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„Der Markt zeigt ganz eindeutig, dass er Unternehmensanleihen für sicherer hält“

Interview mit Dietmar Zantke, Zantke & Cie. Asset Management GmbH

Dietmar Zantke wurde als Head of Credit bei der LBBW Asset Management, wo er u.a. für den Rentenfonds RentaMax verantwortlich war, zum Starfondsmanager. Im letzten Jahr gründete er in Stuttgart die Zantke & Cie. Asset Management GmbH. Zantke sieht die volkswirtschaftliche Entwicklung sehr eingetrübt und geht davon aus, dass auch am langen Ende die Zinsen noch zurückgehen können.

BOND YEARBOOK: In den vergangenen Monaten haben die Ratingagenturen wieder mehr Unternehmen heraufgestuft. Wie schätzen Sie die weitere volkswirtschaftliche Entwicklung ein?
Zantke: Wir sollten zwischen Ratings und der volkswirtschaftlichen Entwicklung unterscheiden. Denn dies würde suggerieren, dass Ratingagenturen die wirtschaftliche Entwicklung sehr gut einschätzen. Ratingagenturen haben einen erheblichen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen und mit ihren Ratings für strukturierte Produkte die Finanzkrise mit ausgelöst. Daher sind diese sicher zu Recht unter Beschuss geraten. Es bleibt zu hoffen, dass die Idee einer europäischen Ratingagentur umgesetzt wird. Konjunkturentwicklungen kann man von Ratings jedoch sicher nicht ableiten. Der Ratingtrend ist insgesamt (mit Financials) negativ – dies sowohl bei den Länderratings (Griechenland, Portugal, Spanien) als auch bei den Corporates. Insgesamt hängen die Ratings sehr stark von den Länderratings ab. Auch hier zeigt sich, wie katastrophal die Ratingagenturen reagiert haben. Sie haben stillschweigend hoheitliche Aufgaben übernommen.
Die Deregulierung der Märkte wurde hier wohl komplett missverstanden. Nehmen wir das Beispiel Standard & Poor’s, die Griechenland noch am 16. März von Credit Watch negativ heruntergenommen haben – was ein positives Zeichen war –, um dann das Land am 27. April von BBB+ direkt auf BB+ herunterzustufen, wobei das Rettungspaket für Griechenland da schon geschnürt war. Auch Fitch hat am 29. April, dem Tag der Ankündigung des ersten Rettungspaketes für Griechenland, das Rating von BBB+ auf BBB- gesenkt. Man muss das nicht interpretieren, aber das hat schon einen sehr bitteren Beigeschmack. Bei den Unternehmen, die heruntergestuft wurden, handelt es sich fast ausschließlich um Financials (Banken). Insgesamt gab es bei den Corporates von Moody’s seit Jahresanfang 118 Downgrades, davon 108 Finanzunternehmen. Nachranganleihen wurden massiv heruntergestuft, aber auch Covered Bonds mussten Downgrades hinnehmen. Mit den Ländern gab es insgesamt 120 Downgrades und zehn Upgrades. Einen positiven Ratingtrend (und das meinten Sie wohl) gibt es nur bei den Industrieunternehmen (Corporates ohne Financials). Hier gab es fünf Downgrades und sieben Upgrades. Der Ratingtrend bei Industrieunternehmen ist damit deutlich besser als der von Staaten, was sehr beeindruckend ist. Bei den Financials kann ich die positive Reaktion der Börsen auf das Rettungspaket nicht verstehen, weil natürlich auch die finanzielle Flexibilität der Staaten immer geringer wird. Zudem wird es Regulierungsmaßnahmen geben. Bei den Financials sollte man weiterhin vorsichtig sein.

