Der immer noch nicht offiziell geklärte Absturz eines Zivilflugzeuges in der Ost-Ukraine hat den Streit zwischen dem Westen und Russland verschärft und auf ein neues Level gehoben. Angesichts dieses jüngsten Ereignisses beschloss der Westen nun neue Sanktionen gegen Russland. Nichtsdestotrotz bleibt die Hoffnung auf eine politische Lösung des Konflikts.
Die Sanktionen
· Ein neues Niveau: Die neuen Restriktionen unterscheiden sich von den vorherigen vor allem durch ihre ökonomische Dimension. Sowohl die USA als auch die EU haben ihre Sanktionsliste erweitert und verbieten in Zukunft u.a. langfristige Kredite (mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen) an russische Banken in Staatsbesitz.
· Hoffnungen auf politische Lösung: Die Geltungsdauer der neuen Sanktionen von nur 12 Monaten und eine neue Bewertung der Situation nach nur drei Monaten lassen die Hoffnungen der Politiker auf eine alternative Lösung deutlich erkennen.
Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
· Eurozone – Direkte Effekte vor allem durch Auswirkungen auf den Handel: Insgesamt könnten sich die direkten Effekte für die Wirtschaft der Eurozone zwischen 0,1 und 0,4 Prozentpunkten für 2014/2015 bewegen, wobei noch kompensierende Effekte durch Exporte in wachsende Regionen (z.B. USA,UK) berücksichtig werden müssen. Zwar ist das Wachstum in der Eurozone von der einheimischen Nachfrage getragen, doch muss etwaigen Auswirkungen auf die Stimmungslage - auch durch mögliche Reaktionen Russlands - Rechnung getragen werden.
· Russland – Weiterer Schlag für das Wachstum: Ohnehin schwache Wachstumsaussichten dürften durch schwierigere Finanzierungsbedingungen für Banken und Unternehmen weiter sinken.
Mögliche Auswirkungen auf Aktien- und Anleihen-Märkte
Aktien
· Erste Reaktion positiv: Die unerwartet schwach ausgefallenen Sanktionen ließen den russischen Markt zunächst positiv reagieren.
· Bankensektor zunächst stabil: Die Maßnahmen haben insofern einen direkten Einfluss auf den Bankensektor, als dass die (Re-)Finanzierung der Banken mit Euro und Dollar eingeschränkt wird. Stabilisierend auf den Sektor könnte sich jedoch die bereits von der russischen Zentralbank getätigte Aussage auswirken, die von den Sanktionen betroffenen Banken zu stützen. Der Europäische Bankensektor ist durchaus in einem größerem Umfang in Russland involviert, allerdings sind nur wenige Banken betroffen. Alles in allem besteht aber zurzeit kein unmittelbarer Grund zur Besorgnis.
· Energiesektor ausgenommen (größtenteils): Russlands Kernindustrie, die konventionelle Ölproduktion, ist nicht Bestandteil der Sanktionen. Die unkonventionelle Produktion hingegen, in der Russland keinerlei Produktionskapazitäten vorweist, wird Restriktionen unterlegt. Auch im Zubehörsektor besitzt Russland keine nennenswerte Industrie.
· Trading beeinträchtigt: Im Trading könnten die Volumina sinken, da kurzfristige Refinanzierungen durch die Sanktionen beeinträchtigt werden. Für eine Quantifizierung des Gesamteffekts ist es jetzt allerdings noch zu früh.
Anleihen
· Marktzugang: Während Unternehmen von nun an in ihrem Zugang zu den Märkten eingeschränkt sind, kann sich der Staat weiter selber finanzieren. Aufgrund des ohnehin negativen Ausblicks erwarten wir zudem keinen signifikanten Durchschlag des verschlechterten Wachstumsbildes auf die Finanzierungsbedingungen. Dennoch könnten hier sowohl eine längere Geltungsdauer der Sanktionen, also über die abermalige Bewertung in drei Monaten hinaus, als auch die zukünftigen Reaktionen Russlands deutliche Auswirkungen hervorrufen und sollten im Auge behalten werden.
· Bewertung auf der Kippe: Obwohl Netto-Gläubiger der Welt und mit hohen Devisenreserven ausgestattet, dürfte Russlands Rating hinterfragt werden. Der Ausblick aller Rating-Agenturen steht bereits auf negativ und eine weitere Verschlechterung der Situation könnte den Ausschlag für eine Herabstufung auf das ‚Sub-Investment‘ Level geben.
· Unternehmensanleihen von Schlagzeilen getrieben: Das Kreditrisiko für russische Unternehmen dürfte weiter von sanktionsbezogenen Schlagzeilen bestimmt bleiben. Sanktionierte Unternehmen zeigen definitiv einen anderes Reaktionsniveau, doch bisher spiegeln die Preisreaktionen noch nicht die Fundamentaldaten der Unternehmen (z.B. Abhängigkeit von externer Finanzierung) wider. Bei andauernden Sanktionen dürften die Preise russischer Unternehmensanleihen unter anderem stärker auf Liquiditäts- und Refinanzierungskennzahlen reagieren. Wichtig wird es also sein, besonders Unternehmen mit sanktionsbelasteten Anteilseignern zu beobachten. In diesem grundsätzlich negativen Umfeld könnte unter anderem der Plan der russischen Regierung die Unternehmen durch Kapitalisierung des Bankensystems zu unterstützen für etwas Entspannung sorgen.
· Risiko steigender Portfolioabflüsse: Die Abflüsse an Portfolioinvestitionen könnten weiter zunehmen. Devisenreserven könnten dementsprechend zur Stabilisierung des Rubels eingesetzt werden. Sollte Russland Geld benötigen, würde die Zentralbank vermutlich eher ihre Anleihen verkaufen als ihre Goldreserven anzutasten. Aufgrund der kurzen Lauffrist der Anleihen, in die die Zentralbanken der Schwellenländer normalerweise investieren, sollte dies keine signifikanten Auswirkungen auf die internationalen Anleihemärkte haben.
Zusammenfassung
Die EU und die USA erhöhen die Schlagzahl und erlassen schärfere Sanktionen. Damit markieren Sie einen Wendepunkt in dem Konflikt. Von nun an dürften wir auf ein binäres Ausgangsszenario zusteuern, bei dem es nur die vollständige Deeskalation oder die vollständige Eskalation als Lösung gibt. Auf die kurze Sicht ist der Einfluss der Sanktionen auf die russische Wirtschaft und auf die Märkte begrenzt. Wichtige Faktoren sind hier jedoch die Dauer der Sanktionen, sowie vor allem Russlands Reaktionen. Wir werden die Situation aufmerksam verfolgen und nach den Risiken sowie den Chancen Ausschau halten, die diese Situation bietet.
www.fixed-income.org
Asoka Wöhrmann, CIO Deutsche Asset & Wealth Management, über die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland
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