Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte auf ihrer Dezembersitzung die Inflations- und Wachstumsprognosen im Vergleich zu den Projektionen vom September leicht nach unten korrigieren. In den letzten Monaten lagen sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation etwas unter den Erwartungen. Dennoch bleibt die Inflation im Dienstleistungssektor weiterhin hoch, was unter anderem auf Basiseffekte im Bereich Verkehrsdienstleistungen zurückzuführen ist.
Gemischte Signale bei Konjunkturindikatoren
Auch die Wachstumsdynamik zeigt Schwächen: Hochfrequentierte Indikatoren haben sich zuletzt leicht verschlechtert, insbesondere die Einkaufsmanagerindizes (PMI) haben die Aufmerksamkeit durch starke Rückgänge im November auf sich gezogen. Allerdings zeichnen andere Indikatoren ein weniger pessimistisches Bild. Der Economic Sentiment Indikator der Europäischen Kommission, das deutsche IFO-Geschäftsklima sowie die Auftragseingänge in der deutschen Industrie deuten darauf hin, dass die derzeitige Schwäche nicht so gravierend ist wie zunächst angenommen.
Wachstumsrisiken für 2025: Handelskonflikte und politische Unsicherheit
Die Aussichten für 2025 haben sich jedoch merklich eingetrübt. Erstens dürften höhere Zölle das Wachstum leicht belasten. In unserem Basisszenario rechnen wir mit einer Anhebung der Zölle auf europäische Autos auf 25 Prozent und auf andere Produkte auf fünf Prozent. Unter Berücksichtigung möglicher Gegenmaßnahmen, „Frontloading“, Handelsumlenkungen und eines schwächeren Euro gehen wir davon aus, dass das Wachstum im Jahr 2025 um 0,2 Prozentpunkte niedriger ausfallen wird als in unserer Prognose vom September. Zweitens verschärft die politische Unsicherheit durch den Zusammenbruch der französischen und deutschen Regierungen die Lage. Diese Instabilität dürfte das Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern beeinträchtigen und das Wachstum zusätzlich bremsen, vor allem wenn diese politische Lage länger Bestand hat. Dennoch stimmt uns die Entwicklung der Spreads französischer Staatsanleihen zuversichtlich, denn diese sind nach dem Anstieg im Zuge der Wahlen im Sommer seither stabil geblieben.
Ausblick: Dovisher Kurs und weitere Zinssenkungen
Insgesamt erwarten wir, dass der EZB-Rat am Donnerstag für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte stimmt, wodurch der Zinssatz für die Einlagefazilität bei drei Prozent bleibt. Bei ihren Aussagen dürfte die EZB dabei einen dovishen Ton anschlagen, um den schwächeren Wachstumsaussichten und der steigenden Wahrscheinlichkeit einer Unterschreitung der Inflationsziele Rechnung zu tragen. Ein möglicher Hinweis darauf könnte die Streichung der Aussage sein, dass die Geldpolitik „so lange wie nötig ausreichend restriktiv“ bleibe. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die EZB das Tempo der Zinssenkungen Anfang 2025 erhöhen wird und der Leitzins bis Mitte des Jahres auf 1,75 Prozent sinkt– leicht unterhalb des neutralen Zinssatzes.
Zusammenfassung
Die EZB wird auf ihrer Sitzung im Dezember wahrscheinlich das vierte Mal in diesem Zyklus die Zinsen senken. Mit Blick auf die aktuellen schwachen Konjunkturdaten, die zunehmenden Risiken für den Welthandel und die gestiegenen politischen Unsicherheiten in Frankreich und Deutschland ist mit einer dovishen Haltung zu rechnen. Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass der Zinssatz für die Einlagefazilität der EZB bis Mitte des nächsten Jahres auf 1,75 Prozent gesenkt wird.
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Foto: Shaan Raithatha © Vanguard
Ausblick auf die EZB-Sitzung
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