Eines der brisantesten Themen an den Finanzmärkten ist zurzeit der so genannte Reflationshandel. Notenbanken und Regierungen haben beschlossen, die Ausgaben und die Wirtschaftsleistung nach der COVID-19-bedingten Konjunkturschrumpfung mit Geld- und Fiskalpolitik anzukurbeln. Mit Folgen. Viele Anleger stellen sich jetzt auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und steigende Inflation ein.
In relativ kurzer Zeit wurden Value-Sektoren wieder zum Leben erweckt, während die Rohstoffpreise sprunghaft gestiegen sind und die Anleiherenditen drastisch angezogen haben. Das US-Arbeitsministerium meldete indes, dass die Verbraucherpreise in den USA im Frühjahr so stark wie seit 2008 nicht mehr gestiegen sind.
Play it again, Sam!
Das haben wir alles schon einmal erlebt. Denn: Reflation war auch ein Thema nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 und mehr noch nach der globalen Finanzkrise. Was spielt sich also heute ab: Ist dies ein vorübergehendes Phänomen oder ein langfristiger Trend? Das bleibt abzuwarten. Aber es ist durchaus möglich, dass die Weltwirtschaft in eine Phase höherer Inflation eintritt.
Die gute Nachricht: Chancen bietet der Reflationshandel. So hat der plötzliche Anstieg der Anleiherenditen neue Gelegenheiten in Kernanleihesektoren geschaffen. Hochwertige Kernanleihen mit mittlerer Laufzeit haben dank höherer Ausgangsrenditen attraktivere Ertragsaussichten (siehe Grafik im PDF). Anleiheinvestoren profitieren im heutigen Marktumfeld unter Umständen auch vom Roll-Down-Effekt, einem Nebenprodukt höherer Renditen und steilerer Zinsstrukturkurven.
Unsere Einschätzung nach Pro und Contra: Angesichts der Möglichkeit, dass die Reflation über das gesamte Jahr 2021 hinweg anhalten könnte, kommen wir zu dem Schluss, dass Anleiheinvestoren ihre Allokationen in Anleihen als Kernanlage nicht aufgeben sollten. Denn: Diese bieten den nötigen Vorteil der Diversifikation von Aktienrisiken. Zur Ergänzung einer Kernallokation sollten Anleger taktische Positionen in Marktbereichen, die am ehesten von einem reflationären Umfeld profitieren, in Erwägung ziehen.
Einbrüche ausbalancieren – mit kurzer Duration
Für Anleger, die einen plötzlichen Einbruch der Anleihekurse nicht in Kauf nehmen können, ist eine Verkürzung der Duration vielleicht eher zu verkraften. Multisektor-Strategien mit kürzerer Duration bieten einen Ertragsvorteil gegenüber den sehr geringen Renditen von Ultrakurzläufern am kurzen Ende des Markts, da der US-Leitzins voraussichtlich noch bis Ende 2023 nahe null verharren wird. Außerdem bieten Strategien mit kürzerer Duration nach wie vor Absicherung gegen potenzielle Aktienrisiken – in extremen Risk-off-Szenarien jedoch wahrscheinlich weniger als Strategien mit mittlerer Duration. Angesichts fiskalpolitischer Konjunkturmaßnahmen und des schnelleren Impftempos sind die Zinsstrukturkurven von Anleihen durch den plötzlichen Wiederanstieg der mittel- und langfristigen Zinssätze steiler geworden. So konnte mehr „Carry and Roll“-Potenzial als noch vor ein paar Monaten entstehen.
Attraktiv bewertet: Bankkredite
Bei der derzeitigen Dynamik von Angebot und Nachfrage profitieren Bankkredite unserer Ansicht nach von attraktiven Bewertungen. Dank der Zinsanpassung bei den variabel verzinslichen Bankkrediten hat der jüngste Zinsanstieg zu Zuflüssen in die Anlageklasse geführt. Verglichen mit Hochzinsanleihen warfen Bankkredite in der Vergangenheit stärkere risikobereinigte Renditen ab und sind in der Kapitalstruktur eines Unternehmens vorrangig.
Rock Bottom – die Realität mit TIPS
Da die Break-even-Inflationsrate von ihrem im März 2020 erreichten Tief sprunghaft angestiegen ist, konnten sich inflationsindexierte US-Staatsanleihen (Treasury Inflation-Protected Securities, TIPS) besser behaupten als ihre nicht inflationsgeschützten Verwandten. TIPS bieten zwar nicht dieselben Diversifikationsvorteile wie eine auf Kernanleihen ausgerichtete Multisektorstrategie. Aber: Sie können derartige Strategien gut ergänzen – und Anlegern helfen, unerwartete Zins- und Inflationsveränderungen zu nutzen. Anleger sollten sich zugleich bewusst sein, dass TIPS wahrscheinlich schlecht abschneiden, sobald die derzeitig starken Wachstumserwartungen nachlassen.
Qualität mit mittlerer Laufzeit – und Polsterpotenzial
Trotz der Möglichkeit weiterhin steigender Zinsen und des aufkommenden Reflationsdrucks sind wir überzeugt, dass hochwertige Anleihen mit mittlerer Laufzeit weiterhin die Grundlage für Rentenportfolios sein sollten. Kernanleihen sorgen für Ausgewogenheit und Diversifikation in Multi-Asset-Portfolios – sie gleichen die Volatilität an den Aktienmärkten aus. Es spricht unseres Erachtens viel für hochwertige Anleihen; aufgrund der steileren Zinsstrukturkurven und höheren Renditen kann das zukünftige Renditepotenzial steigen.
Und noch ein Punkt: Falls die Wirtschaft im weiteren Verlauf des Jahres unerwartet an Fahrt verliert und Risikoanlagen schwächeln, bieten Kernanleihen Anlegern zu den derzeitigen Renditen immer noch ein ausreichendes Polster. Mit anderen Worten: Jetzt mehr Erträge und später potenziell bessere Absicherung, falls der Markt in Bezug auf Wachstum und Inflation falschliegt.
ÜBER GOLDMAN SACHS ASSET MANAGEMENT
Goldman Sachs Asset Management ist die Investmentsparte der The Goldman Sachs Group, Inc. (NYSE: GS). Wir bieten Anlage- und Beratungsdienstleistungen für einige der weltweit führenden Institutionen, Finanzberater und Privatpersonen. Wir investieren in öffentliche und private Märkte über eine erstklassige Investmentplattform mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 2 Billionen US-Dollar. 1869 gegründet, bietet Goldman Sachs als führendes globales Finanzunternehmen einem großen und diversifizierten Kundenstamm Finanzdienstleistungen in den Bereichen Investment Banking, Wertpapiere, Investment Management und Consumer Banking.
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Foto: Gurpreet Gill © Goldman Sachs Asset Management
Anleihen: Reflation nutzen statt fürchten!
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