Nach dem von Kritikern beklagten multiplen Staatsversagen bei der professionellen Bekämpfung der Pandemie steht eine neue Herausforderung bevor. Die Bundestagswahl. Eine neue Herausforderung? Nein, denn die Politik befindet sich seit dem ersten Lockdown ohnehin vorwiegend im Wahlkampf.
Nun stellt sich dem Wahlvolk die Qual. Denn noch nie war das Land so zerrissen wie jetzt und die Spaltung reflektiert und befeuert sich in den Umfragen. Der kommenden Bundesregierung ist ein glückliches Händchen zu wünschen, im Land wieder eine kompromissfähige Atmosphäre zu schaffen. Die Pandemie hat Politik-verdrossenheit weiter explodieren lassen. Und wenn schon der Fraktionsvorsitzende der Union eine Reform des Staatswesens fordert, dann muss es wirklich schlecht bestellt sein um „das System“.
Dass die Union seit 16 Jahren die Bundesregierungen anführt und mit Ihren Erkenntnissen oft zu spät kommt, erwähnt er nicht. Die Beispiele Klima-, Energie-, und Verkehrspolitik oder Digitalisierung sind derzeit in aller Munde und belegen das Thema. Erfolgreich aber in der Neutralisierung der Sozialdemokratie, die in der Koalition immer mehr Probleme hat, mit Ihrer Arbeit noch wahrgenommen zu werden.
Viele kapitalmarkt- und wirtschaftsorientierte Leser bauen daher auf die vermeintlich liberale Partei, die aber seit der geistig-moralischen Wende 1983 überwiegend nur noch wirtschaftsliberale Klientelpolitik betreibt und einen großen Teil ihres liberalen Potentials und an Bedeutung verliert. Der stete Demokratierückbau und die Regulierungs- und Verbotswelle in der Pandemie schaffen Perspektiven aber haben die Parteispitze nicht davon abgehalten bereits vor der Wahl Ausschluss-szenarien zu definieren und damit bereits Wählerpotential und politische Alternativen zu limitieren.
Ähnliche Probleme mit der Glaubwürdigkeit haben bei manchen die Grünen. Die Grünen haben in der politischen Verantwortung oft das Gegenteil ihrer eigentlichen Programmatik umgesetzt.
Doch ist das Thema Klimawandel und Umweltschutz eben keine „Sau“, die gerade mal aktuell durchs Dorf gejagt wird. Es ist ein überfälliger Kurswechsel in weiten Teilen der Welt der durch die alarmierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, den Zeitgeist und vor allem von breiten Teilen der Jugend getragen wird. Mit einer nie dagewesenen Dynamik auch in Wirtschaft und Kapitalmärkten. Wer das Environment, Social, Governance (ESG)-Thema nicht im Fokus hat, bekommt an den Märkten zunehmend schlechtere Konditionen oder gar kein Geld mehr.
Sogar Ex-Siemens-Boss Joe Kaeser bescheinigt den Grünen „"Die größte Glaubwürdigkeit für eine nachhaltige und langfristige Erneuerung“. Das aktuelle Programm ist ein modernes doch enthält es aus Sicht des Kapitalmarktes auch diverse Bausteine aus der Folterkammer. Von manchen Punkten wünscht sich der Autor baldige Umsetzung und von anderen Dingen kann man vielleicht erhoffen, dass sie als taktisches „Kanonenfutter“ für kommende Koalitionsverhandlungen gedacht sind.
Was bedeutet die Bundestagswahl nun für die Kapitalmärkte? Die Bedeutung von ESG-Kriterien wird weiter zunehmen. Das Augenmerk auf deren Glaubwürdigkeit aber ebenfalls. Bei den KMUs kommt das Thema nun auch an und wird zum entscheidenden Treiber für die Kapitalmarktfähigkeit. Insofern ist eine grüne Rolle in der kommenden Regierung zunächst kein grundsätzliches Schreckgespenst für die Börse, wie uns heute so mancher weismachen möchte, sondern weiterer Treibstoff für die antizipierende Rotation der Favoriten an den Börsen. Aber nicht in jedem Koalitionsszenario. Und solche Szenarien gibt es bei der Volatilität der Umfragen ja viele.
Vor dem Hintergrund der dominanten Themen vermissen wir leider parteiüber-greifend klar erkennbare Konzepte für den Mittelstand, dessen Zukunft bei der kommenden Bundestagswahl primär keine Rolle spielen wird. Denn die Markt-Bereinigung bei den Zombie-Unternehmen steht nach wie vor im Raum und wird gemeinsam mit den teilweise nur verschobenen Herausforderungen durch die Regulierung das Finanzierungsumfeld nicht verbessern.
Der Kapitalmarkt bleibt aus unserer Sicht eine wichtige Alternative für die Finanzierung mit Eigen- oder Fremdkapital. Und dieser Kapitalmarkt fordert heute bereits eine nachvollziehbare Position zum Thema Nachhaltigkeit, um bei der Umsetzung von Finanzierungsvorhaben optimale Ergebnisse zu erzielen.
Nahezu kein Investor klammert das Thema mehr aus. Kein Tag an dem nicht zahlreiche Beiträge dazu veröffentlicht werden. Und auch die begleitenden Banken müssen zunehmend Farbe bekennen und entsprechend beraten können. Die Bafin hatte das Thema Nachhaltigkeit bereits auf ihrer Prioritätenliste 2021 und es dann aber vor dem Hintergrund anderer Themen wie Wirecard und Pandemie um ein Jahr verschoben. Hier wären zusätzlich entsprechende politische Konzepte notwendig, um für die Unternehmen und Emittenten auch ein planbares Umfeld zu schaffen. Corona- und Klimapolitik reichen allein nicht aus. Es bleibt die Hoffnung, dass eine sich neue Regierung nach der Wahl auch mit den Erfordernissen des Mittelstandes beschäftigt. Dieser trägt weiterhin große Teile der Wirtschaft in Deutschland und verdient keine Qual.
Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 38.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investment-fonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.
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Foto: Kai Jordan © mwb Wertpapierhandelsbank AG
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