BOND YEARBOOK: Welches volkswirtschaftliche Szenario erwarten Sie?
Zantke: Die Banken und der Finanzmarkt sind weiterhin stark angeschlagen. Wir sehen die konjunkturelle Entwicklung weiterhin mit großer Skepsis, trotz des kleinen Strohfeuers, das wir zurzeit haben. Zwar weisen viele Unternehmen aufgrund eines Basiseffekts recht gute Zahlen aus. Doch am Arbeitsmarkt sieht man recht wenig, und auch die gewerblichen Immobilienmärkte in den USA zeigen ein düsteres Bild. Erschreckend finde ich insbesondere die Parallelen zu 1929, die immer klarer werden. Auch damals hatten wir zwei Jahre nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise die Ansteckung auf die Staatshaushalte mit der Folge einer Krise des Währungssystems. Die Krise ist nicht vorbei, und schon gar nicht mit einem unausgereiften, überdimensionierten Rettungspaket. Hinzu kommt, dass sich die Kapitalmärkte komplett von der Realwirtschaft entfernt haben. Im Vergleich zu 1929 hat die Politik heute relativ wenig Einfluss auf die Realwirtschaft, schon gar nicht auf die Finanzmärkte. Die Schwankungen werden aus meiner Sicht zunehmen. Eine Konsolidierung der Staatshaushalte ist in dieser Situation nicht der richtige Weg. Eine neokeynesianische Politik, also eine expansive Fiskalpolitik, wäre angebracht, um Nachfrage und somit Wachstum zu generieren. Dabei muss das Geld nicht an den Kapitalmärkten, sondern in der Realwirtschaft ankommen, und dies ggf. auch auf Kosten der Verschuldung. Unserer Ansicht nach führen nur Wirtschaftswachstum und eine kontrollierte Inflation aus der Krise. Der derzeit angedachte Weg der Konsolidierung wird unmittelbar die Nachfrage abwürgen und in die Deflation führen. Mein mittelfristiger Ausblick ist bei der derzeitigen unkoordinierten europäischen Krisenpolitik deshalb sehr eingetrübt.

BOND YEARBOOK: Und welches Inflations- und Zinsszenario erwarten Sie in diesem Zusammenhang mittelfristig?
Zantke: Das ist in diesem schwer berechenbaren Umfeld natürlich die 100.000-Dollar-Frage. Das Schlimmste wäre ein Deflationsszenario. Wir benötigen daher, wie erläutert, eine expansive Geld- und Fiskalpolitik. In den USA ist man bereits seit Langem zu dieser Erkenntnis gekommen und kauft in großem Umfang Staatsanleihen zurück, ebenso in Großbritannien. Deshalb bin ich froh, dass die EZB endlich zu diesem Werkzeug greift. Das ist nicht die Aufgabe der Unabhängigkeit der EZB, sondern Notwehr. Vielleicht hätte das genügt, um den Markt zu stabilisieren. Das Rettungspaket war völlig überdimensioniert, und wenn es funktioniert, wissen wir gar nicht, welche Maßnahmen zu einer Erholung beigetragen haben. Aber noch zum Thema Inflation: Wir haben niedrige Kapazitätsauslastungen, und wir werden keine Lohn-Preis-Spirale bekommen. Der angedachte Konsolidierungskurs dämpft die Nachfrage. Daher sehe ich für die kommenden Monate kein Inflationsumfeld, sondern eher das Gegenteil. Die Leitzinsen werden bis weit ins nächste Jahr hinein niedrig bleiben. Das Aufkaufprogramm der EZB wird die Kurse eher stützen, d.h. die Zinsen gehen eher nach unten. Doch auch wenn die Zinsen niedrig bleiben, haben wir nach wie vor eine sehr steile Rendite-Struktur-Kurve. Auch der Euribor dürfte aufgrund der Tenderoperationen mit Vollzuteilung nicht deutlich ansteigen. Am langen Ende können die Zinsen eher sogar noch weiter zurückgehen.

