Die Noratis AG hat kommuniziert, dass das für 2022 prognostizierte Ergebnis nicht erreicht wird. Für das laufende Jahr wird mit einem negativen Ergebnis vor Steuern gerechnet. Im Gespräch mit dem BOND MAGAZINE erläutert Noratis-CFO André Speth die Hintergründe. Er sieht aber auch Chancen für opportunistische Zukaufsmöglichkeiten.
BOND MAGAZINE: Sie haben bekannt gegeben, dass das für 2022 prognostizierte Ergebnis nicht erreicht wird. Woran liegt das?
Speth: Aufgrund des herausfordernden Marktumfelds und der daraus resultierenden Unsicherheit, was die zukünftige Wertentwicklung der Immobilien betrifft, haben wir uns dazu entschieden, nicht – wie ursprünglich geplant – eine Umbuchung einzelner Immobilien aus dem Umlaufvermögen in das Anlagevermögen vorzunehmen. Durch eine solche Umbuchung hätten wir stille Reserven ergebniswirksam gehoben. Damit ergeben sich für 2022 im Vergleich zum Geschäftsjahr 2021 niedrigere Werte für das EBIT und EBT. Wir sind aber weiter deutlich im positiven Bereich. Dies ist neben den Verkäufen vor allem auch auf die gemäß IFRS notwendige Bewertung unserer Zinssicherungsgeschäfte zum Jahresende 2022 zurückzuführen. Unser Immobilienportfolio hat sich in dem herausfordernden Umfeld stabil erwiesen. Auf Basis der externen Marktwertgutachten vom 31. Dezember 2022 mussten lediglich 1 Prozent des Portfoliomarktwertes abgeschrieben werden. Das ist für uns eine Bestätigung unserer Investitionspolitik.
BOND MAGAZINE: Für das laufende Jahr rechnen Sie mit einem negativen Ergebnis vor Steuern. Welchen Grund hat das?
Speth: Wir sehen uns nach wie vor mit einem schwierigen Marktumfeld konfrontiert, geprägt durch eine hohe Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Preisentwicklung für Immobilien. Hauptgründe hierfür sind gestiegene und gleichzeitig auch stark volatile Zinsen als auch die zukünftigen Belastungen aus notwendigen energetischen Sanierungen. Infolgedessen ist der Transaktionsmarkt weitestgehend zum Erliegen kommen. Mit unserem Geschäftsmodell sind wir jedoch auf einen funktionierenden Transaktionsmarkt angewiesen. Auch belasten uns trotz Zinssicherungsgeschäften die gestiegenen Zinsen, da nicht alle Kredite abgesichert sind. Hinzukommt, während unsere Zinssicherungsgeschäfte 2022 einen deutlich positiven Ergebnisbeitrag beisteuern, gehen wir aufgrund der laufzeitbedingten Veränderung der Marktwerte der Derivate planmäßig für 2023 von einer nicht-liquiditätswirksamen Ergebnisbelastung dieser Geschäfte aus. Auch planen wir keine Umbuchung von Immobilien in das Anlagevermögen. In der Prognose sind also keine Ergebnisbeiträge aus einer möglichen Hebung stiller Reserven enthalten.
BOND MAGAZINE: Und wie ist die operative Geschäftsentwicklung?
Speth: Wie bereits erwähnt, ist aufgrund des starken Zinsanstiegs und einer hohen Zinsvolatilität der Transaktionsmarkt fast vollständig zum Erliegen gekommen. Käufer und Verkäufer von Immobilien kommen derzeit nur selten auf einen gemeinsamen Nenner. In Übereinstimmung mit unserer Geschäftsstrategie, unseren Bestand kontinuierlich auszubauen, haben wir dennoch im Jahr 2022 aufgrund unseres hervorragenden Netzwerks den Immobilienbestand weiter ausbauen können. Ende 2022 verfügten wir über 4.548 Einheiten. Auch für das laufende Jahr sind wir zuversichtlich, dass wir weiterhin attraktive Objekte einkaufen und unser Portfolio werthaltig ausbauen können. Trotz des Marktumfelds ist es uns 2022 gelungen, mit 279 Einheiten nahezu das Vorjahresniveau bei den Verkäufen zu erreichen. Dies bestätigt uns darin, dass wir erfolgreich Objekte weiterentwickeln und für Investoren attraktiv gestalten können.
BOND MAGAZINE: Sie werden keine Umbuchung von Immobilien aus dem Umlaufvermögen in das Anlagevermögen vornehmen. Was bedeutet das operativ?
Speth: Aufgrund des niedrigeren Ergebnisses für 2022 und einem voraussichtlich negativen Ergebnis vor Steuern in diesem Jahr beabsichtigt die Noratis AG, der für den 19. Juli 2023 angesetzten Hauptversammlung vorzuschlagen, für das Geschäftsjahr 2022 keine Dividende auszuzahlen. Stattdessen sollen Investitionen getätigt und sich ergebende gute Marktchancen genutzt werden.
BOND MAGAZINE: Können Sie schon absehen, was Habecks Gesetzentwurf zum Heizungstausch für Noratis bedeutet?
