Trotz des anhaltenden Liquiditätsflusses und weiterhin extrem hohen US-Staatsausgaben beginnt sich die wichtigste Stütze der US-Konjunktur, der Güter- und Dienstleistungskonsum, abzuschwächen. Es besteht damit die Gefahr einer schnellen Abkühlung der Wirtschaft, die ohnehin auf einem unausgewogenen, rein konsumgetriebenen Fundament steht. Historisch schwächte sich der Güter- und Dienstleistungskonsum in den USA jeweils erst nach einer deutlichen Abkühlung des Arbeitsmarkts und der Konjunktur ab. Und der Arbeitsmarkt seinerseits reagierte stets mit einer gewissen Verzögerung negativ auf steigende Zinsen, eine restriktive Geldpolitik und fallende Geldmengen.
Aktuell scheint diese Reihenfolge ungewöhnlicherweise umgekehrt zu sein. Der Konsum lässt nach, während die US-Konjunktur durch hohe Staatsausgaben am Laufen gehalten wird und noch viel Liquidität im System zirkuliert. Der US-Konsument scheint somit auf die verschiedenen monetären und staatlichen Stimuli immer weniger anzusprechen. Insgesamt bestehen deshalb Ungleichgewichte in den USA, die mittelfristig die Finanzmärkte stören könnten.
Die gegenwärtigen Unsicherheiten werden durch die rückläufige Liquiditätsversorgung aus der ‚Overnight Reverse Repo Facility‘ (Überschussreserven der US-Banken und Geldmarktfonds) erhöht. Die Fed beobachtet die diesbezüglichen Gefahren allerdings genau und hat mit der Ankündigung einer Reduktion des Bilanzabbaus (QT) ab Juni dieses Jahres bereits reagiert. Die Verlangsamung des QT kam überraschend und soll einer übermäßigen Liquiditätsverknappung entgegenwirken. Im Fall größerer Turbulenzen wäre sogar wieder mit einer Bilanzausweitung und anderen monetären Hilfsmaßnahmen zu rechnen, welche eine Eskalation der Situation begrenzen dürften.
Allerdings erschwert eine nach wie vor hartnäckige Inflationsentwicklung die Arbeit der Fed. In den vergangenen Jahren konnten Probleme beim Wirtschaftswachstum und an den Finanzmärkten stets mit der Notenpresse gelöst werden, ohne negative Nebeneffekte auf die Inflation auszulösen. Das wird im aktuellen reflationären Umfeld immer schwieriger. Eine zu lockere Geldpolitik kann jederzeit wieder zu höheren langfristigen Zinsen und zu einem schwächeren US-Dollar führen.
Dagegen stabilisiert sich die Wirtschaftsentwicklung in Europa, China und einigen anderen Schwellenländer seit kurzem und kompensiert damit zumindest teilweise die Entwicklung in den USA. Es wirken auf globaler Ebene also ausgleichende Kräfte. Damit ist es aktuell noch zu früh, das Risikoexposure (Aktien und Kredit) deutlich zu reduzieren. Zudem liefern unsere markt- und bewertungstechnischen Indikatoren weiterhin zwar Warn-, aber noch keine Verkaufssignale. Wir bleiben deshalb trotz hoher Bewertungen und tiefer Risikoprämien neutral positioniert.
Bei den langfristigen Staatsanleihenzinsen wirken in den USA eine Reihe von Aufwärtskräften: Dazu zählen die anhaltend hohe Staatsverschuldung, die hartnäckige Inflation und Staatsanleihenverkäufe verschiedener Notenbanken (inklusive der Fed). Damit ist selbst im Fall einer weiteren konjunkturellen Abschwächung sowie einer baldigen Zinssenkung der Fed nicht mit deutlich tieferen langfristigen Zinsen zu rechnen. Wir positionieren uns von der Duration her deshalb neutral.
In Europa wirken am langen Ende ähnliche, aber deutlich weniger starke, zinstreibende Kräfte als in den USA. Da das Zinsniveau hier aber schon deutlich tiefer ist, dürfte eine EZB-Leitzinssenkung keine großen Auswirkungen auf das lange Ende der Zinskurve haben. Auch hier sind wir deshalb bei der Duration neutral positioniert. Eine stark steigende US-Staatsverschuldung, eine abkühlende Konjunktur und Zentralbankverkäufe von US-Staatsanleihen sind Belastungsfaktoren für den US-Dollar. Ein möglicherweise tieferer Dollar und die hartnäckige Inflation sind dagegen positiv für den Goldpreis.
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Foto: Beat Thoma © Fisch Asset Management
Zu früh, um Risikoexposure deutlich zu reduzieren
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