BOND YEARBOOK: In den vergangenen Monaten wurde viel über Staatsanleihen diskutiert (Stichwort PIIGS-Staaten). Sind einige Corporate Bonds sicherer als Staatsanleihen?
Zantke: Das kann man ganz klar mit ja beantworten, was der Markt auch deutlich zeigt. Der iTraxx SovX (Souvereign), also der synthetische Index für den Ausfall von Staatsanleihen, notiert bei 110, der iTraxx Europe für Unternehmensanleihen bei 100, während der iTraxx Financials bei 130 notiert. Auch nach der Erholung betragen die Renditen für Griechenland-Anleihen 7,3% (für die jüngste Anleihe), im Hoch waren es 13%. Bei Unternehmensanleihen im Investment-Grade-Bereich gibt es ein solches Niveau nicht. Auch bei Portugal (4,5%) oder Spanien (4%) ist das Zinsniveau relativ hoch. Der Markt zeigt ganz eindeutig, dass er Unternehmensanleihen für sicherer hält.

BOND YEARBOOK: In welcher Form hat die hohe Volatilität an den Märkten den Investmentprozess verändert?
Zantke: Spätestens seit dem 750-Mrd.-Euro-Rettungspaket hat sich die Welt nochmals deutlich verändert. Die EU hat wie beim Poker „all in“ geboten und hofft, dass es funktioniert. Wenn es nicht funktioniert, muss die EU den Tisch verlassen. Auch beim Blick auf Euro- und Gold-Kurse sieht man, dass dies nicht ganz funktioniert hat. Da der Top-down-Ansatz, also die makroökonomische Analyse, seit jeher meinen Investmentprozess dominiert, spielen solche Überlegungen für mich schon immer eine große Rolle. Der Investmentprozess musste daher nicht verändert werden. Allein in der Umsetzung haben wir uns den Marktgegebenheiten angepasst. Zuvor haben wir die Duration über den Bund-Future gesteuert, daher mussten wir am schwarzen Freitag auch ein bisschen Federn lassen, da der Bund-Future sich völlig vom sonstigen Marktgeschehen abgekoppelt hat. Historische Korrelationen gelten im aktuellen Chaosmarkt nicht mehr. Die mittelfristige Duration werden wir nicht mehr so stark darüber steuern, sondern uns überwiegend auf den Kauf und Verkauf von Anleihen mit unterschiedlicher Laufzeit konzentrieren. Dies haben wir bereits umgesetzt und sind damit wieder sehr gut gefahren.

BOND YEARBOOK: Und wie haben Sie die Duration aktuell gewichtet?
Zantke: Wir sind zurzeit bei einer Duration von etwa fünf Jahren, dies entspricht dem von uns erwarteten Szenario. Wir werden die Duration allerdings in die Stärke hinein ein bisschen reduzieren, bei der Laufzeit zunächst aber relativ offensiv bleiben.

BOND YEARBOOK: Welche Strategie verfolgen Sie in dem Umfeld mit dem Zantke Euro Corporate Bonds AMI?
Zantke: Wir sind uns nicht sicher, ob das 750-Mrd.-Euro-Paket auf Dauer funktioniert und ob nicht in einigen Monaten Länder aus der Euro-Zone austreten werden. Wir konzentrieren uns mehr und mehr auch auf das Länderrisiko, d.h. wir konzentrieren uns auf die Kern-Euro-Länder und auf global aufgestellte Unternehmen.

BOND YEARBOOK: Und welche Sektoren bevorzugen Sie?
Zantke: Wir bleiben nach wie vor in defensiven Sektoren. Aus den jüngsten Erfahrungen heraus spielen für uns Financial-Nachranganleihen momentan keine und Financial-Senior-Anleihen nur eine untergeordnete Rolle. Unter defensiven Sektoren verstehe ich dabei nicht nur Telekom, Versorger, Pharma usw., sondern auch global aufgestellte, also geografisch stark diversifizierte Unternehmen.