Speth: Wir begrüßen Maßnahmen, die zu mehr Nachhaltigkeit im Immobiliensektor führen. Wir gehen davon aus, dass der energetische Zustand der Immobilienobjekte künftig nicht nur für die Mieter, sondern auch bei Transaktionen eine immer größere Rolle spielen wird. Deshalb prüfen wir Objekte bereits beim Ankauf auf die Möglichkeit der nachhaltigen Optimierung des Energieverbrauchs. Unser Ziel ist, unsere Bestände aus energetischer Sicht fit für die Zukunft zu machen. Deshalb haben wir einen Plan entwickelt, anhand dessen wir in den kommenden Jahren die Emissionswerte unseres Bestands systematisch reduzieren möchten. Jedoch haben wir auch die soziale Nachhaltigkeit im Blick: Wohnraum muss bezahlbar bleiben. Und Investitionen müssen auch rentabel sein.
BOND MAGAZINE: In welchem Umfang lassen sich Kosten für die energetische Sanierungen auf die Mieter umlegen?
Speth: Das ist gesetzlich geregelt. Acht Prozent der Investitionskosten lassen sich auf die Mieter umlegen.
BOND MAGAZINE: Hat die Politik den Markt kaputt reguliert?
Speth: Gesetzesentwürfe wie der von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der bereits ab dem nächsten Jahr den verpflichtenden Einbau von neuen Heizungen auf Basis erneuerbarer Energien mit einem Anteil in Höhe von 65 Prozent vorsieht, haben zu viel Verunsicherung unter Immobilienbesitzern geführt. Jedoch halten wir diese Reaktionen für übertrieben. Wir haben uns frühzeitig darauf vorbereitet, unser Immobilienportfolio nachhaltig auszurichten.
BOND MAGAZINE: Können Sie jetzt leichter Handwerker bekommen, weil der Neubau deutlich zurück geht?
Speth: Die strukturellen Veränderungen am Immobilienmarkt, die durch den Zinsanstieg in Gang gesetzt worden sind, wirken sich nur langsam aus. Noch immer ist ein Mangel an qualifizierten Handwerkern am Markt spürbar. Wir gehen aber davon aus, dass die Marktberuhigung letztendlich auch vor den Handwerksbetrieben nicht halt machen wird.
BOND MAGAZINE: Wie sind Ihre durchschnittlichen Finanzierungskosten und wie ist die durchschnittliche Laufzeit Ihres Fremdkapitals?
Speth: Wir verfolgen bei der Finanzierung unserer Objekte einen Finanzierungsmix, der Eigenkapital, Bankdarlehen und die Mittel aus den ausgegebenen Schuldverschreibungen umfasst. Mit den Unternehmensanleihen 2020/25 (WKN: A3H2TV, ISIN: DE000A3H2TV6) und 2021/2027 (WKN: A3E5WP, ISIN: DE000A3E5WP8) haben wir aktuell zwei börsennotierte Anleihen mit einer Laufzeit von fünf beziehungsweise sechs Jahren ausstehend. Für die Noratis-Anleihe 2020/25 erhalten Investoren einen Zinskupon von 5,50 Prozent. Die zweite Anleihe mit einem Kupon von 4,75 Prozent wurde im Rahmen einer Privatplatzierung begeben und vollständig von einer deutschen Versicherung gezeichnet. Insgesamt belaufen sich die durchschnittlichen Finanzierungskosten zum Stichtag 31.12.2022 auf rund 2,53 Prozent, bei einer durchschnittlichen Laufzeit von rund 49 Monaten.
BOND MAGAZINE: Welche positiven Nachrichten können Investoren in nächster Zeit von der Noratis AG erwarten?
Speth: Wir gehen davon aus, dass sich im Laufe des Jahres zusehends opportunistische Zukaufsmöglichkeiten ergeben. Wir prüfen permanent Ankäufe und wollen die sich bietenden Chancen nutzen. Aber, wir haben da keine Eile und können uns auf besonders attraktive Portfolios konzentrieren. Ziel ist und bleibt, das Immobilienportfolio weiter auszubauen. Darüber hinaus haben wir trotz des schwierigen Umfelds auch bereits für 2023 ergebniswirksame Verkäufe realisieren können, wie in unserer Pressemitteilung im Februar bekanntgegeben.
BOND MAGAZINE: Welche Chancen und Risiken sehen Sie derzeit am Markt?
Speth: Wir denken, dass sich die Marktlage in diesem Jahr und nachfolgend entspannen wird. Die abnehmende Inflationsdynamik wird dazu führen, dass sich der Leitzins auf einem stabilen Niveau einpendeln wird, was die Finanzplanung für uns kalkulierbarer macht. Auch die Konjunkturaussichten haben sich aufgehellt. Die stark zurückgefahrene Neubautätigkeit hat die Bedeutung von Bestandsimmobilien angesichts der hohen Nachfrage nach Wohnraum aufgewertet. Das Mismatch zwischen der hohen Nachfrage und dem knappen Wohnraumangebot führt darüber hinaus zu steigenden Mieten, was sich positiv auf unsere Ertragslage auswirkt. Natürlich kann sich die Lage auch wieder ändern. So würde beispielsweise eine Ausweitung der Bankenkrise in den USA oder ein verändertes geopolitisches Umfeld die Karten neu mischen.
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Foto: © André Speth, CFO © Noratis AG
„Wir gehen davon aus, dass sich im Laufe des Jahres zusehends opportunistische Zukaufsmöglichkeiten ergeben“, André Speth, CFO der Noratis AG
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