Durch die nun gestartete Zeichnung der neuen Anleihe des SV Werder Bremen kommt das Thema „Fußball, Finanzierung und Kapitalmarkt“ ebenfalls wieder in den Fokus. Denn die Pandemie hat auch in den Zahlenwerken der Vereine teilweise schmerzliche Spuren hinterlassen und wenn die Politik die „Spiele“ nicht als systemrelevant erachtet hätte, gäbe es vermutlich große Teile der Infrastruktur zum Ligabetrieb nicht mehr.
Trotzdem fragt sich mancher Beobachter, wo denn all die Milliarden so verschwun-den sind, die der Fußball vor der Pandemie in stetig wachsender und beeindru-ckender Wirtschaftskraft generieren konnte. Für den deutschen Fußball geben die jährlichen Wirtschaftsreports der DFL einen guten vereinsübergreifenden Eindruck.
Die Posse einiger europäischer Top-Clubs um die Gründung einer Super-League hat dann auch vorwiegend nur Verständnislosigkeit ausgelöst. Hier ging es nicht mehr um Sport, sondern lediglich um einen Zirkus und die daraus resultierenden Einnahmen. Sollten hier die „reichen Vereine“ noch reicher gemacht werden? Mitnichten. Denn nur weil jemand zu viel Geld zum Fenster hinauswirft und auf zu großem Fuße lebt, ist er nicht reich.
Beispielsweise steht es bei den drei spanischen Klubs, die das Synthet Superliga mitspielen wollten – FC Barcelona, Real Madrid und Atlético Madrid besonders bitter. Für das Geschäftsjahr 2019/2020 summierten sich die Bruttoschulden Barcelonas auf 1,173 Milliarden Euro, einschließlich extrem dramatischer kurzfristiger Verbindlichkeiten von 730 Millionen Euro. Das „ach so königliche“ Real Madrid ist mit 901 Millionen Euro brutto ebenfalls tief in der Kreide.
Der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Schumpeter sagte schon vor langer Zeit:
„Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve“
Für Fußballvereine gilt das oft in noch größerem Maße. Sie sind wie Junkies die stets „neuen Stoff“, sprich finanzielle Mittel benötigen, um die ambitionierten sportlichen Ziele zu erreichen. Doch sind die Gelder weg – unter anderem in den Taschen von hochbezahlten Spielern und oft windigen Beratern, so naht die neue Saison mit wiederum neuen Anforderungen. Neuer „Stoff“ muss beschafft werden.
Nun ist die Einnahmesituation vieler Clubs gar nicht so schlecht. Die TV-Gelder entpuppten sich mit den stets steigenden Einnahmen der DFL als sprudelnde Geldquelle. Diese Entwicklung bekam mit dem pandemiebedingten Ausschluss der Zuschauer nochmal einen dramatischen Schub. Aber auch Hospitality, Ticketing, Merchandising und Sponsoren bilden in hoffentlich bald wieder normalen Zeiten wichtige Einnahmefaktoren. Wie man aber selbst an den spanischen Clubs erken-nen kann, so helfen einem selbst Rekordeinnahmen nicht weiter, wenn die Aus-gabenseite noch stärker explodiert.
Der Profi-Fußball entzieht sich aufgrund seiner hohen Emotionalität und auch gesellschaftlichen Integrationskraft derzeit noch zu deutlich den Gravitationskräften der „normalen Wirtschaft“.
Bei der Beschaffung des neuen „Stoffs“ entwickeln die Verantwortlichen oft große Kreativität. Neben der Hausbank (die in schwierigen Zeiten eben aber auch manchmal zickt) werden Crowdfundings durchgeführt (mit meist überschaubaren Volumen) und es gab erfolgreiche Schuldscheinbegebungen.
Nachrangdarlehen wurden vereinbart - mit für den Anleger oft auch unüberschaubaren unternehmerischen Risiken wie bspw. der Insolvenzfall Hanseatische Fuß-ball Kontor zeigt, bei denen der Insolvenzverwalter versucht, bereits geleistete Aus-schüttungen zurückzuholen.
Mancher Verein vereinbart sogenannte ebenfalls nachrangige partiarische Darlehen die den Geldgeber am wirtschaftlichen Ergebnis (Umsatz, Gewinn) beteiligen. Die Schuldscheine und nachrangigen Finanzierungsformen werden im Regelfall nicht im Rahmen eines ggfs. prospektpflichtigen öffentlichen Angebotes abgeschlossen, sondern hinter verschlossenen Türen. Ihnen haftet der Makel höchster Intransparenz an. Und bei den manchmal involvierten handelnden Personen und der vereinbarten Konditionen ist das vermutlich oft auch besser so, damit die Liebe nicht erkaltet.
Dabei haben die in der DFL organisierten Vereine der 1. & 2. Bundesliga doch gerade erst Besserung gelobt. Eine Task-Force Zukunft Profifußball wurde eingesetzt und in dem zusammenfassenden Bericht heißt es neben anderen wichtigen Themen:
„Die Haltung und das Handeln der DFL und der Clubs sind gekennzeichnet durch Integrität, Transparenz, wirtschaftliche Vernunft und demokratische Strukturen. Compliance-Systeme mit unabhängigen Kontrollorganen sichern die Einhaltung von Gesetzen und Standards insbesondere zum fairen Wettbewerb“....und weiterhin:
„Nachhaltigkeit in allen Dimensionen soll Grundlage der Geschäftstätigkeit von DFL und Clubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga sein. Die DFL und alle Clubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga sehen ihre ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung für das Kerngeschäft Bundesliga als wesentliche Grundlage ihrer wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit und der gesellschaftlichen Verankerung des Profifußballs.