BOND YEARBOOK: Neben dem Zantke Euro Corporate Bonds AMI haben Sie mit dem Zantke Euro High Yield einen zweiten Fonds gegründet. Welche Strategie verfolgen Sie mit dem Fonds, und welches sind Ihre größten Positionen?
Zantke: Hier kombinieren wir den Top-down-Ansatz mit einem Bottom-up-Ansatz, weil dies bei High-Yield-Anleihen eine wesentlich größere Rolle spielt. Wir sind zurzeit im Wesentlichen in BB-Anleihen, und damit für High Yields in relativ guten Bonitäten investiert. Dies wird auch bis auf weiteres so bleiben. Wir haben auch Positionen mit BBB- wie Haniel. Wir glauben, dass der High-Yield-Markt in den kommenden Jahren genauso kräftig wachsen wird wie der Investment-Grade-Markt. Hier wird es sehr viele interessante Neuemissionen geben. Wir wollen den Investment-Grade-Fonds von High Yields klar trennen, damit der Investor genau entscheiden kann, wo er investieren möchte. Wir bieten hier Transparenz.

BOND YEARBOOK: In den vergangenen Monaten haben zunehmend Unternehmen ohne Rating Corporate Bonds emittiert. Wie stehen Sie dieser Entwicklung gegenüber?
Zantke: Es gab eine ganze Reihe von interessanten Neuemissionen ohne Rating, wie z.B. SAP oder Celesio. Außerdem gibt es lang etablierte Beispiele wie adidas oder Heineken. Wir stehen dem sehr offen gegenüber. Wir hatten uns über Ratingagenturen unterhalten, ich glaube nicht, dass man da noch so viel Wert darauf legen sollte. Ich finde es auch gut, wenn sich Unternehmen nicht in diese Abhängigkeit begeben. Zudem gibt es bei einigen dieser Unternehmen, wie z.B. bei SAP, genug Research im Aktienbereich. Zudem gibt es oft einen kleinen Spread-Aufschlag, was für den Investor positiv ist.

BOND YEARBOOK: Die Unternehmen, die Sie genannt haben, sind allesamt im Regulierten Markt notiert und unterliegen damit den hohen Transparenzvorschriften der Deutschen Börse, wie z.B. Ad-hoc-Publizität. Zu jedem dieser Werte gibt es ausreichend Aktienresearch. Ist da ein Rating überhaupt noch notwendig?
Zantke: Notwendig ist es nur deshalb, weil es Regulierungen sowohl bei Banken als auch bei Fonds gibt, die ein gewisses Mindestrating vorschreiben. Daher können die Anleihen von vielen Investoren gar nicht gekauft werden. Von diesem Korsett werden sich die Investoren in Zukunft zunehmend befreien. Die EZB hat es jüngst mit dem Mindestrating für die Hinterlegung von Sicherheiten vorgemacht. Für Investoren, die von Ratings unabhängig sind, sind non-rated Bonds schon wegen des Spread-Aufschlags interessant.

BOND YEARBOOK: Sie sehen die Zukunft insgesamt recht kritisch. Was heißt das für die künftige Ausrichtung der Zantke & Cie. Asset Management GmbH?
Zantke: Ich verstehe es als meine Aufgabe als Fondsmanager, die Marktentwicklung sehr kritisch zu beobachten. Mein Szenario spricht auf absehbare Zeit aber durchaus für Anleihen.Wir wollen das Risiko natürlich streuen, und wir haben gerade im Bereich Asset Allocation und bei der strategischen Ausrichtung eine Kernkompetenz. Wir wollen uns deshalb künftig auch in anderen Bereichen, wie z.B. Aktien und Rohstoffe, breiter aufstellen. Dies ist noch Zukunftsmusik, und wir werden auch noch weitere Kompetenz durch entsprechende Personen aufbauen. Im Spezialfonds-Bereich haben wir bereits Absolute-Return-Mandate.

BOND YEARBOOK: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christian Schiffmacher.




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