Die Wirtschaft der Eurozone zeigt derzeit zwei vollkommen verschiedene Gesichter. Auf der einen Seite wird über einen Schuldenausfall in einem der schuldengeplagten Peripherie-Länder und gar über ein Ende der Währungsunion spekuliert. Die Wirtschaftstimmung in diesen Ländern stagniert auf einem sehr tiefen Niveau. Auf der anderen Seite ist die Stimmung in den starken Staaten im Zentrum der Eurozone praktisch auf das Vorkrisenniveau des Jahres 2007 zurückgekehrt. Der deutsche ifo-Index stieg im Dezember gar auf den höchsten je ausgewiesenen Wert.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird diese starke Divergenz in der Wirtschaftsentwicklung zwischen den einzelnen Volkswirtschaften der Eurozone noch einiges Kopfzerbrechen bereiten, steht sie doch in diesem Jahr vor einem Dilemma. Mit einer restriktiveren Geldpolitik gefährdet sie das Wirtschaftswachstum in den ohnehin angeschlagenen Peripheriestaaten. Die Wachstumsaussichten für diese Staaten sind düster. Vor dem Hintergrund der massiven Einschnitte in den Staatsausgaben dürfte das Wirtschaftswachstum hier bestenfalls stagnieren. Wachstum ist aber eine Voraussetzung für die Umsetzung der ambitionierten Sparpläne der Regierungen. Tiefere Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben als Folge eines schwachen Wachstums würden die Sparanstrengungen der Peripherie-Staaten wieder zunichte machen.
Mit einer weiterhin sehr expansiven Geldpolitik schürt die EZB jedoch in den starken Volkswirtschaften Inflationsgefahren. Auf den ersten Blick ist auch auf der Inflationsseite der Spielraum der EZB sehr begrenzt. Die Gesamtinflation in der Eurozone notierte im Dezember mit 2,2 Prozent bereits über der Zwei-Prozent-Marke. Eine Inflationsrate über zwei Prozent wird von der EZB gemeinhin als Gefährdung der Preisstabilität angesehen. Sie muss in der Regel eine striktere Geldpolitik nach sich ziehen muss. Der Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, hat an der Pressekonferenz nach der Januar-Sitzung bereits verlauten lassen, «dass sich die Risiken bezüglich des Preisniveaus nach oben bewegen können».
Allerdings ist die Inflationsentwicklung von den steigenden Ölpreisen getrieben. Sieht man sich die unterliegende Inflationsentwicklung an, so relativiert sich der Preisauftrieb. Die Kerninflation in der Eurozone (ohne die volatilen Ölpreise) lag mit 1,1 Prozent im Dezember noch immer weit unter der Zwei-Prozent-Grenze und deutet nicht darauf, dass das allgemeine Preisniveau stark steigen wird. Eine mögliche Inflation im Zentrum stellt im Moment ein geringeres Problem dar als die düsteren Wachstumsaussichten in der Peripherie. Die EZB dürfte daher die Leitzinsen trotz der starken Verfassung der deutschen Wirtschaft und dem ölpreisgetriebenen Inflationsanstieg vorerst bei einem Prozent belassen. Mit den ersten Zinserhöhungen ist erst ab dem 2012 zu rechnen.
von Alessandro Bee, Ökonom, Bank Sarasin & Cie AG
Die EZB steht vor einem schwierigen Jahr
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