Die Balance zwischen Einnahmen- und Ausgabenseite soll sichergestellt wer-den. Dies sollte im Rahmen der nächsten Diskussion zur Verteilung der Medienerlöse berücksichtigt werden.
Neben strengeren Anforderungen an Liquidität, Profitabilität und Eigenkapital-bildung sollen u.a. auch Regularien für Personal- und Transferausgaben, aber auch Kadergrößen und Leihgeschäfte, diskutiert werden.“
Wer‘s glaubt wird selig? Ich hoffe nicht. Leider ist in den mehr als 100 Tagen seither nicht viel passiert.
Denn diese Zielsetzungen können ja Grundlage sein für eine weitere Entwicklung der Kapitalmarktfähigkeit von Proficlubs. Denn im Gegensatz zu den „Hinterzimmer-Aktivitäten“ fordert der Investor im Kapitalmarkt genau diese fehlende Transparenz. Damit wäre das eine im Vergleich zum Status-Quo transparente und demokratische Finanzierungsmöglichkeit mit entsprechenden Regularien.
Ob hier der Verkauf von Anteilen bis an die Grenze der aus Sicht des Verfassers extrem bedeutsamen 50+1 Regel zielführend ist oder eher die Liquiditätsbeschaffung über Anleihe wie nun von Bremen versucht muss sicher an den vereinsindividuellen Parametern bewertet werden. Das so ein Investor alleine nicht glücklich macht, kann man an einem anderen Nordclub deutlich ablesen.
Bei den Anleihen muss unterschieden werden zwischen reinen Fananleihen (teilweise mit Schmuckurkunden) und solchen, die sich auch an neutrale Kapital-anleger richten. Die Schmuckurkunden landen vielfach an den Wänden und ein großer Teil der Anleger holt sich aus Liebe weder Zinsen noch Rückzahlung ab.
Insofern ist der Schritt von Werder Bremen in Richtung KMU-Anleihemarkt aus unserer Sicht grundsätzlich zu begrüßen. Schade eben aber, dass er erst in der jetzigen Situation erfolgt. Dem Aufbau einer glaubwürdigen Kapitalmarktexistenz, die auch mal schwierige Zeiten mitgeht, stehen bisher wohl die vorstehend beschriebenen Strukturen im Wege. Die Transparenzanforderungen, die Werder nun erfüllen muss, sind aber ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung.
Der Verfasser dieser Zeilen wird sich aller Voraussicht in überschaubarem Umfang aus rein ideellen Motiven privat in der Werder Anleihe engagieren. Er ist zwar Anhänger eines Clubs in zentraler Hamburger Lage aber hegt eben auch Sympathien für den SV Werder.
Wenn die pandemiebedingten Belastungen abnehmen und es den Bremern gelingt, die Klasse zu halten, dann atmet der Anleihegläubiger durch. Das bei einem Abstieg aus der 1. Bundesliga eine zügige Rückkehr wahrscheinlich ist, darauf kann man sich nicht verlassen. Auch hier hilft ein Blick an die Hamburger Stadtgrenzen. Die „Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt“ aber in Hamburg sagt man, sie sei „der Tod des Kaufmanns“. Daher sei dem reinen Kapitalinvestor ein Blick in den Wertpapierprospekt und insbesondere den Risikoteil durchaus empfohlen. Dass der planmäßige Kapitaldienst bei Fußballanleihen trotz „starker Marken“ auch schiefgehen kann, konnte man zuletzt in Kaiserslautern beobachten oder auch bei Arminia Bielefeld. Ebenfalls gibt es Fälle einer regulären Bedienung der Verpflichtungen wie beispielsweise beim FC St. Pauli. Aber diese Anleihen sind oder waren alle nicht börsennotiert.
Vergleichbar sind für diesen Fall die beiden Tranchen des bereits in die zweite Liga abgestiegenen FC Schalke 04. Der Kurs der einst königsblauen Papiere hat be-gonnen, die bisherige sportliche Entwicklung und die damit verbundenen Risiken einzupreisen. Von der ersten Tranche stehen 16 Millionen Euro aus und werden im Juli 2021 fällig. Die übrigen 34 Millionen muss Schalke im Juli 2023 zurückzahlen. Der Verein plant einen Umtausch und damit praktisch eine Prolongation für die 21er Tranche. Sowas hat man beim Hamburger Dino auch schon mal vorgemacht. Die 23er Fälligkeit der Gelsenkirchener weist eine Rendite in Richtung 30 % auf. So handelt der Markt in der Regel klare Insolvenzrisiken.
Fazit: sportliche Zukunft lässt sich ebenfalls schwer prognostizieren. Und Liebe kennt keine Analyse. Für alle anderen gilt, dass Sie wissen müssen, was sie tun. Sonst könnte die erste Strophe des eingangs erwähnten Songs ungewollt Gültigkeit erlangen: „Tragik ist wie Liebe - ohne Happy-end“
Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 ge-gründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 38.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investment-fonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.
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Foto: Kai Jordan © mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank
„Doch die Liebe beweist sich erst..., …wenn der Wind zunimmt“ heißt es in einer sehr emotionalen Hymne des Liedermachers Thees Uhlmann über die Beziehung zu seinem Herzensverein
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