernländern Europas gingen die Renditen auf Talfahrt, angeheizt von der Volatilität in den Peripherieländern und der davon ausgelösten Flucht in Qualitätsanleihen. Wenn sich die Lage an der politischen Front wieder beruhigt, ist mit einer Gegenbewegung zu rechnen. Eine Untergewichtung der Duration in Kernländern scheint daher angebracht. Bislang zeigt sich die EZB wenig geneigt, ihre Haltung wegen der stärkeren Marktschwankungen zu ändern. Die zuletzt unerwartet hohe Kerninflation im Euroraum dürfte ihr zudem genügend Argumente an die Hand geben, um im Sommer eine weitere Drosselung ihrer quantitativen Lockerungen bekanntzugeben. Der Ton ihrer Mitteilung wird dabei wohl wie gewohnt gemäßigt ausfallen, denn unter der Oberfläche brodeln politische Spannungen, die wieder aufbrechen könnten. An der Höhe der Einlagezinsen dürfte sich daher noch längere Zeit nichts ändern.
In dieser Gemengelage werden die Märkte vermutlich den Weg des geringsten Widerstands gehen, was kurzfristig höhere Renditen bei Bundesanleihen bedeutet. Dennoch sollte sich der Renditeabstand zu US-Staatsanleihen vergrößern, denn die Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks haben unterschiedliche Pfade in der Geldpolitik eingeschlagen.
Zinserhöhung seitens der Fed im Juni ist gesetzt
In den USA hielten die Renditen zunächst das Niveau von 3,10 Prozent, bevor sie parallel zur politischen Krise in Italien nachgaben. Da aber das Stiefelland inzwischen eine neue Regierung hat, dürfte die Entwicklung bei US-Staatsanleihen nun wieder stärker von US-spezifischen Faktoren beeinflusst werden. Aus taktischen Gründen gehen wir in den USA daher zu einer untergewichteten Duration über.
Die Wirtschaftsdaten der größten Volkswirtschaft der Welt sind unverändert solide, passend zu einer Wachstumsrate von 3,7 Prozent. Diese steht im Gegensatz zu der Schwäche, die wir anderswo sehen, und ist vor allem auf die zu Jahresbeginn angekündigten erheblichen fiskalischen Anreize zurückzuführen.
An der geldpolitischen Front gilt eine Zinserhöhung durch die Fed im Juni als sicher. Eine weitere Straffung binnen Jahresfrist ist ebenfalls eingepreist. Da die amerikanische Notenbank die Märkte kaum mit zu aggressiven Zinserhöhungen überraschen wird, geht von höheren Renditen am kurzen Ende und der Bilanzreduktion Aufwärtsdruck auf die gesamte Renditekurve aus.
Von Strafzöllen oder von China gehen die größten Risiken für diese Einschätzung und das Wachstum in den USA aus. Die von Washington zuletzt angedrohten protektionistischen Maßnahmen lassen eher darauf schließen, dass es so weitergeht wie bisher und mit keinem ausgewachsenen Handelskrieg zu rechnen ist. Beim BIP dürften sie daher keine allzu tiefen Spuren hinterlassen.
http://www.fixed-income.org/
(Foto: Andrea Iannelli © Fidelity International)
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